Griechenland und die Milliardenhilfe: Gefährliches Spiel mit der Zeit
Alexis Tsipras und der Rest der griechischen Regierung haben sich durchgerungen: Athen will um weitere finanzielle Hilfe bitten. Das Wann ist dabei jedoch ebenso unklar wie die Bereitschaft, Auflagen zu erfüllen.
Heute ist ein dehnbarer Begriff. In griechischen Regierungskreisen umfasst er etwa 48 Stunden, also auch das Morgen. „Wir werden heute den Brief schicken“, sagte Regierungssprecher Gavriil Sakellarides am frühen Mittwoch im griechischen Fernsehen. Ebenfalls im Fernsehen äußerte sich kurz darauf der Chef der kleinen Oppositionspartei „To Potami“, Stavros Theodorakis. „Der Antrag wird morgen gestellt.“ Theodorakis muss es eigentlich mindestens genauso gut wissen wie Sakellarides. Schließlich kommt er gerade aus einem Gespräch mit dem linken Regierungschef Alexis Tsipras.
Heute, morgen, übermorgen – gegen die Aussagen über den Inhalt des Briefes aus Athen an Brüssel wirken die Zeitangaben beinahe präzise wie ein Schweizer Uhrwerk. So blieb am Mittwoch völlig offen, ob die neue griechische Regierung nun bereit ist, die von ihren Vorgängern zugesagten Auflagen und Reformen gegenüber den internationalen Geldgebern zu erfüllen. Neben der EU-Kommission sind das die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF), kurz: Troika genannt.
EU-Kommission: Die Richtung ist nicht positiv
Die neue Regierungskoalition aus der linken Syriza und ihrem national-konservativen Partner wehrt sich gegen eine Zusammenarbeit mit den drei Institutionen und hat die Rücknahme von Sparmaßnahmen eingeleitet. Die Euro-Länder haben Athen eine Frist bis Ende der Woche gesetzt, um zu einem Kompromiss zu kommen. Laut dem französischen Finanzminister Michel Sapin führt an einer Verlängerung des Ende Februar auslaufenden aktuellen Kreditprogramms für das klamme Land kein Weg vorbei.
Ohne ein Einlenken der Griechen sind die Euro-Partner nicht zu Zugeständnissen an Athen bereit. In griechischen Regierungskreisen hieß es, das Sparprogramm gelte nicht. Was das genau bedeute, wollten Quellen in Athen allerdings nicht erläutern. Inzwischen wird jedoch die Zeit knapp: Ende Februar läuft das aktuelle Hilfsprogramm der Europäer aus. Die EU-Kommission äußerte sich beunruhigt über die Lage Griechenlands. „Wir sehen, dass die finanzielle und wirtschaftliche Situation nicht besser wird, im Gegenteil, wir sehen besorgniserregende Tendenzen“, sagte der für den Euro zuständige EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis in Brüssel. Die Richtung sei „nicht positiv“.
Schäuble: "Am 28., 24 Uhr, isch over"
Auch in Berlin liegen keine Informationen über die Pläne Griechenlands für eine mögliche Verlängerung der Finanzhilfen vor. Die Ankündigung Athens für einen Antrag auf Verlängerung sei zur Kenntnis genommen worden, sagte der Sprecher des Finanzministeriums, Martin Jäger. „Wir wissen nicht, wie der Antrag auf Verlängerung seitens der griechischen Regierung aussieht, wenn er denn gestellt wird.“ Einer möglichen Verlängerung müsste auch der Bundestag bis Monatsende noch zustimmen. Eine bloße Verlängerung als Brückenfinanzierung, um Zeit zu gewinnen, sei nicht akzeptabel, stellte Jäger nochmals klar.
Bereits am Vorabend hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble in wenigen Worten deutlich gemacht, was passiert, wenn die griechische Regierung sich nicht bewege. „Am 28., 24 Uhr, isch over“, sagte der CDU-Politiker in einem Interview. Für die neue Athener Regierung muss Schäuble immer wieder als Buhmann herhalten. Dabei machen alle Euro-Partner geschlossen Front und pochen auf klare Zusagen Athens. Vor allem kleinere und Länder, die aus der Krise kommen, machen Druck.
Griechen ziehen ihr Geld von Konten ab
Ebenfalls am Mittwoch beriet die EZB in Frankfurt am Main über die bisher genehmigten Notfallkredite von 65 Milliarden Euro für die griechische Kreditwirtschaft. Wie am Abend aus EZB-Kreisen verlautete, wurde der Rahmen für die sogenannten ELAs leicht auf 68,3 Milliarden Euro angehoben. Erst vergangene Woche hatte die Zentralbank nach Angaben aus griechischen Notenbankkreisen den Rahmen für diese Notkredite von 60 auf 65 Milliarden Euro erhöht, um die griechischen Kreditinstitute finanziell über Wasser zu halten. Die Nothilfe ist für die Banken aus zwei Gründen wichtig: Einmal dürfen sie keine Staatsanleihen des Landes mehr als Sicherheiten für Geld der EZB hinterlegen. Der reguläre Weg zu frischem EZB-Geld ist für sie damit versperrt.
Außerdem geraten die Banken zunehmend unter Druck, da griechische Sparer angesichts der Unsicherheiten viel Geld von ihren Konten abziehen. Allein am Donnerstag und Freitag vergangener Woche sollen es insgesamt 500 Millionen Euro gewesen sein. (mit dpa, AFP)