Diskussion über faire Lebensmittelpreise: Gibt es ein Grundrecht auf billiges Fleisch?
Der Handel verschleudert Schnitzel und Hühnerbrust. Das ist unethisch. Doch Schuld haben andere. Ein Kommentar.
Dass sich Bundesagrarministerin Julia Klöckner und Greenpeace einmal einig sein dürften, ist eine Premiere. Doch wenn es um billige Lebensmittel geht, stehen die CDU-Ministerin und die Umweltaktivisten auf einer Seite. Nahrungsmittel, finden beide, sind in Deutschland zu billig. Das müsse sich ändern.
Hinter der verblüffenden Allianz stehen allerdings höchst unterschiedliche Motive. Greenpeace will eine Wende in der Agrarpolitik hin zu weniger Pestiziden und mehr Tierschutz. So wie es auch andere Umwelt-, Tierschutzverbände und die Grünen fordern.
Julia Klöckner sieht sich dagegen den Bauern verpflichtet, die ihre Arbeit nicht ausreichend belohnt sehen. Der Bauernpartei CDU/CSU beginnen die Landwirte davonzulaufen, das kann die Landwirtschaftsministerin nicht kalt lassen.
Der Handel, dessen Marktmacht angeblich die Bauern in die Knie zwingt, taugt gut als Blitzableiter. Bei Hähnchenschenkeln für zwei Euro das Kilo muss der Hähnchenmäster über Tierschutz nicht groß nachdenken. Ein Kilo Schweinehack für 4,44 Euro – bei solchen Preisen können Schweine froh sein, wenn sie kein langes Leben erdulden müssen.
Goliath verhandelt mit Goliath
Richtig ist: Der einzelne Bauer hat wenig zu melden, wenn er sich einem milliardenschweren Lebensmittelriesen gegenüber sieht. Richtig ist aber auch: Das passiert so gut wie nie.
Edeka und Co. verhandeln nicht mit dem kleinen Milchbauern, sondern mit den Molkereien, den Schlachthöfen, Großhändlern, Genossenschaften und den Lebensmittelproduzenten. Es tritt nicht David gegen Goliath an, sondern Goliath gegen Goliath.
Die Frage des Verhandlungspartners ändert aber nichts daran, dass am Ende der Kette dann doch der Landwirt steht. Das Massengeschäft läuft über den Preis. Kann der deutsche Bauer nicht mithalten, springen Lieferanten aus dem Ausland ein. Das Ergebnis des Preiswettbewerbs liest man in den Werbezetteln der Supermärkte – Billighack und -hühnerbeine.
Der Preiskampf wird auf dem Rücken der Tiere ausgetragen. Je mehr Tiere, je weniger Geld für Haltung und Futter, je billiger die Transporte, desto niedriger ist der Preis. Das ist unethisch und muss ein Ende haben.
An Vorschlägen fehlt es nicht. Greenpeace und Grünen-Chef Robert Habeck sind für eine Tierwohlabgabe beim Kauf von Fleisch. Mit dem Geld sollen dann Landwirte unterstützt werden, wenn sie ihre Ställe tiergerechter umbauen wollen. Im Gespräch ist auch eine höhere Mehrwertsteuer für Fleisch.
Ministerin Klöckner kämpft weiter um ihr staatliches Tierwohllabel für Schweinebauern.
Gesetze statt Labelwirrwarr
All diese Vorschläge könnten helfen. Doch sie greifen zu kurz. Tierschutz darf nicht nur als frommer Wunsch im Grundgesetz stehen. Deutschland braucht endlich strengere Vorgaben, wie Nutztiere gehalten werden.
Schluss mit den engen Käfigen für trächtige Sauen, der Ferkelkastration ohne Betäubung oder dem millionenfachen Kükentöten. Von verbindlichen gesetzlichen Vorgaben würden alle Nutztiere profitieren, nicht nur diejenigen, die das Glück haben, bei einem einsichtigen Mäster zu leben.
Gesetze statt Labelwirrwarr, Fleisch „made in Germany“ könnte so zum Qualitätsprodukt werden – für alle, nicht nur für Biokunden.
Ja, Fleisch würde teurer. Und das wäre auch richtig so. Und ja, natürlich stellt sich dann die Frage nach einer Kompensation für Menschen mit schmalem Geldbeutel. Gibt es so etwa wie ein Grundrecht auf Fleisch oder nicht? Muss man die Hartz-Sätze erhöhen, wenn die Fleischpreise steigen? Das alles gälte es dann zu diskutieren.
Nur: Man muss den Mut haben, diese Fragen offen anzusprechen. Und auch andere brauchen Mut. Klöckner müsste mutig sein und eine verbindliche deutsche Haltungskennzeichnung in Brüssel durchsetzen, die Handelsriesen bräuchten Mut, Billigfleisch aus dem Ausland auszulisten.
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