Arbeitsmarkt: Fachkräfte kommen, Fachkräfte fehlen
Die Jobchancen von Geflüchteten verbessern sich langsam. Generell soll sich der Arbeitsmarkt hierzulande weiterhin gut entwickeln – bis 2019.
Die Bemühungen, Flüchtlingen bei der Arbeitssuche zu helfen, zahlen sich aus: Etwa 140000 Menschen aus den Hauptherkunftsländern Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien haben in Deutschland eine sozialversicherungspflichtige Stelle, wie aus einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln hervorgeht. Von ihnen seien knapp 60 Prozent als qualifizierte Fachkräfte angestellt, darunter fast jeder Zehnte in einem Beruf, der in der Regel ein Diplom oder einen Master erfordert. Das Institut sprach von „ersten Erfolgen bei der Integration“.
Im Vergleich zum Vorjahr sei die Zahl der Beschäftigten aus den Asylherkunftsländern um knapp 47000 Menschen und damit um etwa 50 Prozent gestiegen, hieß es weiter. Die übrigen 40 Prozent üben Helfertätigkeiten aus, für die nicht einmal eine abgeschlossene Ausbildung nötig ist. Die Hauptarbeitgeber für Flüchtlinge seien Wach- und Sicherheitsdienste, die Gebäudebetreuung sowie der Garten- und Landschaftsbau. Überdurchschnittlich viele arbeiten zudem im Rahmen der Zeitarbeit sowie in kleinen und mittleren Unternehmen. Während in Deutschland jeder dritte Beschäftigte bei einem Großbetrieb arbeite, sei es unter den Beschäftigten aus Asylländern hingegen nur knapp jeder Vierte.
Das IW bezieht sich in der Studie allerdings nicht nur auf Flüchtlinge, die in den vergangenen zwei Jahren nach Deutschland gekommen sind, sondern allgemein auf Staatsangehörige aus den acht genannten Asylländern - darunter also auch Menschen, die mitunter seit Jahrzehnten in Deutschland leben. Zudem handelt es sich um inzwischen überholte Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA). Ende September waren bereits 195000 Menschen aus den genannten Staaten sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Dies waren rund 75000 mehr als im September 2016. Fast 600000 Flüchtlinge beziehen Hartz IV.
Mehr als eine Million Stellen sind unbesetzt
Da der Fachkräftemangel hierzulande immer drastischer wird, hat Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, ein Zuwanderungsgesetz gefordert. „Wir brauchen mehr qualifizierte Zuwanderung in Deutschland. Wir brauchen vor allem mehr Facharbeiter“, sagt er. In den vergangenen Jahren habe die Wirtschaft sehr von der Zuwanderung aus der EU profitiert. „Das allein reicht aber auf Dauer nicht aus.“
Bundesweit seien mehr als eine Million Stellen unbesetzt. Vor allem in der Logistik gebe es Probleme. Es stünden zum Beispiel zu wenige Berufskraftfahrer und Binnenschiffer zur Verfügung. „Unternehmen bekommen deshalb zurzeit kaum noch zusätzliche Transportkapazitäten innerhalb Deutschlands“, kritisiert Schweitzer. Akuten Mangel gibt es außerdem in der Pflege und im Handwerk.
Für 56 Prozent der Unternehmen sei der Fachkräftemangel laut DIHK-Umfragen ihr mittlerweile größtes Geschäftsrisiko. Dieser Wert habe sich seit 2011 mehr als verdreifacht.
Das IAB-Arbeitsmarktbarometer, das auf einer monatlichen Umfrage der BA unter allen lokalen Arbeitsagenturen basiert, legte im Dezember auf hohem Niveau noch einmal zu. Es stieg um 0,1 auf 104,9 Punkte. Dies zeige sehr optimistische Aussichten für die Entwicklung des Arbeitsmarkts in den kommenden Monaten – trotz Brexit, Dieselkrise und Air-Berlin-Pleite. „Die Beschäftigungsentwicklung im Jahr 2018 wird rekordverdächtig“, meint IAB-Arbeitsmarktforscher Enzo Weber. „Im Moment geht es fast überall aufwärts, in der Binnenkonjunktur und der Weltwirtschaft, bei den Dienstleistungen und in der Industrie.“
Experten zufolge wird der Jobboom bis mindestens 2019 anhalten. Dann sollen nach einer Prognose des Münchner Ifo-Instituts 45,2 Millionen Frauen und Männer hierzulande Arbeit haben – so viele wie noch nie und 900000 mehr als in diesem Jahr. Die Zahl der Arbeitslosen soll demnach auf 2,2 Millionen sinken.
Die Arbeitslosigkeit sinkt auch in Europa
Auch in der Euro-Zone geht es aufwärts: Um 1,8 Millionen soll die Beschäftigung laut einer Prognose der Unternehmensberatung EY 2018 steigen. Bereits im auslaufenden Jahr habe die Zahl der Beschäftigten in den 19 Ländern erstmals wieder über dem Vorkrisenniveau von 2007 gelegen. Danach sorgte die Finanzkrise für einen Wirtschaftseinbruch. Weiter rechnet EY im kommenden Jahr mit einer Arbeitslosenquote von 8,6 Prozent, nachdem es bereits 2017 einen Rückgang von zehn auf 9,2 Prozent gegeben habe. Dass die Arbeitslosigkeit dennoch deutlich höher bleibe als vor Ausbruch der Krise, liegt EY zufolge am deutlichen Wachstum des Arbeitskräfteangebots – etwa durch Zuwanderung und wegen der Zunahme berufstätiger Frauen.
Besonders erfreulich sei die Entwicklung in Spanien, wo wie in Deutschland fast 400000 neue Jobs entstehen sollen, hieß es von den Unternehmensberatern. Zu den Herausforderungen für Deutschland sagt Lorentz: „Der Arbeitsmarkt etwa für Akademiker und Facharbeiter ist vielerorts leer gefegt.“ Das könnte für den Standort Deutschland zu einer enormen Innovationsbremse werden. Notwendig sei auch aus seiner Sicht eine zukunftsgerichtete Migrationspolitik.