Konjunktur in der Euro-Zone: Mario Draghis große Offensive
Der EZB-Chef stellt den Kauf von Euro-Staatsanleihen durch die Notenbank in Aussicht. Die bisherigen Maßnahmen sind verpufft. Bundesbankpräsident Jens Weidmann steht dem Vorgehen kritisch gegenüber.
Zum Disput kam es dann doch nicht. Während sich Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), auf dem Europäischen Bankenkongress am Freitag in Frankfurt am Main vor rund 400 Bankern mit möglichen weiteren Sondermaßnahmen zur Bekämpfung der Krise befasste, sprach Jens Weidmann, Präsident der Bundesbank, nur über die Bankenregulierung. So ließ der Deutsche zumindest an diesem Tag offen, was er vom wahrscheinlichen Kauf von Euro-Staatsanleihen durch die EZB hält, den Draghi sehr deutlich ankündigte. Weidmanns kritische Haltung dazu ist bekannt – streiten werden sich die beiden Notenbanker daher das nächste Mal wohl auf der Sitzung des EZB-Rates Anfang Dezember.
Draghi ließ am Freitag keinen Zweifel daran, dass die Notenbank ohne Verzögerung weitere Schritte einleiten werde, sollte die Inflationsrate weiter sehr niedrig bleiben und die Konjunktur in der Euro-Zone nicht anziehen. „Wir werden das tun, was wir tun müssen, um die Inflation und die Inflationserwartungen so schnell wie möglich zu erhöhen, wie unser Mandat zur Gewährleistung für Preisstabilität verlangt.“ Preisstabilität sieht die EZB dann gewahrt, wenn die Inflationsrate bei knapp unter zwei Prozent liegt. Zuletzt lag sie bei nur 0,4 Prozent. Die für die EZB dabei wichtigen Erwartungen für die Inflation auf mittlere Sicht seien zuletzt auf ein außerordentlich niedriges Niveau gesunken, sagt der EZB-Präsident. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Notenbank im nächsten Jahr im großen Stil Euro-Staatsanleihen kauft.
Pfandbriefe und Kreditverbriefungen
Sollte sich die gegenwärtige Geldpolitik als nicht wirksam erweisen, sich die Kreditvergabe der Banken nicht wieder verbessern und sollten neue Risiken für die Teuerung auftreten, „würden wir den Druck erhöhen und die Kanäle, über die wir wieder intervenieren, verbreitern, indem wir die Größe, das Tempo und die Zusammensetzung unserer Käufe verändern“, sagte Draghi auf dem Kongress. Derzeit kauft die EZB Pfandbriefe und Kreditverbriefungen. Dies soll die Banken entlasten und ihnen mehr Raum verschaffen für die Vergabe von neuen Krediten.
Draghi zufolge gibt es zwar Anzeichen, dass die Kreditvergabe allmählich wieder anzieht. Die Wirtschaftslage in der Euro-Zone bleibe zwar schwierig, das Wachstum schwach. Allerdings seien die Banken ein gutes Stück vorangekommen, das Vertrauen in die Institute wachse wieder. Dies versetze sie in eine bessere Lage, um damit zu beginnen, wieder mehr Kredite zu vergeben.
Während Commerzbank-Chef Martin Blessing die EZB ausdrücklich lobte und sagte, ihre Maßnahmen hätten die Lage stabilisiert, vermieden es sowohl Weidmann als auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf die Rede von Draghi einzugehen und damit ihre höchst unterschiedliche Sichtweise deutlich zu machen. So sagte Schäuble: „Ich finde, wir haben zu viele Diskussionen zwischen Notenbankern, öffentlich.“
Weidmann: Hedgefonds stärker überwachen
Weidmann wies dagegen Klagen aus dem Bankenlager zurück, dass die Regulierung der Institute mittlerweile überzogen sei – ebenso wie die Meinung der breiten Öffentlichkeit, dass seit der Finanzkrise zu wenig passiert sei. „Beides ist falsch. Die Regulierung ist signifikant schärfer geworden, aber von Überregulierung kann keine Rede sein.“ So seien die gerade von der G20 beschlossenen schärferen Kapitalvorschriften für die global größten Banken ein richtiger Schritt.
Weidmann forderte zugleich, auch Schattenbanken wie etwa Hedgefonds stärker zu überwachen. Sie kontrollierten mittlerweile ein Finanzvolumen von 75 Billionen Dollar. Sollte es bei Schattenbanken zu Problemen kommen, kann dies nach Ansicht von Weidmann zu einem Systemrisiko für den gesamten Finanzsektor werden.
Derweil hat Schäuble seine Forderung nach einer Überarbeitung der EU-Verträge bekräftigt. „Wir brauchen dringend Vertragsänderungen, zumindest für die Euro-Zone“, sagte er. „Ich will nicht nochmal fünf Jahre oder zehn Jahre den Euro verteidigen.“ Beim Aufbau der Bankenunion sei die Europäische Zentralbank (EZB) nur deshalb mit der Aufsichtsfunktion über die Institute beauftragt worden, weil sich dies ohne Änderung der EU-Verträge habe durchführen lassen. Dabei habe die Politik bewusst die dadurch entstehenden Probleme – den potenziellen Konflikt zwischen Aufsicht und Geldpolitik – beiseite gelassen. „Das ist eine Übergangslösung.“ (mit rtr)