Autoindustrie: Für Zulieferer wird es eng
Studie von Roland Berger über den Wandel in der Branche: Die aktuelle Absatzschwäche erschwert Investitionen in neue Technologien.
In zwei Wochen beginnt in Frankfurt am Main mit großem Tamtam die IAA. Wenn Ende September die Leistungsschau der PS-Branche vorbei ist, dürften so langsam die Einschläge kommen, die Arbeitnehmervertreter befürchten: Stellenabbau, Werksschließungen und Verlagerungen vor allem von Autozulieferern, die dem Druck nicht standhalten: Die Hersteller pressen die Lieferanten aus, weil der Absatz schwächelt. Gleichzeitig sind Investitionen erforderlich, um beim künftigen elektrischen und autonomen Fahren mithalten zu können. In dieser Situation haben die Berater von Roland Berger eine Empfehlung parat: „Nehmen Sie den Wandel in der Branche ernst. Sie sollten jetzt handeln.“
Absatz sinkt um fünf Prozent
Der wohlfeile Ratschlag fasst die Ergebnisse einer Studie zusammen, in der Berger und die US-Investmentbank Lazard der Frage nachgehen, „wie Autozulieferer den Wandel der Branche meistern können“. Nach Einschätzung der Berater haben die guten Jahre zwischen 2010 und 2017 viele Unternehmen träge werden lassen. Und jetzt geht es abwärts. Der Rückgang in China sowie die Stagnation in Nordamerika und Europa habe den Weltautomarkt im ersten Halbjahr um fünf Prozent schrumpfen lassen. Der Umsatz zieht nach Einschätzung der Studienautoren auch die Rendite runter: Nach einer durchschnittlichen weltweiten Bruttomarge von 7,2 Prozent würden die Lieferanten in diesem Jahr nur noch knapp über sechs Prozent verdienen. „Damit liegt der Wert erstmals seit 2012 wieder unter sieben Prozent.“
Kreditklemme droht
Immerhin noch sechs Prozent, könnte man meinen. Doch damit näherten sich die Firmen einer Grenze, „bei der sowohl die Eigenfinanzierung als auch die Refinanzierung am Kapitalmarkt schwieriger wird“. Das deckt sich mit Beobachtungen der IG Metall, die eine zunehmende Zurückhaltung von Banken und Sparkassen bei der Finanzierung von Vorhaben in der Autoindustrie registriert hat. Und zwar nicht allein wegen der aktuellen konjunkturellen Schwäche. Es ist auch unsicher, welche Geschäftsmodelle sich im kommenden Jahrzehnt als tragfähig erweisen. Ziemlich sicher ist dagegen der Rückgang der Umsätze mit alten Verbrenner-Technologien bis 2030 um ein Drittel.
Unsichere Zukunft
„Im Moment ist völlig offen, welche Technologien sich in 15 Jahren durchsetzen“, schreiben die Berger-Berater. Die Autohersteller erhöhten aber den Druck auf ihre Lieferanten und verlangten weitere Kostensenkungen. Die IG Metall befürchtet ferner Verteilungskonflikte zwischen Herstellern und Lieferanten. „Die Kollegen im Mercedes-Motorenwerk Untertürkheim werden darum streiten, dass künftig alle Teile des elektrischen Antriebsstrangs dort gebaut werden“, sagte kürzlich der baden-württembergische IG-Metall-Chef Roman Zitzelsberger dem Tagesspiegel. „Das sichert dann Arbeitsplätze bei Daimler, die aber gleichzeitig beim Lieferanten nicht entstehen.“
Wertschöpfung verschiebt sich
Die Wertschöpfungsketten verschieben sich, und das treffe vor allem die Zulieferer in der zweiten oder dritten Reihe. Ein Szenario für veränderte Wertschöpfungsketten könnte nach Einschätzung von Roland Berger so aussehen: Der Kunde kauft nicht mehr ein Fahrzeug, sondern eine bestimmte Form der Mobilität. Der bisherige Fahrzeughersteller wird dann „zum ersten Zulieferer – möglicherweise eines Technologieunternehmens – und die jetzigen Lieferanten rutschen eine Stufe nach unten. Das setzt die Margen der heutigen Automobilhersteller und -zulieferer weiter unter Druck“, schreiben Berger/Lazard.
Berater raten zu Beratern
Um kommende Jahre zu überleben, empfehlen die Berater den Industriefirmen sich selbst. So habe Roland Berger bei „einem führenden deutschen Automobilzulieferer“ ein „Turnaround-Programm“ entwickelt und dabei „mehr als 2000 Maßnahmen mit einem absoluten Ergebniseffekt von +4 Prozentpunkten in drei Jahren erarbeitet“. Nur mit „Ergebnissteigerungsprogrammen“ könnten die Zulieferer dem Margendruck bis 2025 begegnen, glauben die Berater. Je größer das Produktportfolio, desto größer auch die Überlebenswahrscheinlichkeit.
Bislang kaum Kurzarbeit
Ein breites Portfolio hat die fränkische Schaeffler-Gruppe, die jetzt aufgrund der Auftragsflaute weniger arbeiten lässt. „Ziel der gesamten Maßnahmen ist es betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden“, sagte eine Firmensprecherin. Die Arbeitszeiten werden teilweise reduziert und in Erlangen wird Kurzarbeit eingeführt. „Wir sehen an dem Frühindikator Kurzarbeit zurzeit nicht, dass es ganz schwer wird“, gab sich die Bundesagentur für Arbeit am Donnerstag gelassen. Auf jeden Fall sind auch Investitionen in die Belegschaft erforderlich. Die erforderlichen Mitarbeiter-Qualifikationen bei Herstellern wie Lieferanten „ändern sich dramatisch“, schreibt Roland Berger.
Alfons Frese
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