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Nach der Entscheidung für den Brexit stellen sich Banken und Finanzdienstleister darauf ein, aus Londons Finanzzentrum wegzuziehen.
© Leon Neal/AFP

Bankensektor nach dem Brexit: Frankfurt könnte vom Brexit profitieren

Der Austritt aus der EU wird vor allem vielen Banken Schwierigkeiten bereiten. Experten rechnen damit, dass viele Geldhäuser von London nach Frankfurt umziehen.

Umzugskisten werden zwar noch nicht gepackt. Aber es könnte durchaus bald soweit sein. Britische Banken und Finanzdienstleister, die ihr Geschäft in der EU bislang allein von London aus betrieben haben und Institute aus den USA oder Asien haben womöglich schon bald möglicherweise ein Problem. Für Geschäfte in der EU brauchen sie den EU-Pass. Der fehlt ihnen, wenn Großbritannien endgültig aus der Union ausgetreten ist. Für deutsche Institute ist das kein Problem. Aber zu Verlagerungen dürfte es auch bei ihnen kommen. Pläne liegen jedenfalls schon längst in den Schubladen. „Sicherlich sind wir als Bank mit Sitz in Deutschland und einem starken Geschäft in Großbritannien gut darauf vorbereitet, die Folgen des Austritts zu mildern“, sagte Deutsche-Bank-Chef John Cryan am Freitag. Ob Vorbereitung auch gleich Umzug heißt, ließ er offen. Vor allem der Handel mit Euro- und mit Währungsanleihen könnte getroffen werden. Rund 9000 Menschen arbeiten in London für die Deutsche Bank. Auch die Commerzbank muss sich Gedanken machen. Allerdings hat sie ihren Ableger in der britischen Hauptstadt bereits verschlankt. Rund 1000 Bankerinnen und Banker sind dort noch für die zweitgrößte deutsche Bank tätig.

Frankfurt rechnet mit Zuzug von Banken

Was letztlich passiert, hängt von den Verhandlungen zwischen Brüssel und London über die Bedingungen des Austritts ab. Ganz verzichten auf eine Präsenz in London wird wohl kein Institut. Trotz des Brexit bleibt die britische Hauptstadt der größte Finanzplatz in Europa. Aber er wird verlieren, da sind sich Beobachter sicher. In Frankfurt ist man auf einen Banken-Zuzug aus London vorbereitet. „Der Finanzplatz ist gerüstet“, sagt Oliver Wagner, Geschäftsführer des Verbandes der Auslandsbanken. Fast 70 Prozent der Banken und Finanzdienstleister in Frankfurt, so eine Umfrage des Center for Financial Studies der Frankfurter Goethe-Universität, glauben, dass „Frankfurt großer Profiteur“ eines Brexit wäre. Der Vorzug gegenüber Paris, Luxemburg, Dublin oder Amsterdam: Frankfurt ist Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB), die Stadt beherbergt die Bankenaufsicht SSM. Und die Europäische Banken-Behörde EBA erwägt jetzt den Umzug von der Themse an den Main.

Der Banksektor in London beschäftigt 700000 Menschen

20 000 Banker könnten nach Frankfurt kommen, sagen Beobachter. Andere warnen vor überzogenen Erwartungen und sprechen von der Hälfte. So oder so wäre es für das deutsche Finanzzentrum ein gewaltiger Schub. Etwa 60 000 Menschen arbeiten am Main in der Finanzbranche, es wäre also ein Zuwachs von bis zu 30 Prozent. Zum Vergleich: In London beschäftigen Banken und Finanzdienstleister etwa 700 000 Menschen. US-Investmentbanken wie Goldman Sachs haben ihren europäischen Fokus derzeit an der Themse. Goldman beschäftigt dort rund 6500 Banker, am Main aber nur rund 200. Ähnlich ist das Verhältnis bei Morgan Stanley.

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