RWE verkauft Dea an russischen Oligarchen: Geschäft mit Warteschleife
Der russisch-ukrainische Oligarch Michail Fridman darf Deutschlands Öl- und Gasförderfirma RWE Dea für 5,1 Milliarden Euro übernehmen. Ein Käufer mit einer schillernder Biographie.
Dass dieses Milliardengeschäft noch komplizierter werden würde als andere Deals, war allen Beteiligten schon vor Monaten klar – lange bevor Russland und die EU Wirtschaftssanktionen gegeneinander verhängten. So soll der russisch-ukrainische Oligarch Michail Fridman bei seinem ersten Besuch in der Chefetage von RWE in Essen gesagt haben: „Ich habe ernsthaft Interesse am Kauf eurer Tochterfirma Dea. Aber was muss ich machen, damit ich trotz meines russischen Passes zum Zug komme?“
Bei RWE riet man ihm, fair zu spielen, es nicht auf die „russische Weise“ zu machen: Also nicht einen möglichst hohen Preis als Kaufangebot abzugeben, um alle Mitbewerber zu vergraulen, und dann später den Preis zu drücken. Fridman gab seine Hand drauf und hielt Wort. So bekam die von ihm geführte Investorengruppe LetterOne vergangenen März von RWE den Zuschlag zum Kauf der traditionsreichen Öl- und Gasfördertochter Dea zum Kaufpreis von 5,1 Milliarden Euro. Am Freitag gab das Bundeswirtschaftsministerium grünes Licht.
Die Regierung erwarte keine Beeinträchtigung der Energieversorgungssicherheit in Deutschland, erklärte Wirtschafts-Staatssekretär Stefan Kapferer. Wäre das Ministerium zu einem anderen Ergebnis gekommen, hätte es das Geschäft untersagen müssen. RWE Dea mit Sitz in Hamburg ist eines der bedeutendsten Unternehmen der Öl- und Gasförderung. Dessen Geschichte geht zurück auf die 1899 vom Berliner Bankhaus Laupenmühlen gegründete Deutsche Tiefbohr-Actiengesellschaft. 1911 wurde sie zur Deutschen Erdoel-Actiengesellschaft (Dea) fusioniert. Dea ging 1965 an die US-Gesellschaft Texaco (heute Chevron) und 1988 an den Kohlekonzern RWE.
Öl- und Gasbohrungen in 14 Ländern
Rund 1400 Dea-Mitarbeiter koordinieren heute Öl- und Gasbohrungen in 14 Ländern von Norwegen bis Ägypten. 2013 verdiente der RWE-Konzern, dem die Beschlüsse zur Energiewende finanziell zu schaffen machen, mit seiner Tochter 521 Millionen Euro. Mit dem Verkauf an Fridmans LetterOne, die in Luxemburg registriert ist, verschafft sich RWE Spielraum. Jubeln will man in Essen aber noch nicht, da noch Kartellbehörden weiterer Länder zustimmen müssen. „Mit dieser Entscheidung haben wir eine Hürde im Verkaufsprozess genommen“, erklärt eine Konzernsprecherin knapp. „Wir werden den Prozess jetzt planmäßig weiterverfolgen.“ Mehr nicht.
Dass die Bundesregierung trotz der strategischen Bedeutung von RWE Dea offenbar keine stichhaltigen Argumente hat, den Verkauf an Fridman zu untersagen, mag auch in der Biografie dieses Oligarchen liegen. Die liest sich wie die eines Brückenbauers zwischen den heute verfeindeten Ländern: Der 50-Jährige wurde im west-ukrainischen Lwiw (Lemberg) als Sohn jüdischer Eltern geboren und gilt bis heute als großer Mäzen der Kulturszene dieser Stadt. Nach der Schulzeit ging Fridman nach Moskau und startete seine Unternehmerkarriere zu Beginn der Phase der wirtschaftlichen Liberalisierung, der Perestroika: als Disko-Betreiber. Er dealte zudem mit Theaterkarten, vermittelte Immobilien an Ausländer, importierte Zigaretten und Parfum, züchtete Labormäuse. 1989 gründete er mit Mitstreitern die Alfa-Eco Group, eine Handelsfirma, die später als Alfa Group zu einem der größten Industrie- und Beteiligungskonzerne Russlands aufstieg.
Fridman hat ein geschätztes Privatvermögen von 17,4 Milliarden Dollar
Der Milliardär steht mit einem geschätzten Privatvermögen von 17,4 Milliarden Dollar (13,3 Milliarden Euro) aktuell auf Platz 48 auf der „Forbes“-Liste der reichsten Erdenbürger. Maßgeblich für den Aufstieg waren seine Geschäfte im Telekom-Sektor – und im Rohstoffgeschäft. Dass Fridman dort auch Härte zeigen kann, erlebte der britische BP-Konzern. 2008 drängte Fridmans Alfa Group die Briten aus dem Joint-Venture TNK-BP. Es hatte Streit gegeben, und Robert Dudley, der britische Chef dieser Gemeinschaftsfirma, musste damals über Nacht das Land verlassen.
Mit RWE soll es deutlich harmonischer laufen, hört man. Gleichwohl machen Kritiker mobil gegen den Deal. Die Genehmigung sei ein Beweis dafür, „dass die Sanktionen des Westens gegen Russland nichts wert sind“, erklärte etwa der Münchener Vermögensverwalter Marc-Oliver Lux am Freitag. Es handele sich nur um PR-Maßnahmen, die lediglich die Finanzwelt beunruhigten. „Nicht nur, dass der Putin-Freund auf Deutschlands Finanzmärkten mit Regierungsgenehmigung frei schalten und walten darf. Er erhöht auch die deutsche Energie-Abhängigkeit von Russland“, glaubt Lux.
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