Dax auf Rekordhoch: Geht die Aktienrallye jetzt immer weiter?
Der deutsch Leitindex steht so hoch wie nie. Hier erklären Experten, wie es dazu kam und ob Anleger mit weiteren Kurssprüngen rechnen können.
Seit Tagen schon haben Anleger darauf gewartet, am Mittwoch war es so weit: Der wichtigste deutsche Aktienindex Dax hat ein neues Rekordhoch erreicht. Zuletzt hatte die Furcht vor einer Ausbreitung des Coronavirus über China hinaus gehenden Seuche Anleger, Fondsmanager und andere Investoren noch vorsichtig agieren lassen.
Am Mittwochmorgen ist diese Angst verflogen: Gleich zum Handelsauftakt steigt der Dax auf 13.601 Punkte, in der in der ersten Stunde geht es dann weiter aufwärts bis auf 13640, rutscht allerdings später wieder deutlich ab. Die Aussichten bleiben nach Ansicht von Experten gleichwohl gut: China und die USA haben sich im Handelsstreit angenähert, die Konjunktur könnte weltweit wieder etwas mehr Fahrt aufnehmen und die Zentralbanken werden die Zinsen weiterhin sehr niedrig halten.
„Heute dürfte es endlich soweit sein“, frohlockt Milan Cutkovic vom Handelshaus AxiTrader schon vor Eröffnung des Handels. Schließlich notiert der Dax, der die Entwicklung der 30 größten und wichtigsten deutschen Aktienkonzerne abbildet, schon im vorbörslichen Geschäft bei 13.615 Zählern. Bis dahin hatte der Rekord bei 13.596,89 Zählern gelegen, die der Dax vor zwei Jahren erreicht hat.
Zentralbanken befeuern den Kurs
Als wichtigsten Grund für die gute Entwicklung nennt Martin Lück, Chef-Anlagestratege des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock in Deutschland, die Zentralbanken. 2018 hätten sie mit Andeutungen auf bevorstehende Zinserhöhungen für die deutliche Talfahrt der Kurse gesorgt, mit dem Schwenk im Frühjahr 2019 für die starke Bergfahrt auch im Dax mit einem Plus von 25 Prozent. „Auch 2020 werden die Notenbanken die Zinsen nicht erhöhen. Damit stehen die Börsenampeln auf grün.“ Auch das Wachstum werde sich stabilisieren und damit die Gewinne der Unternehmen wieder nach vorne bringen, was die Kurse stütze, sagt Lück.
Ein Unsicherheitsfaktor in diesem Jahr sind, so der erfahrene Blackrock-Stratege die Präsidentschaftswahlen in den USA. Er verweist auch auf die Unberechenbarkeit des amtierenden Präsidenten. Auch wenn die Briten zum 31. Januar die Europäische Union verlassen, sei dieses Thema noch nicht durch. Möglicherweise kommt es, sagt Lück, zu einer Verlängerung der Übergangsphase. Dies und weitere geopolitische Unsicherheiten könnten die Stimmung an der Börse und damit auch die Kurse drücken.
Fondsmanager Christoph Ohme von der Deutschen Bank-Tochter DWS ist positiv gestimmt, auch wenn es immer mal wieder Korrekturen geben könne. Geopolitische Risiken müssten aber im Blick bleiben, wie der Konflikt zwischen dem USA und dem Iran. „Langfristig bleiben Aktien jedoch alternativlos.“
Auch Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC sieht die Börsenampeln weiter auf grün. Sollte es bei positiven Nachrichten bleiben, etwa mit guten Zahlen der Unternehmen, die jetzt nach und nach ihre Bilanzen für 2019 vorlegen, könnte sich der Dax, so Stanzl, in absehbarer Zeit in Richtung der Marke von mehr als 15.000 Punkten bewegen. Vor allem, wenn es an der weltgrößten Börse, der Wall Street in New York weiter nach oben geht. Mehr als 14000 Zähler hält auch Robert Halver von der Baader Bank in diesem Jahr für erreichbar.
"Kurzfristige Erwartungen herunterschrauben"
Ähnlich beurteilt Tobias Basse von der NordLB die Lage. Indiz für ihn ist auch die fehlende Euphorie an den Märkten. Andererseits rät er aber auch zur Vorsicht. In den Kursen würden „ziemlich positive Szenarien“ vorweggenommen. „Das erhöht natürlich die Gefahr von Rückschlägen. Investoren müssen daher wohl immer mehr zu Risikomanagern werden.“ Deutlicher wird Christian Kahler von der DZ Bank. Der US-Aktienmarkt sei so teuer wie zu Zeiten der Dotcom- und Internet-Blase. Auch der Dax sei hoch bewertet. „Anleger tun gut daran, ihre kurzfristigen Erwartungen an die Aktienmarkterträge herunterzuschrauben.“
Privatanleger sollten sich aber weniger an Allzeithochs orientieren, rät Ulrich Kater, Chef-Volkswirt der Deka-Bank. „Wesentlich ist vielmehr die Frage, ob Aktien auch langfristig weiterhin Werte schaffen. Das wird der Fall sein.“ Aber dazu gehörten immer wieder neue Allzeithochs, aber auch immer mal wieder Korrekturen und Rückschläge. „Wesentlich ist nach wie vor die Langfristigkeit der Anlage.“
Der Dax hat aber aus einem anderen Grund noch Potential. Es ist ein sogenannter Performance-Index: In seine Berechnung fließen auch die ausgeschütteten Dividenden ein. Schaut man allein auf den Dax-Kursindex ohne Dividenden ist von einem Rekord lange nichts zu sehen. Aktuell steht er bei rund 6050 Punkten und damit rund 350 Zähler unter dem Höchststand von Anfang November 2017.
Das Ausland profitiert vom Dax-Hoch
Darauf weist auch das Deutsche Aktieninstitut (DAI) hin. „Ein breit gestreute langfristige Aktienanlage zahlt sich immer aus und eignet sich deshalb hervorragend für die Altersvorsorge“, betont Geschäftsführerin Christine Bortenlänger. Eine Angestellte, die seit 1977 jeden Monat rund 50 DM und dann 25 Euro in einen Aktiensparplan investiert hat, habe durchschnittlich eine Rendite von 8,3 Prozent pro Jahr erzielt. Aus den eingesetzten 12.600 Euro seien bis Ende 2019 rund 103.000 Euro geworden – trotz Rückschlägen durch die Finanzkrise 2008. Damals rutschte der Dax auf 4800 Punkte ab.
Trotzdem bleiben die Deutschen bei Aktien zurückhaltend. Nur gut zehn Millionen Bundesbürger über 14 Jahre und damit 16,2 Prozent besitzen Aktien oder Aktienfonds. Nur rund 4,5 Millionen oder sieben Prozent verfügen direkt über Aktien. Nach wie vor setzt die große Mehrheit auf schlecht oder über gar nicht verzinste Sparkonten, wie gerade wieder die Bundesbank festgestellt hat. Zusammen mit Bargeld waren es Ende September vergangenen Jahres rund 2,5 Billionen Euro. Das Aktien-Volumen belief sich dagegen nur auf 667 Milliarden.
Vom Dax-Rekord haben profitieren ohnehin nur sehr wenige deutsche Anleger. Lediglich ein Drittel der Aktien der 30 Dax-Konzerne liegen in ihren Depots. Rund 55 Prozent halten Aktionäre, Investoren und Fonds aus dem Ausland.
Rolf Obertreis
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