Milliarden-Einnahmen möglich: Europas Liberale werben für Finanztransaktionssteuer
Die FDP ist gegen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer – die Parteifreunde im Europaparlament sind aufgeschlossener.
Linke und SPD fordern sie, die CDU sympathisiert mit ihr, die Liberalen lehnen sie ab: eine Finanztransaktionssteuer. Seit Jahren wird über sie diskutiert und die Erfahrungen der Finanzkrise zeigen, dass die schnelle Spekulation mit Aktien, Anleihen und Derivaten ganze Staaten in den Ruin treiben kann. Die EU-Kommission hat deshalb vorgeschlagen, eine Finanztransaktionssteuer bis 2014 einzuführen, und sie schätzt, dass sie 57 Milliarden Euro in die klammen Kassen der EU-Länder spülen könnte.
Die Ankündigung Frankreichs, notfalls im Alleingang Finanztransaktionen zu besteuern, bringt die Debatte auch hierzulande wieder in Gang. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel – die auch dann nichts gegen eine Börsensteuer hätte, wenn die Briten nicht mitziehen – wird von ihrem liberalen Koalitionspartner unter Druck gesetzt. Das Nein der FDP sät Streit in der Koalition. Zum nächsten EU-Gipfel Ende des Monats muss Merkel mit einer klaren Ansage anreisen: Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy wird – gebeutelt vom harten Urteil der Ratingagenturen – das Thema wohl auf die Tagesordnung in Brüssel setzen.
Während sich die FDP kompromisslos gibt, kommt bei den Liberalen in Europa Bewegung in die Diskussion. Die deutschen Abgeordneten im Europaparlament sehen die Finanztransaktionssteuer bei Weitem nicht so kritisch wie ihre Berliner Kollegen. Einige deutsche Liberale im Europaparlament stehen der Abgabe vielmehr aufgeschlossen gegenüber.
Der baden-württembergische Europaabgeordnete Michael Theurer hatte seinen Kollegen im Vorfeld einer Gruppensitzung am vergangenen Mittwoch geraten, die Besteuerung von Finanzgeschäften „nicht in Bausch und Bogen abzulehnen“. Und seither ist dort auch kein kategorisches Nein, wie es die Berliner Parteispitze vertritt, mehr zu hören. Die Gesamtfraktion der europäischen Liberalen, allen voran Belgiens früherer Regierungschef Guy Verhofstadt als Fraktionschef, wirbt sogar für die Steuer.
Ein Hauptargument gegen die Steuer ist, dass die Spekulanten einfach auf andere Handelsplätze, zum Beispiel London, ausweichen könnten. Doch dagegen gibt es ein einfaches Mittel.
Die Bedenken freilich sind bei den deutschen Liberalen nicht verschwunden. So setzt auch Theurer darauf, dass der Vorschlag der Brüsseler Kommission alle 27 Staaten umfasst. Gleichzeitig will Theurer bei den Finanzämtern in Erfahrung bringen, ob das vorgeschlagene Ansässigkeitsprinzip bei der Besteuerung die befürchteten Wettbewerbsverzerrungen verhindern kann. „Dann geht es möglicherweise“, sagte der Liberale.
Das Ansässigkeitsprinzip bedeutet, dass eine Finanztransaktionssteuer nicht auf Handelsplätze erhoben wird, sondern alle europäischen Händler sie zahlen müssten. Entscheidend ist also der Sitz des Händlers, nicht der Finanzplatz, auf dem er Geschäfte macht. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass Banken, Fonds und andere Finanzakteure zum Beispiel nach Großbritannien ausweichen, um der Steuer zu entkommen. Das Ansässigkeits- oder Sitzlandprinzip ist für die Liberalen eine notwendige Bedingung, aber keine hinreichende, um sich für eine Börsensteuer erwärmen zu können. Der europäische Delegationsleiter Alexander Graf Lambsdorff, ist skeptischer als sein Parteifreund Theurer: „Wenn die Kanzlerin und die CDU der Meinung sind, dass eine Finanztransaktionssteuer möglich ist, ohne dem Standort Deutschland zu schaden, stehen sie in der Pflicht zu erklären, wie das funktionieren kann. Das Sitzlandprinzip alleine reicht dafür sicher nicht.“ Zentrales Argument: Wenn deutsche Institute in London Transaktionen tätigten und der deutsche Fiskus darüber keine Informationen erhalte, wisse er auch nicht, in welcher Höhe er besteuern solle. Ohne ein geregeltes Verfahren zum Informationsaustausch geht für die Liberalen nichts in Sachen Steuer.
Die Gegner befürchten außerdem, dass private Kleinanleger über Gebühr von einer Finanztransaktionssteuer getroffen würden – direkt oder weil die Banken die Abgabe an ihre Kunden weiterreichen würden. „Insbesondere Altersvorsorgeprodukte wären betroffen“, heißt es in einem FDP-Positionspapier.
„Das ist ein leeres Argument“, sagt Till van Treeck vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Die Finanztransaktionssteuer sei eine „Bagatellsteuer“, die nur bei sehr hohen und kurzfristigen Umsätzen ins Gewicht falle. „Welcher private Anleger bewegt schon sehr große Summen im Hochfrequenzhandel“, fragt van Treeck. Dies gelte vielmehr für vermögende Anleger und die Profis, Hedge- Fonds und Investmentbanken. Nach dem Vorschlag der EU-Kommission sollen Geschäfte mit Aktien und Anleihen, die für private Anleger bei der Altersvorsorge interessant sind, mit einem Steuersatz von 0,1 Prozent belegt werden. Beim Kauf von Aktien im Wert von 10 000 Euro würden also ganze zehn Euro Steuer fällig.
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