zum Hauptinhalt
Am Donnerstag startete der Flixtrain von Berlin nach Stuttgart. Zuvor fuhr Locomore die Strecke – und ging pleite.
© imago/Reiner Zensen

Flixtrain: Flixbus attackiert Deutsche Bahn auf der Schiene

Vor 24 Jahren beschloss der Bund die Liberalisierung des Bahnmarkts. Im Fernverkehr fuhr trotzdem fast nur die DB. Warum? Ändert der Flixtrain das?

Am Gleis 6 des Berliner Ostbahnhofs prosten sich Schaulustige mit Sektgläsern und Bier zu: Unternehmer, Politiker und Journalisten sind gekommen. Dann rollt er ein, der Flixtrain. Passend zu den Bussen des Unternehmens Flixbus sind auch die Zugwaggons außen grün gestrichen. Schnell positioniert sich Staatssekretär Enak Ferlemann aus dem Bundesverkehrsministerium neben Flixtrain-Chef Fabian Stenger. Stenger lächelt ein breites Lächeln wie auf Kommando. Foto. „Je mehr Angebot die Menschen haben, desto mehr fahren auf der Schiene“, sagt Ferlemann. „Viele Fahrgäste“, wünscht er dem Flixtrain. Der Staatssekretär würde mehr Konkurrenz begrüßen. Das könnte günstigere Fahrpreise für Passagiere bedeuten.

Ab 9,99 Euro geht es von Berlin nach Stuttgart. Im Preis schlägt Flixtrain die Deutsche Bahn. In der Hochsaison könnten die Preise auf derselben Strecke bis knapp unter 100 Euro steigen, räumt der neue Anbieter ein. Die Deutsche Bahn verlangt in der 2. Klasse mindestens knapp 20 Euro, maximal fast 155 Euro für eine Fahrt von Berlin nach Stuttgart.

1993 beschloss der Bundestag die Bahnreform

Mehr Konkurrenz auf der Schiene – das ist schon seit 1993 der Plan der Politik. Bis dahin war der Bahnverkehr fest in Staatshand. Dann setzte die Regierung die Bahnreform um. Von einer „Jahrhundertentscheidung“, sprachen Bundespolitiker damals in Bonn. SPD, Union und FDP waren sich einig: Die Bahn muss reformiert werden. Die ungewohnte Einigkeit lag nicht zuletzt daran, dass die Bundesbahn kaum noch finanzierbar war. Neben schon bestehenden Milliardenschulden musste sie in jenen Jahren auch die marode DDR-Reichsbahn in ihren Betrieb integrieren.

Das Ziel der Reform lautete: Die Bahn wieder finanzierbar machen, Wettbewerb stärken, Fahrpreise senken. Normalerweise setzen Wettbewerbsbehörden auf möglichst viele Unternehmen in Konkurrenz zueinander. Doch ein zweites Bahnnetz wollte natürlich niemand bauen: Übergänge zwischen Wettbewerbern würden unmöglich, das Netz wäre nicht ausgelastet. Statt niedrigeren gäbe es am Ende sogar höhere Preise. Daher entschied der Bundestag damals: langfristig sollen Schienennetz und Zugbetrieb getrennt werden.

Im Nahverkehr und im Güterverkehr gibt es Wettbewerb

Das Schienennetz der ehemaligen Bundesbahn wird daher seit 1999 von der DB Netz AG betrieben. Damit diese bei der Trassennutzung Züge der Deutschen Bahn AG nicht bevorzugt, soll die Bundesnetzagentur für einen diskriminierungsfreien Zugang sorgen. Möchte ein fremdes Unternehmen eine Trasse der Deutschen Bahn befahren und bekommt keine Zusage des Netzbetreibers, kann es sich bei der Netzagentur beschweren.

Das Ergebnis des Wettbewerbs auf der Schiene: Der Güterverkehr wird mittlerweile zu 46 Prozent von privaten Eisenbahnunternehmen abgedeckt, der Nahverkehr zu immerhin 26 Prozent. Und der Fernverkehr? Da fährt noch immer zu fast 100 Prozent die Deutsche Bahn.

Experte zweifelt an Wettbewerb im Schienenfernverkehr

Ändert sich das durch Flixtrain? „Unwahrscheinlich“, sagt Alexander Eisenkopf, Professor für Verkehrspolitik an der Zeppelin-Universität Friedrichshafen. Er befasste sich schon vor mehr als zehn Jahren als Experte in der Monopolkommission mit dem Thema. Seither hat sich beim Wettbewerb im Eisenbahnfernverkehr wenig getan. Im Nahverkehr werde ein Fahrplan abgestimmt, dann werde der Betrieb ausgeschrieben; manchmal stellt die Region sogar die Züge bereit, erklärt Eisenkopf. Das ermöglicht Unternehmen einen einfachen Markteintritt.

Anders ist es im Fernverkehr: Hier wird der Streckenbetrieb meist über mehrere Jahre vergeben. Im Unterschied zum Nahverkehr biete der Fernverkehr nur geringe Margen, sagt Eisenkopf. „Das macht den Markt für anderen Wettbewerber unattraktiv.“ Dafür sei die starke Konkurrenz mit anderen Verkehrsmitteln verantwortlich. Auf der Langstrecke stehen Bahnunternehmen im Wettbewerb mit Bus, Flugzeug und Auto. Wolle Flixbus auf der Schiene expandieren, bräuchte das Unternehmen außerdem wesentlich mehr Züge und Waggons. Und das sei für die Langstrecke nur schwer zu bekommen. Die Deutsche Bahn verkaufe ihr Zugmaterial lieber ins Ausland als an Wettbewerber im Inland, sagt Eisenkopf. „Ich bin daher skeptisch, dass es in den nächsten zwei bis drei Jahren mehr Wettbewerb geben wird“, sagt er.

Flixtrain hat Vorteile durch Bekanntheit von Flixbus

Warum möchte Flixbus bei all diesen Widrigkeiten auf den Bahnmarkt? Stenger sieht sein Unternehmen im Vorteil zu andern Bahnbetreibern. „Wir haben die Buskunden schon auf unserer Website“, sagt Stenger. Wollten diese einen Bus buchen und sähen, dass sie dieselbe Strecke zu einem ähnlichen Preis auch mit dem Zug zurücklegen könnten, würden sie womöglich den Zug buchen. Der sei mit sechseinhalb Stunden Fahrtzeit auch schneller als der Bus.

Um noch mehr Kunden zu gewinnen, sollen Bus- und Bahnverkehr aufeinander abgestimmt werden und so einen einfacheren Umstieg zwischen den Verkehrsmitteln möglich machen.

Flixbus plant, in Zukunft das Geschäft auf der Schiene auszubauen. „Es gibt vereinzelt Lücken auf den Trassen“, sagt Stenger. Er hofft auch darauf, dass eine bessere Technik in Zukunft eine höhere Zugtaktung ermöglicht. Flixbus plant bereits weitere Strecken: Ab Dezember sollen zwischen Berlin und München und zwischen Berlin und Köln täglich Flixtrains in beide Richtungen fahren. „Die Resonanz auf die Flixtrain-Züge übertrifft unsere Erwartungen“, sagt Stenger. Mehr als 100 000 Buchungen habe es für den Flixtrain seit Anfang März gegeben. Die Auslastung liege damit zwischen 50 und 70 Prozent.

Auch die Schwaben interessieren sich offenbar für eine preiswerte Alternative zur Deutschen Bahn: Der grüne Zug war auf seiner Rückfahrt nach Berlin ausgebucht.

Roland Lindenblatt

Zur Startseite