Streit um Eigenkapital: Gewerkschaftschef fordert Boni-Verzicht von Bahn-Vorstand
Wegen Corona braucht die DB AG 5 Milliarden Euro vom Bund. Doch die EU-Kommission will die Gelder nicht freigeben. Der Vorstand soll auf Boni verzichten.
Der Chef der Eisenbahnergewerkschaft EVG erhöht den Druck auf den Bahn-Vorstand, sich mit der EU-Kommission zu einigen und eine dringend benötigte Milliardenhilfe des Bundes zu ermöglichen. „Sollte die EU-Kommission ihre Zustimmung an reduzierte Vorstands-Boni koppeln, akzeptieren wir das“, sagte Klaus-Dieter Hommel, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bahn AG ist, Tagesspiegel Background.
Der massive Fahrgastrückgang, die monatelangen Leerfahrten und Probleme bei den Töchtern DB Cargo und Arriva haben der DB AG 2020 einen Rekordverlust von voraussichtlich 5,6 Milliarden Euro beschert. Um den angeschlagenen Staatskonzern zu stabilisieren, will der Bund deshalb fünf Milliarden Euro zusätzliches Eigenkapital geben.
Doch die Genehmigung der Wettbewerbshüter:innen aus Brüssel steht seit Monaten aus. Ein Problem laut Berichten des „Spiegel“ und der „Wirtschaftswoche“: Die sieben DB-Vorstände um den Vorsitzenden Richard Lutz sind nicht zum Verzicht auf Boni bereit – zum Unmut auch der konzernnahen Gewerkschaft EVG.
„In dieser Krise sind persönliche Interessen zurückzustellen“, sagte Hommel. „Als Arbeitnehmervertreter haben wir dabei kein schlechtes Gewissen.“ Wegen der Coronakrise hat sich die EVG im vergangenen Jahr mit der DB AG auf einen neuen Tarifvertrag mit moderaten Lohnsteigerungen verständigt.
Die EU-Kommission fordert mehr Wettbewerb
Auch die Bundesregierung sieht die Bahn am Zug. Die Vorgaben der EU-Kommission seien akzeptabel, sagte der Bahnbeauftragte der Bundesregierung, Enak Ferlemann (CDU), Ende Dezember im Bundestag-Verkehrsausschuss. Der Bahnvorstand sei jedoch unzufrieden und wolle weiter verhandeln.
Wegen der Verzögerung mussten die Parlamentar:innen das Schuldenlimit für den Staatskonzern erhöhen. Ende 2021 darf die Bahn nun ein Defizit von 35 Milliarden Euro ausweisen.
Neben der eher symbolischen Frage der Vorstandsboni will die EU-Kommission auch den Wettbewerb stärken. So sollen auch Konkurrenten der Bahn – wie Flixtrain – ihre Tickets über die beliebte DB-Navigator-App verkaufen dürfen.
Die Bahn soll zudem ausrangierte Waggons und Lokomotiven nicht mehr verschrotten, sondern verkaufen. Das würde es Wettbewerbern im Fernverkehr erleichtern, einen eigenen Fuhrpark aufzubauen.
Aus der Sicht der Bahn ist die Forderung heikel. Denn der ICE4 soll demnächst viele alte Intercity-Züge ersetzen. Für Flixtrain wären diese durchaus interessant.
„Dass die DB Mitbewerbern möglicherweise Züge zur Verfügung stellen soll – darunter auch aktives, rollendes Material bis hin zu ICE-Zügen – sehe ich kritisch“, sagte dazu der DB-Aufsichtsrat Hommel. Er fordert, dass vorher die „wirtschaftlichen Folgen für das Unternehmen und für das System Schiene“ geprüft werden.
Die Grünen begrüßen dagegen die Ideen der Kommission. „Die Deutsche Bahn sollte ihre Navigator App für andere Anbieter öffnen“, findet der Bundestag-Fraktionsvorsitzende, Anton Hofreiter. Und dass die Bahn ihre alten Züge bei Interesse von Wettbewerbern nicht einfach verschrottet, hält Hofreiter „eigentlich für eine Selbstverständlichkeit“.