Kennzeichnungspflicht für Waren: EU setzt Israel unter Druck
Brüssel schreibt künftig für Produkte aus den israelischen Siedlungen gesonderte Herkunftsbezeichnungen vor. Israelische Diplomaten kritisieren den Schritt scharf.
Auf Konfrontationskurs mit Israel: Die Europäische Union führt Kennzeichnungspflichten für Waren ein, die aus den israelischen Siedlungen stammen und somit nicht in den Grenzen Israels von vor 1967 produziert wurden. Wie der Tagesspiegel aus Kreisen der EU-Kommission erfuhr, sind die technischen Vorbereitungen für diesen Schritt bereits abgeschlossen, es fehle jetzt nur noch die Zustimmung der Kommission, sagte ein mit der Angelegenheit vertrauter Mitarbeiter der Kommission dem Tagesspiegel. Dies aber sei „allenfalls noch eine Frage von wenigen Tagen“.
Angestoßen wurde die Initiative von 16 EU-Mitgliedstaaten, die sich im April in einem gemeinsamen Brief an die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini für einen solchen Schritt ausgesprochen hatten. Das EU-Parlament hatte sich im September dieser Forderung angeschlossen und zudem eine (nicht-bindende) Resolution erlassen.
Die spielt die Konsequenzen herunter
Offiziell ist die Kommission derweil bemüht, die politische Tragweite ihrer Entscheidung herunterzuspielen. Mit den neuen Richtlinien zur Kennzeichnung würden lediglich seit Jahren bestehende EU-Regeln zum Verbraucherschutz umgesetzt, sagte ein Sprecher von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström dem Tagesspiegel. Gleichzeitig verwies er darauf, dass die neuen Vorgaben die langjährige Haltung der EU widerspiegelten, dass die israelischen Siedlungen im Westjordanland nach internationalem Recht illegal seien.
Unter israelischen Diplomaten stößt die Entscheidung der Europäer auf heftige Kritik. David Walzer, Israels Botschafter bei der EU, wirft Brüssel vor, die Bedenken zum Verbraucherschutz lediglich vorzuschieben und für politische Zwecke zu missbrauchen. „Die EU sollte das Kind beim Namen nennen – bei der Kennzeichnungspflicht geht es nicht um Verbraucherschutz, sondern um die politische Stigmatisierung Israels“, sagte Walzer dem Tagesspiegel. Gleichzeitig warnte er davor, dass die Europäische Union durch ihr einseitiges Vorgehen ihre Glaubwürdigkeit als Vermittler zwischen Israelis und Arabern verspiele. „Brüssel sollte sich darüber im Klaren sein, dass diese Maßnahme nicht zu den Anstrengungen beitragen wird, den Friedensprozess wiederzubeleben“, so Walzer. Für die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kommt der europäische Vorstoß zur Unzeit: Seit September wurden 11 Israelis bei Terroranschlägen durch palästinensische Attentäter ermordet und mehr als 130 Israelis verletzt.
Sorge vor den ökonomischen Folgen
In Jerusalem befürchtet man zudem, dass die neuen EU-Regeln das Land auch ökonomisch treffen könnten. Die Mitgliedstaaten der EU sind für die israelische Wirtschaft der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt. Jedes Jahr exportieren Unternehmen Waren und Dienstleistungen im Wert von umgerechnet mehr als 30 Milliarden Euro (2014) nach Europa. In Brüssel geht man davon aus, dass gut 1,5 Prozent der israelischen Exporte von den neuen Kennzeichnungspflichten betroffen wären.
Die EU will allerdings Ausnahmen in einigen Fällen zulassen: So sollen die Kennzeichnungspflichten etwa bei technischen Gütern und chemischen Waren verpflichtend sein, die Kennzeichnung von Agrarprodukten hingegen freiwillig erfolgen.
Trotz der überschaubaren wirtschaftlichen Reichweite stellt der Plan der EU-Kommission eine Zäsur im politischen Verhältnis zwischen Brüssel und Jerusalem dar. In Israel besteht die Sorge, dass die Kennzeichnungspflicht der erste Schritt für einen generellen Boykott für israelische Waren aus dem Westjordanland sein könnte.
Tatsächlich reiht sich die jüngste Direktive aus Brüssel in eine lange Reihe anderer EU-Entscheidungen ein, die sich gegen Israel richteten. So entschied etwa der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits 2010, dass israelische Waren aus dem Westjordanland – anders als Waren aus dem Kernland – nicht zollfrei in die EU eingeführt werden dürfen. Das Westjordanland sei nicht Teil Israels und falle somit nicht unter das Abkommen mit Israel, das dem Land zollfreie Einfuhr gewährt, entschieden die Richter damals.