Billige Preise: Existenzängste wegen eines Liters Milch
Vor dem „Milchgipfel“ am Montag haben die deutschen Bauern noch einmal klar gemacht, was sie fordern – und warum.
Dass er in einem Jahr noch seinen Hof haben wird, glaubt Benjamin Meise aus Buchholz nicht. Wie tausende andere Milchbauern hat er wegen der niedrigen Preise immense Geldprobleme. Was der Branche helfen könnte, wäre seiner Meinung nach eine Schlachtprämie. 1000 Euro für jede getötete Kuh.
Kurz vor dem „Milchgipfel“ am kommenden Montag hat der Deutsche Bauernverband seine Forderungen noch einmal deutlich gemacht. Anwesend war auch Benjamin Meise, um ein Bild von der Praxis zu zeichnen. „Wir erwarten konkrete, sofort wirksame Unterstützung für die Betriebe“, sagte Vizepräsident Udo Folgart am Donnerstag. In Form von Liquiditätshilfen und steuerlichen Entlastungen. Außerdem müsse es eine bessere Mengensteuerung geben, die aber nicht staatlich geregelt werden könne, ergänzte Generalsekretär Bernhard Krüsken. Dafür sei der Markt zu global und offen.
Seiner Meinung nach seien die Molkereien in der Position, das Angebot stärker zu reglementieren. „Nur an dieser Stelle kann auf wechselnde Nachfragesituationen marktgerecht reagiert werden.“ Zum Vorschlag der Schlachtprämie meinte er, dass eine Stilllegungsprämie für Höfe realistischer wäre. Das sei auch nicht so ethisch-moralisch beladen.
Die unehrlichen Discounter
Gründe für den Preisverfall sind die schwache Nachfrage in internationalen Märkten, der Importstopp Russlands als Reaktion auf EU-Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts und das Überangebot im In- wie im Ausland. Ein anderes Problem sei der Handel. Die Preisdruckpolitik der Discounter werde immer mehr zum Existenzkampf der Landwirte. Wer mit Regionalität und Nachhaltigkeit werbe und dann Milchtüten für 42 Cent verkaufe, sei laut Folgart „schlichtweg unehrlich“.
Klaus Gehrig, Chef der Schwarz-Gruppe in Neckarsulm, zu der Lidl und Kaufland gehören, ist anderer Meinung. „Das Problem ist doch: es wird zu viel produziert“, sagte er im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Freitagsausgabe). „Wenn der Staat etwas regeln will, dann soll der Staat es regeln. Durch eine Sondersteuer, die alle gleichermaßen trifft.“
Fast zur gleichen Zeit, 450 Kilometer südlich von Berlin, sprach Christian Schmidt am Donnerstag vor seinem Wahlkreisbüro mit protestierenden Milchbauern. Er stellte „schnelle direkte Hilfen“ in Aussicht. „Die Risiken des Milchmarktes müssen fairer verteilt werden“, sagte er in Neustadt an der Aisch. Klar sei aber auch: „Für bessere Erzeugerpreise brauchen wir vor allem die Verbraucher.“ In Umfragen sagen sie oft, dass sie bereit seien, mehr Geld für Milch zu zahlen. Nur sieht die Entscheidung an der Kasse anders aus. Woran das liegt, konnten die Vertreter des Bauernverbandes nicht sagen.
Eine Milliarde Euro Soforthilfe
Auf dem „Milchgipfel“ will Schmidt mit Vertretern aus Landwirtschaft, Milchwirtschaft und dem Handel sprechen. Im Gespräch ist ein Hilfspaket von „100 Millionen Euro plus X“. Laut dem Bauernverband müsse das X erheblich sein. Mit Blick auf die beschlossene milliardenschwere Förderung von E-Autos sagte Krüsken: „Was für Elektromobilität gut ist, muss für die Landwirtschaft auch recht sein.“ Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner fordert von der EU eine Milliarde Euro Soforthilfe für in Not geratene Betriebe.
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