Verkehrstag diskutiert autonome Autos: Am Ende ist der Fahrer schuld
Das Auto fährt von selber, doch die Haftung soll im Zweifel beim Fahrer bleiben: Der Verkehrstag diskutiert ethische und rechtliche Fragen des autonomen Fahrens.
Ausweichen oder Aufprallen? Zwei Menschenleben retten, indem man ein anderes riskiert? Beim autonomen Fahren muss die Bordsoftware solche Dilemma-Situationen in Sekundenbruchteilen lösen. Der Verkehrsgerichtstag (VGT) in Goslar diskutiert seit Donnerstag über ethische, sicherheitstechnische und haftungsrechtliche Fragen in einer digitalisierten Mobilitätswelt. VGT-Präsident Kay Nehm bemängelte, dass die Bundesregierung „aus Angst vor der eigenen Courage“ bei der Novelle des Straßenverkehrsgesetzes im vergangenen Jahr zu viel Verantwortung beim Fahrer belassen habe: „Der Industrie mag dies Planungssicherheit bescheren, für den Kunden folgt daraus jedoch eine partielle Freizeichnung des Herstellers für die Folgen mängelbehafteter Systeme“, kritisierte der frühere Generalbundesanwalt. „Der Nutzer einer automatisierten Lenkhilfe wird – noch dazu auf seine Kosten – als Versuchskarnickel missbraucht.“
Nach dem neu eingefügten Paragrafen 1b muss der menschliche Fahrer die Steuerung „unverzüglich wieder übernehmen, wenn er erkennt oder erkennen muss“, dass die automatischen Systeme nicht mehr bestimmungsgemäß funktionieren. „Fragwürdig“ nannte Nehm diese Verantwortung. Zum einen sei der Mensch durch die permanente Kontrolle der Technik überfordert. Außerdem könnten zwischen Erkennen der Gefahr und einer situationsgerechten Reaktion weit mehr als acht Sekunden vergehen – viel zu viel Zeit, um einen Crash vielleicht noch zu verhindern.
ADAC: Ein Geschädigter braucht klare Ansprechpartner
„Der Fahrer bleibt im Zweifel in der Haftung“, warnte auch Marion Jungbluth vom Verbraucherzentralen-Bundesverband vor den finanziellen Folgen eines Unfalls. Sinn und Zweck von hoch- und vollautomatisierten Fahrfunktionen, nämlich die Entlastung des Fahrers durch sichere Technik, werde konterkariert. Die Berlinerin forderte, die Gefährdungshaftung für das Fahrzeug vom Halter auf die Hersteller zu verlagern. „Denn nur dieser hat Einfluss auf die Sicherheit seiner Produkte.“
Damit löste sie den Widerspruch des Automobilclubs ADAC aus. „Ein Unfallopfer darf nicht zwischen den Stühlen stehen“, sagte Vizepräsident Ulrich Klaus Becker. Ein Geschädigter brauche klare Ansprechpartner, daher müsse die Verantwortung wie bisher bei Fahrer, Halter und deren Haftpflichtversicherung bestehen bleiben. „Gegenüber der Industrie besteht keine Waffengleichheit“, meinte Becker mit einem Seitenhieb auf die mehr als zögerliche Regulierung möglicher Ansprüche von Autokäufern, die vom Dieselskandal betroffen sind.