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Der Ölpreis fällt und fällt.
© dpa

Inflation und Deflation: Gefährlicher Preissrutsch

Erstmals seit der großen Krisen 2009 sinken die Preise im Euroraum. Hauptursache ist der fallende Ölpreis. Die Angst vor einer Deflation wird größer.

Als zum letzten Mal die Preise fielen, steckte der Euroraum in großen Schwierigkeiten. Damals, im Herbst 2009, ließ die Finanzkrise die Inflationsrate auf minus 0,3 Prozent stürzen, und die deutsche Wirtschaft schrumpfte um fünf Prozent. Ganz so schlimm ist es jetzt nicht. Noch nicht. Um durchschnittlich 0,2 Prozent fielen im vergangenen Dezember die Preise. Das ist gut für die Verbraucher und womöglich schlecht für die Wirtschaft insgesamt. Jedenfalls liefert der Preisrückgang allen Pessimisten, die Europa in eine Deflation rutschen sehen, neue Argumente. Tatsächlich wird eine Spirale aus sinkenden Preisen und schrumpfender Wirtschaft auch deshalb immer wahrscheinlicher, weil die Politik des billigen Geldes der Europäischen Zentralbank (EZB) kaum wirkt und sich vor allem private und öffentliche Investoren mit Ausgaben zurückhalten. „Die Investitionsschwäche zu überwinden, muss für Europa in diesem Jahr Ziel Nummer eins sein“, forderte am Mittwoch Gustav Horn, Chef des gewerkschaftseigenen Forschungsinstituts IMK. „Allein kann die Zentralbank keine Deflation verhindern und den wirtschaftlichen Trend zum Positiven drehen.“

Autofahrer sparen 60 Euro im Monat

Zu diesem Trend könnte einerseits der Ölpreis beitragen, der andererseits ursächlich ist für die negative Inflationsrate. Im Euroraum insgesamt war der Kraftstoff im vergangenen Dezember 6,6 Prozent billiger als im Dezember 2013. Nach Angaben des Preisportals clever-tanken spart ein durchschnittlicher Autofahrer hierzulande inzwischen rund 60 Euro im Monat an der Tankstelle. Eine Ende des für die Verbraucher erfreulichen Trends nach unten ist nicht in Sicht, vielmehr fiel am Mittwoch der Barrelpreis für die Nordseesorte Brent erstmals seit Mai 2009 wieder unter die Marke von 50 Dollar. Die Stimmung an den Ölmärkten wird immer schlechter, weil dem unverändert hohen Angebot wegen der schwachen Weltwirtschaft eine nur mäßige Nachfrage gegenüber steht. Im Euroraum jedenfalls drückte der Preisverfall die Inflationsrate im Dezember ins Minus. Stagnierende Preise für Nahrungsmittel und um 1,2 Prozent teurere Dienstleistungen konnten den Öl-Effekt nicht ausgleichen, sodass insgesamt die Inflationsrate bei minus 0,2 Prozent landete. Die EZB hat als Grundlage ihrer Geldpolitik eine Zielinflationsrate von zwei Prozent. In der Bundesrepublik stiegen die Preise 2014 um 0,9 Prozent, im Dezember hatte es nur noch ein leichtes Plus um 0,1 Prozent gegeben.

Der Euroraum ist schwächer als vor der Krise

Die Angst vor einer Inflation wird zum einen den Druck auf die Politik erhöhen, mit Konjunkturprogrammen die Wachstumsschwäche vor allem in Südeuropa zu überwinden. Zum anderen wird wahrscheinlicher, dass die EZB bei ihrer nächsten Sitzung am 22. Januar den Kauf von Staatsanleihen ankündigt. Mit diesem Mittel hatte die Zentralbank auch schon vor gut fünf Jahren während der Finanzkrise gearbeitet, um die Krise im Griff zu behalten. Zinspolitisch kann die EZB heute kaum noch etwas machen, der Leitzins ist seit September auf einem historischen Tiefstand von 0,05 Prozent.
„Die Krise des Euroraums ist keineswegs überwunden“, meinen denn auch die Wissenschaftler vom Institut für Maktroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung. Die meisten Euroländer – nach dem Beitritt Litauens zum 1. Januar sind das inzwischen 19 – hätten noch immer nicht das Produktions- und Beschäftigungsniveau vor der Krise 2008/09 erreicht. „Der Euroraum insgesamt wird auch 2015 ärmer sein als 2008“, schreibt das Institut zu den Erwartungen 2015, die IMK-Chef Horn am Mittwoch in Berlin vorstellte. Für die Bundesrepublik prognostiziert er 1,6 Prozent Wachstum und für den Euroraum 1,4 Prozent. Bei dieser „schleppenden Entwicklung“ sei die Gefahr einer Deflation „real“. Das belege auch das Vorgehen der EZB, die in den vergangenen zwei Jahren ihre Inflationsprognose sechs Mal gesenkt habe.

Empfohlen wird ein öffentliches Investitionsprogramm

Als Rezept gegen die Deflation empfiehlt Horn ein öffentlich finanziertes Investitionsprogramm. Wenn diese staatlichen Investitionen im Euroraum zwischen 2015 und 2017 um ein Prozent des Bruttinlandsprodukts – was insgesamt 300 Milliarden Euro entspreche – erhöht würden, so brächte das einen Wachstumseffekt um 1,6 Prozent für die genannten drei Jahre. Dagegen sei das Programm von EU-Kommissionspräsident Jean- Claude Juncker wirkungslos. Es sei sehr unwahrscheinlich, „dass der Juncker- Plan mit dem überschaubaren Impuls von 21 Milliarden Euro, die zum Teil lediglich umgeschichtete Mittel sind, Investitionen von insgesamt 315 Milliarden Euro anstoßen kann“, meint das IMK. In dieser Größenordnung liegen die Hoffnungen der EU- Kommission. Horn zufolge ist die Überwindung der Investitionsschwäche für die Zukunft von EU und Euroraum „weitaus bedeutsamer als etwa die Entwicklung in Griechenland.“ Selbst im wirtschaftlich noch ziemlich gesunden Deutschland ist die Investitionsschwäche trotz billigen Geldes gravierend. So sank der Anteil der privatwirtschaftlichen Anlageinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt zwischen 2000 und 2013 von 23 auf 20 Prozent. Und die öffentlichen Investitionen schrumpfen seit Jahren vor allem wegen der Schuldenbremse. .

Alfons Frese

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