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Andreas Bittner (li.) und Marko Wenthin haben in Berlin die Solaris-Bank gegründet. Ihre Kunden sind ausschließlich Start-ups und Techunternehmen.
© Thilo Rückeis

Neues Geldinstitut in Berlin: Fintechs bekommen ihre eigene Bank

Berlin hat ein neues, sehr spezielles Geldhaus: Die Solaris-Bank richtet sich ausschließlich an Techfirmen und Start-ups.

Was tun Gründer, wenn sie mit ihrer Bank unzufrieden sind? Wenn sie ihnen zu langsam ist, zu kompliziert, zu wenig technikaffin? Sie gründen ihr eigenes Geldhaus. Solaris-Bank heißt das Institut, das nun in Berlin an den Start gegangen ist. Das Paradoxe: Es ist eine Bank, die in erster Linie gar keine Bank sein will. „Wir sind ein Techunternehmen mit Banklizenz“, sagt Marko Wenthin, einer der Chefs. Seine Kunden werden in keine Filiale gehen, es gibt keine Geldautomaten oder Auszugsdrucker. Denn die Solaris-Bank tritt nicht selbst an Sparer heran: Sie ist ein Zulieferer für Start-ups, die Bankdienstleistungen anbieten.

"Wir füllen eine Lücke im System"

Fintechs nennen sich die jungen Firmen, die Kunden beim Zahlen per Smartphone helfen, online Kredite vermitteln oder sich im Netz um die Geldanlage kümmern. Sie alle machen klassischen Banken in ihrer Nische Konkurrenz – müssen gleichzeitig aber mit ihnen zusammenarbeiten. Denn die wenigsten Start-ups haben eine Banklizenz. Stattdessen kaufen sie die Bankdienstleistungen zu: Klassische Institute verwahren für sie Kundengelder, führen Zahlungen durch, wickeln Kredite ab. Doch diese Zusammenarbeit klappt mal mehr, mal weniger gut. Längst nicht immer passt die neue Technik der Gründer zu den alten IT-Systemen der Banken. Deshalb sagt Wenthin: „Wir füllen eine Lücke im System.“ Bei der Solaris-Bank sitzen an jedem Schreibtisch gleich zwei Fachleute: ein Banker und ein Entwickler.

Gestartet ist das neue Institut mit 30 Mitarbeitern in einem schmucklosen Büro am Hackeschen Markt. Die Wände sind noch kahl, die Kaffeemaschine ist nicht angeschlossen. Die Gründer hatten in den ersten Tagen Wichtigeres zu tun, als das Büro zu dekorieren. „Wir haben sofort Anfragen aus aller Welt bekommen“, sagt Wenthin. Start-ups und Techfirmen aus Großbritannien und den USA wollten wissen, wie ihr Service funktioniert, selbst aus Asien kamen Mails.

Fintechs wünschen sich eine techaffine Bank

Das zeigt: Waren die jungen Fintechs bislang noch auf die Unterstützung der etablierten Banken angewiesen, nabeln sie sich nun ab. So ist die Solaris-Bank in Berlin nicht zufällig entstanden. Angetrieben hat die Idee Finleap: eine Berliner Start-up-Schmiede, die sich auf die Gründung von Techfirmen aus dem Finanzbereich konzentriert. Die Seriengründer waren für ihre Start-ups permanent auf der Suche nach Banken, mit denen sie kooperieren könnten. Doch: „Wir konnten weltweit keine einzige Bank identifizieren, die sich auf Technologiepartnerschaften mit Digitalunternehmen spezialisiert hat“, sagt Finleap-Gründer Jan Beckers.

Deshalb holte er Marko Wenthin und Andreas Bittner an Bord: zwei Banker mit Gründungserfahrung. Wenthin hat bei der Deutschen Bank gearbeitet und später die Deutsche Handelsbank aufgebaut; Bittner war bei der Fondsdepot-Bank und hat ein Auktionshaus für Immobilien gegründet. Zwei Männer, die das Bankgeschäft kennen und die Start-up-Atmosphäre lieben. Beim ersten Treffen stellen sie sich per Vorname vor, tragen Jeans und Pullover statt wie in Banken üblich Anzug und Krawatte. Ihnen gab Beckers vor einem Jahr den Auftrag: eine Bank für Fintechs zu bauen und die Finanzaufsicht Bafin von der Idee zu überzeugen. Vier Aktenordner füllten sie mit ihrem Antrag für die Banklizenz, immer wieder mussten sie Fragen der Aufseher beantworten. Doch am Ende waren sie erfolgreich – vor wenigen Tagen kam die Nachricht: Sie haben die Banklizenz.

Die Bafin reagierte erleichtert

„Bei der Bafin war man über unser Vorhaben sogar erleichtert“, sagt Bittner. Denn viele Finanz-Start-ups bewegen hohe Summen an Kundengeldern, werden aber kaum reguliert. Erst kürzlich hat der Finanzstabilitätsrat der größten Industrie- und Schwellenländer (G 20) angemerkt: Man müsse endlich verbindliche Regeln für Fintechs schaffen. Glaubt man Bittner, war man bei der Bafin daher froh, nun einen kontrollierten Partner an der Seite der Start-ups zu wissen.

Dass es die Solaris-Bank überhaupt gibt, ist in gewisser Weise jedoch eine Bankrotterklärung für die etablierten Institute. Sie hätten die Fintechs längst stärker an sich binden können. Gelungen ist das aber nur in Einzelfällen: So konzentrieren sich die Institute auf Kooperationen mit einzelnen Fintechs, statt sich der Masse an Start-ups zu öffnen. Letzteres haben nur sehr wenige Institute getan. Die Hamburger Sutor-Bank zum Beispiel hat eine Plattform geschaffen, über die Fintechs schnell und unkompliziert ihre Dienste nutzen können. Aber auch für sie ist das bislang nur ein Nebengeschäft. „Wir machen dagegen nichts anders“, sagt Wenthin.

Der Vorteil der etablierten Institute: der Zugang zum Kunden

Wie die meisten Gründer treten die Macher der Solaris-Bank extrem selbstbewusst auf. Wer ihre Internetseite anklickt, sieht einen Sonnenaufgang über den Wolken. Ihr Institut stellen sie grafisch als Planet dar, um den andere Anbieter kreisen. Damit wecken sie Erwartungen, die sie erst noch erfüllen müssen. Denn Experten sind längst nicht überzeugt, dass die Bank etablierten Instituten gefährlich werden kann – auch nicht als Dienstleister für Start-ups. „Die großen Häuser haben einen Vorteil: den Zugang zu den Kunden“, sagt Claus-Peter Praeg, der am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) die Zukunft der Banken erforscht. Gründer könnten sich trotz technischer Hürden daher doch für ein etabliertes Haus entscheiden.

Deshalb wollen die Berliner sich auch nicht nur auf Fintechs konzentrieren, sondern sie denken größer. So hoffen die Solaris-Banker, auch große Techfirmen als Kunden zu gewinnen. Zum Beispiel Onlineshops, die sich nicht mehr nur auf ihre Rolle als Händler beschränken wollen. So hat die Solaris-Bank für einen ersten Anbieter bereits die Möglichkeit geschaffen, Kunden beim Kauf im Netz einen Ratenkredit anzubieten. Normalerweise kann ein Onlinehändler das nicht so einfach – dafür bräuchte er eine Banklizenz. Über die Solaris-Bank kann er sich diese Dienstleistung zukaufen.

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