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Die Jugendlichen von heute haben den Mauerfall nicht miterlebt - die Folgen aber spüren sie noch heute.
© dpa

Überraschende Studie von Jugendforschern: Generation Einheit spürt noch immer Kluft zwischen Ost und West

Mehr Geld, mehr Jobs: Junge Menschen aus Ostdeutschland schätzen ihre Chancen im Westen weiter höher ein als daheim. Dabei würden sie gerne im Osten bleiben.

Als die Mauer fiel, waren sie noch nicht geboren. Die heute 15- bis 24-Jährigen sind im wiedervereinigten Deutschland aufgewachsen – aber spüren noch immer die wirtschaftliche Kluft zwischen Ost und West. In Ostdeutschland schätzen 42 Prozent der jungen Menschen ihre Zukunftsperspektiven als ungünstig ein, während das im Westen gerade einmal auf 19 Prozent zutrifft. Das zeigt eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) im Auftrag von McDonalds.

Für die Untersuchung haben die Jugendforscher rund 1600 der 15- bis 24-Jährigen befragt. Neben den allgemeinen Sorgen und Ängsten der jungen Generation haben sie dabei erstmals auch untersucht, wie sich die gesellschaftlichen und beruflichen Erfahrungen der jungen Menschen im Osten und Westen unterscheiden. Dass die Diskrepanz so groß ausfällt, hätten die Jugendforscher allerdings selbst nicht erwartet. „Die Unterschiede sind frappierend“, schreiben sie. „Ein solches Urteil aus dem Mund einer jungen Generation gibt zu denken.“

Der Untersuchung zufolge sprechen aus der Sicht der Nachwuchskräfte nahezu alle Faktoren, die die Arbeitswelt betreffen, für Westdeutschland. Fast 70 Prozent glauben zum Beispiel, dort mehr verdienen zu können. 63 Prozent gehen davon aus, dass das Angebot an Arbeitsplätzen im Westen höher ist als im Osten. Und 54 Prozent vermuten die interessanten Unternehmen eher in West- als in Ostdeutschland. Umgekehrt spricht dagegen aus Sicht der Jugendlichen kaum etwas für Ostdeutschland. Lediglich beim bezahlbaren Wohnraum und bei der Kinderbetreuung sieht die junge Generation den Osten derzeit vorne.

Dabei nehmen die Nachwuchskräfte aus Ostdeutschland die Kluft sehr viel stärker wahr als ihre Altersgenossen aus Westdeutschland. Während im Westen nur 44 Prozent glauben, dass sich die Lebensverhältnisse noch unterscheiden, sagt das im Osten mehr als die Hälfte der 15- bis 24-Jährigen.

Ein Drittel verlässt den Osten für den Job

„Ganz offensichtlich ist es Wirtschaft und Politik bisher nicht gelungen, die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland geforderten gleichartigen Lebensverhältnisse in allen Regionen herzustellen“, schreiben die Autoren. So kommt es, dass viele junge Menschen den Osten verlassen. Während in Westdeutschland gerade einmal 19 Prozent für den Job, die Ausbildung oder das Studium in eine andere Region umziehen, trifft das im Osten auf ein Drittel der Nachwuchskräfte zu. Auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung verlassen junge Menschen also den Osten, um im Westen ihr Glück zu suchen.

Dabei zeigt die Studie auch: Sie tun das in der Regel nur, weil sie in ihrer Heimat keine gute Perspektive für sich sehen. Denn viele junge Menschen würden durchaus gerne im Osten bleiben, wenn ihre Zukunftschancen dort ähnlich gut wären wie im Westen. Bundesweit sind die 15- bis 24-Jährigen nämlich tendenziell heimatverbunden. Auch im Osten sagen knapp 60 Prozent, sie würden gerne in ihrer Heimatregion wohnen bleiben, wenn es die äußeren Umstände erlauben würden.

Die Abwanderung hat Folgen für die Wirtschaft

Der Berliner Jugendforscher Klaus Hurrelmann hält das für eine bedenkliche Entwicklung, die sich selbst verstärkt. Denn je mehr junge Menschen Ostdeutschland verlassen, desto mehr büßt die Region an Attraktivität ein. Auf diesen Teufelskreis hat kürzlich auch das Ifo-Institut hingewiesen, das 136 Ökonomen zur Lage in Ost und West befragt hat. Fast 70 Prozent von ihnen glauben demnach, dass sich der Osten auf absehbare Zeit wirtschaftlich nicht annähern wird. Begründet haben sie das eben damit: Weil zu viele junge Menschen abwandern, fehlen den Firmen die Fachkräfte - mit der Folge, dass sich erst gar nicht so viele Unternehmen im Osten Deutschlands ansiedeln.

Und das ist nur eine Folge dieser Entwicklung. Dazu kommt, dass sich das Gefühl, in einer wirtschaftlich schwächeren Gegend zu leben, auch in den politischen Haltungen und in den Ängsten der jungen Generation widerspiegelt. So machen sich die unter 25-Jährigen in Ostdeutschland zum Beispiel überdurchschnittlich Sorgen, dass der Islam in Deutschland an Einfluss gewinnt oder dass Deutschland in einen Krieg hineingezogen werden könnte. Auch fürchten sie eine Zunahme von Gewalt und Kriminalität. In Westdeutschland sind dagegen die Sorgen um den Klimawandel, einen möglichen Wirtschaftsabschwung oder die Zunahme nationalistischer Strömungen stärker ausgeprägt.

Doch auch wenn für junge Menschen in Ost- und Westdeutschland unterschiedliche Themen im Vordergrund stehen: So eint sie doch das Misstrauen gegenüber der Bundesregierung. Bundesweit meinen inzwischen fast 60 Prozent, dass die Politik die Interessen ihrer Generation nicht mehr ausreichend vertritt. Im Vergleich zu der Befragung vor zwei Jahren ist das ein deutlicher Anstieg: Damals lag der Anteil der politisch Unzufriedenen noch bei knapp unter 50 Prozent.

Carla Neuhaus

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