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 Der Mensch denkt, die Maschine lenkt.
© Felix Kästle, dpa

Autonomes Fahren: Faktor Mensch

Zum ersten Mal ist ein Mensch nach einem Unfall mit einem autonom fahrenden Auto gestorben. Der Irrtum besteht darin, an die Unfehlbarkeit der Maschine zu glauben. Ein Kommentar.

Irren ist menschlich – und das kann tödlich enden. Auf einer Straße in den USA ist es zu einem Unfall mit einem autonom fahrenden Auto gekommen, der womöglich auf einen fatalen Irrtum zurückzuführen ist. Noch wissen wir nicht, ob der Algorithmus des Roboterwagens falsch programmiert war. Vielleicht war es auch nur die Unachtsamkeit der Passantin, die zu Tode kam. Oder ein tragischer Zufall, wie er im Straßenverkehr jeden Tag vorkommt, wenn Mensch und Maschine aufeinandertreffen.

Der Irrtum besteht darin, an die Unfehlbarkeit der Maschine zu glauben. Die erste Tote in der kurzen Geschichte des autonomen Fahrens bedeutet in dieser Hinsicht eine Zäsur. Nicht, dass ein solcher Unfall nicht erwartet worden wäre. Die Technik ist noch jung und lange nicht perfekt, räumen auch die Ingenieure ein. Doch in ihrem „noch nicht“ steckt der Irrtum: Wir müssen die Sensoren, die Radartechnik, das Funknetz, die Karten und die Datenverarbeitung nur perfektionieren, dann rollen auch die Roboterwagen unfallfrei. Diesen Technikglauben veranschaulichen die Autobauer mit futuristischen Konzeptfahrzeugen, die wie fahrende Wohnzimmer aussehen, in denen wir Zeitung lesen, Filme sehen oder schlafen können, während uns der Computer nach Hause oder zur Arbeit fährt. Der Mensch denkt, die Maschine lenkt. Aber: Nach menschlichem Ermessen werden autonome Autos niemals so perfekt sein.

Daraus abzuleiten, Technik werde den Verkehr gar nicht sicherer machen, wäre jedoch falsch. 90 Prozent aller Unfälle im Straßenverkehr, heißt es, seien heute auf die Fehler von Menschen zurückzuführen. Allein in Berlin gab es im vergangenen Jahr mehr als 140.000 Verkehrsunfälle, darunter 36 mit tödlichem Ausgang. Automatisierte und später vollständig autonom fahrende, „intelligente“ Autos, die miteinander und mit ihrer Umwelt kommunizieren, werden in der Lage sein, diesen menschlichen Faktor im Unfallgeschehen zu minimieren.

Zurück in der Realität

Ob überraschend oder nicht, der tödliche Unfall in den USA holt die Auto- und Technologiebranche zunächst einmal auf den Boden der Realität zurück. Alle Fragen, die sich stellen, werden noch einmal aufgerufen. Wie weit können wir der Technik schon vertrauen? Wie liberal darf die Regulierung im Realbetrieb sein? Welchen Einfluss muss der Mensch auf das Geschehen im Auto behalten? Wie entscheidet sich der Computer im Extremfall – überfährt er das Kind oder den Rentner? Der technische Fortschritt allein wird die Antworten nicht geben.

Auch deshalb empfiehlt sich das deutsche Entwicklungsmodell „Sicherheit vor Schnelligkeit“. Parallel zur Technik (die Deutschen halten die meisten Patente) wird an Ethikregeln gearbeitet, die Anpassung des Rechtsrahmens geht Hand in Hand mit Praxistests. So weit, so gut. Doch das Autoland Deutschland steht unter Druck. Google, Apple, Uber und andere drängen mit ihrer Datenmacht in den Automarkt. Es werden Milliarden investiert, weil ein Milliardengeschäft in Aussicht steht. Die Autobauer fordern deshalb größtmögliche Freiheit. So kam es, dass die letzte Bundesregierung ein Gesetz verabschiedete, das zum Beispiel die Haftung im Fall eines Unfalls auf den Fahrer abwälzt. Anderes, etwa den Faktor Mensch im Fahrgeschehen, ließ der Gesetzgeber im Ungefähren. Hier muss die neue Regierung dringend nachbessern. Damit wir uns vor der Vision selbstfahrender Autos nicht fürchten müssen.

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