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Schreien oder Glück - das wird die Frage sein für Anleger, die sich an Zalando und Rocket Internet heranwagen.
© dpa

Lohnen sich Aktien von Zalando oder Rocket Internet?: Geldanlage nach dem Prinzip Hoffnung

Wenig Gewinn, wenig Transparenz - damit müssen Anleger leben, die bei den Börsengängen von Zalando und Rocket Internet dabei sein wollen. Vielleicht lohnt sich der Kauf aber trotzdem.

Nach langer Zeit trauen sich nun auch in Deutschland wieder größere Unternehmen aufs Börsenparkett: Nur eine Woche nach dem Online-Modehändler Zalando wird am 9. Oktober Rocket Internet erstmals an der Börse notiert sein. Beide Papiere sind derzeit in der Zeichnungsfrist: Angeboten werden gut 28 Millionen neue Zalando-Aktien mit einer Preisspanne von 18 bis 22,50 Euro (bis 29. September), die Rocket-Papiere werden 35,50 bis 42,50 Euro kosten (bis 7. Oktober). Beide Unternehmen sind „verschwägert“: Rocket ist sozusagen der Brutkasten von Zalando. Die Brüder Marc, Oliver und Alexander Samwer halten 16 Prozent an Zalando und gut 60 Prozent an Rocket. Anleger fragen sich nun: Zeichnen oder nicht? Wird der bekannte Zalando-Werbeslogan „Schrei vor Glück“ auch für (Erst-)Aktionäre gelten? Fachleute sind gespalten.

„Zalando und Rocket bleiben reine Hoffnungswerte“, sagt Jürgen Kurz, Sprecher der deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). In der Tat: Zalando wird beim Börsengang wohl mit mindestens 5,6 Milliarden Euro bewertet, Rocket kommt sogar auf mehr als sechs Milliarden Euro und wäre damit mehr wert als die Dax-Konzerne Lufthansa oder K+S. Beide Berliner Unternehmen locken mit der Hoffnung auf hohe Wachstumsraten im Internetgeschäft.

Mit 1,76 Milliarden Euro setzte Zalando 2013 europaweit 52 Prozent mehr um als ein Jahr zuvor. Viel Luft nach oben sieht der Online-Modehändler auch in der Branche insgesamt: Europas Konsumenten gaben 2013 insgesamt 420 Milliarden Euro für Mode aus. Neun Prozent davon bestellten sie online. Zalando hatte damit einen Marktanteil von nur 0,42 Prozent. Dies sei ausbaufähig, sagt der Internethändler. Immerhin erreichte Zalando kurz vor dem Börsengang die Gewinnschwelle. Unter dem Strich weist der Börsenprospekt einen (noch nicht geprüften) Gewinn von etwa 700 000 Euro aus.

Die DSW will zwar nicht von einer Investition in die Börsen-Frischlinge abraten, mahnt jedoch zur Vorsicht. Die Aktionärsschützer haben deshalb eine kleine Checkliste erarbeitet, mit der Anleger die wichtigsten Punkte eines Börsengangs abklopfen können. Entscheidend sei etwa die Frage, ob das frische Geld dem Unternehmen für künftiges Wachstum zufließe oder ob es in die Taschen von Altaktionären gehe. Gemäß der Börsenprospekte wollen Zalando und Rocket kurzfristig keine Alteigentümer auszahlen.

Allerdings klafft in der Halbjahresbilanz von Rocket ein dickes Minus. Es spiegelt nicht nur wider, dass die großen Beteiligungen der Start-up-Fabrik reihum in den roten Zahlen stecken. Insgesamt summieren sich die Verluste aus den zehn wichtigsten Rocket-Beteiligungen im vergangenen Jahr auf 431 Millionen Euro. Schuld an den roten Zahlen im ersten Halbjahr 2014 ist jedoch vor allem eine „Vorabausschüttung“ an die Gesellschafter in Höhe von 323 Millionen Euro. 2012 und 2013 soll bereits insgesamt mehr als eine halbe Milliarde Euro an die Eigentümer geflossen sein. Hauptgesellschafter ist neben den Samwer-Brüdern die schwedische Beteiligungsgesellschaft Kinnevik, die auch bei Zalando größter Einzelaktionär ist.

Dividenden fließen "in absehbarer Zukunft" nicht

Eine wichtige Entscheidungshilfe für Anleger ist laut DSW-Checkliste vor allem die Transparenz des Unternehmens. Kurz: „Ein Anleger benötigt eine solide Info-Basis, um ein Unternehmen seriös beurteilen zu können.“ Hier unterscheiden sich beide Unternehmen massiv. Zalando hat von der Börse Frankfurt eine Sondergenehmigung bekommen und wird im sehr transparenten „Prime Standard“ notiert, obwohl nur etwa elf (und nicht wie dort notwendig 25) Prozent der Anteile frei handelbar sein werden. Der Einfluss der bisherigen Gesellschafter wird also nicht beschnitten. Zalando erhält auch eine schöne Wertpapierkennnummer (ZAL111) – ähnlich wie Alibaba, die unter dem Kürzel „BABA“ in New York notieren. „Ba“ steht im chinesischen für die Glückszahl acht und bedeutet auch: Geld verdienen.

Rocket Internet geht dagegen in den „Entry Standard“. Das bedeutet: Das Unternehmen muss, anders als Zalando, keine Quartalsberichte vorlegen. Die halbjährlichen Info-Pflichten sind deutlich abgespeckt. Ob Informationen wichtig genug sind, um den Kurs der Aktie zu beeinflussen, liegt im Ermessen des Unternehmens, das deswegen nicht alles veröffentlichen muss – und wenn, nur auf der eigenen Homepage und nicht per Mitteilung an die Börse. Auch das Überschreiten bestimmter Beteiligungsschwellen muss Rocket nicht melden. Anders im Prime Standard, wo Zalando jede möglicherweise kursrelevante Nachricht sofort veröffentlichen („Ad-hoc-Pflicht“) und auch quartalsweise genau über sein Geschäft informieren muss.

Das Analyseunternehmen Getinsight geht davon aus, dass Zalando gute Wachstumschancen hat – und empfiehlt die Aktien zur Zeichnung. Das Unternehmen beweise, dass sich der hohe Werbeaufwand und die kulanten Rücknahmebedingungen gelohnt hätten. Die Zahl der aktiven Kunden wachse, während die Marketingkosten fielen. „Kurzfristig“, sagen die Analysten von Getinsight, sei Zalando empfehlenswert, auch weil die Konsortialbanken unter Erfolgsdruck stünden.

Anlegerschützer Kurz hingegen rät Investoren, sich folgende Frage zu stellen: „Gibt es nicht genug andere Unternehmen, die ebenfalls stark wachsen, aber transparenter sind und gezeigt haben, dass sie Gewinne erwirtschaften können?“ Die Deutschen sähen Aktien aber oft nicht als Firmenbeteiligung, sondern als Spekulationsobjekt. Daher sei es wahrscheinlich, dass beide Börsengänge Anleger reizten, auf hohe Zeichnungsgewinne zu setzen.

Beim Handelshaus Schnigge, das vorbörsliche Kurse für Börsengänge stellt, deutet sich ein solcher Gewinn an: Für Zalando lag die Spanne zuletzt bei 26,80 bis 27,80 Euro, bei Rocket zwischen 46 und 48 Euro. Die Zeichnungsgewinne lägen also bei 13 (Rocket) beziehungsweise 23 Prozent (Zalando). Eines sollten Anleger aber wissen: Rocket und Zalando wiesen darauf hin, dass „in absehbarer Zukunft“ keine Dividenden fließen werden.

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