Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit: Fortschritt auf dem Prüfstand
Ob Immuntherapie gegen Krebs oder 3-Drucker für lebende Zellen: Beim Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit stehen Innovationen im Zentrum.
Wer um 1800 auf dem Staatsgebiet des heutigen Deutschland geboren wurde, hatte gerade mal eine Lebenserwartung von 35 Jahren. Im 19. Jahrhundert starben die Menschen hierzulande vor allem an Infektionskrankheiten wie Tuberkulose oder Lungenentzündung, Mütter an Kindbettfieber. In den folgenden 200 Jahren entdeckte die Menschheit das Antibiotikum Penicillin, entwickelte diverse Impfstoffe und erfand ein Verfahren zur Pasteurisierung von Milch sowie Systeme zur Trinkwasseraufbereitung und Abwasserbeseitigung. Heute dauert ein menschliches Leben dank des technischen und medizinischen Fortschrittes ein Vielfaches länger: Laut Prognose können heute Geborene 79 Jahre oder älter werden. Die demografische Entwicklung sei einerseits die Grundlage, andererseits die große Herausforderung für das Gesundheitswesen, sagte Professor Bertram Häussler vom Gesundheitsforschungsinstitut Iges bei der Eröffnung des diesjährigen Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit am Mittwoch im Citycube am Funkturm. Schließlich würden die Menschen nicht nur immer älter, sondern litten zugleich in immer größerem Maße an chronischen Erkrankungen oder „Zivilisationskrankheiten“ wie Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Übergewicht.
Der Kongress richtet sich an alle Berufsgruppen der Branche
Mit welchen Mitteln sie zu bezwingen sind oder auf welche Art und Weise Patienten zumindest ein Stück Lebensqualität zurückgewinnen können, darüber diskutieren Ärzte, Apotheker, Pfleger, Klinikmanager, Unternehmer, Start-ups und Politiker aus Deutschland und aller Welt noch bis Freitag bei dem Kongress im Citycube. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), der das Branchentreffen in den vorangegangen Jahren eröffnet hatte, ließ sich am Mittwoch indes von seiner Parlamentarischen Staatssekretärin entschuldigen: Er nimmt gerade im Auftrag der Bundesregierung an einer Tagung der Vereinten Nationen zu Bekämpfung von Aids teil.
Leitthema sind Innovationen
Der Hauptstadtkongress steht in diesem Jahr unter dem Leitthema Innovationen: So wird es bei den Vorträgen und Workshops auf dem Messegelände in diesem Jahr unter anderem um die Bedeutung der Digitalisierung für die ärztliche Praxis, das Potenzial von Big Data für Forschung und Medizin sowie aktuelle Entwicklungen in der Krebsforschung und auf einen bestimmten Patienten zugeschnittene Arzneimittel und Therapieformen gehen. Am Mittwoch diskutierten die Kongressteilnehmer unter anderem über neue Ansätze in der regenerativen Medizin. So stellten Wissenschaftler des renommierten Wake Forest Institute for Regenerative Medicine (South Carolina, USA) verschiedene Forschungsprojekte vor. Dazu gehört ein innovativer 3-D-Drucker, der lebende Zellen konstruiert, die Patienten schon bald als Ersatz für verletztes oder erkranktes Gewebe implantiert werden könnten.
US-Forscher haben einen 3-D-Drucker für lebende Zellen entwickelt
Zudem ist es den Wissenschaftlern gelungen, Muskelgewebe zu züchten, das etwa bei der Gesichtsrekonstruktion oder Zelltherapien für Nierenerkrankungen oder Inkontinenz eingesetzt werden kann. Krebserkrankungen können mittlerweile in 50 Prozent aller Fälle geheilt werden – vor 30 Jahren war es gerade einmal ein knappes Drittel. Am Donnerstag diskutieren Mediziner und Forscher auf dem Hauptstadtkongress darüber, ob Präzisionsmedizin und innovative Immuntherapien den endgültigen Durchbruch im Kampf gegen Krebs bringen könnten. Bei der Immuntherapie werden körpereigene Abwehrkräfte aktiviert, um Tumoren und Metastasen zu zerstören. Zudem setzen Onkologen auch immer mehr auf präzise, personalisierte Behandlung ihrer Patienten, die individuelle genetische Merkmale des Einzelnen berücksichtigt.