Wirtschaft: EU macht Risikokapital für Start-ups locker
Brüssel will mit Milliarden-schweren Wagniskapitalfonds Digitalunternehmen die Abwanderungsgedanken in die USA austreiben
Die EU will in Zukunft doppelt so viel Risikokapital für aufstrebende Digitalunternehmen zur Verfügung stellen wie bisher. So soll die Abwanderung von Start-ups in die USA und nach Fernost eingedämmt werden. 2016 stellten Investoren für junge Unternehmen in Europa 6,5 Milliarden Euro an Risikokapital bereit. In den USA, im Vergleich zur EU mit über 500 Millionen Konsumenten der kleinere Markt, standen im gleichen Jahr dagegen knapp 40 Milliarden Euro an Risikokapital bereit. 1500 Unternehmen mit Sitz in der EU sollen Zugang zu den Finanzmitteln bekommen.
Die EU legt den Grundstock
Der Plan sieht so aus: Die EU-Kommission legt ein Programm für EU-Risiko-Kapital auf (VentureEU), das frisches Geld im Volumen von 6,5 Milliarden Euro aufstrebenden Digitalunternehmen in Europa zur Verfügung stellen soll. 410 Millionen davon kommen von der EU und dem Europäischen Investment Fonds (EIF), einer Tochter der Europäischen Investitionsbank (EIB). Das Geld wird von sechs einzelnen Fonds für Risikokapital verwaltet, die rund 2,1 Milliarden Euro bei privaten und öffentlichen Geldgebern einsammeln. Dieses Kapital soll Grundstock dafür sein, die angepeilten 6,5 Milliarden Euro an Risikokapital zu mobilisieren. Während bislang praktisch nur in acht Mitgliedstaaten der EU Risikokapital vorhanden war, soll es mit der Initiative der EU künftig EU-weit erhältlich sein. Die sechs Fonds werden sich als Dachgesellschaften finanziell bei einer Reihe von kleineren Fonds engagieren und jeweils Projekte in vier Mitgliedsländern der EU anstoßen. Zielgruppe sind junge Unternehmen der Branchen IT, Digitales, Biowissenschaften, Medizintechnik und Ressourcen- und Energieeffizienz. Interessierte Unternehmen können sich ab sofort mit den Fondsverwaltern von Insomer Capital und Axon Partners Group in Verbindung setzen.
Europa hat Nachholbedarf
In Sachen Risikokapital steht die EU bislang schlecht da. Fonds, die Risikokapital bereit stellen, sind zum einen kleiner als in den USA. Im Schnitt hat ein Fonds in der EU ein Volumen von 56 Millionen Euro, während ein US-Fonds im Schnitt auf ein Volumen von 156 Millionen Euro kommt. Mit der geringeren Größe gelingt es den EU-Fonds bisher nicht ausreichend, institutionelle oder private Geldgeber zu einem Investment zu ermutigen. Hinzu kommt: Risikokapitalfonds aus Europa speisen sich vor allem aus öffentlichen Geldern. Mit Ausbruch der Finanzkrise 2008 hatten sich private Geldgeber fast komplett von der Start-up-Finanzierung zurück gezogen, so dass der Staat mit seinen Förderbanken in die Bresche springen musste. In den USA sind die privaten Geldgeber inzwischen zurück gekommen, in der EU aber nicht.
Große Start-ups fehlen
Die Schwierigkeiten für Start-ups, an Kapital zu kommen, haben Folgen: So genannte „Einhorn“-Unternehmen – sie haben einen Marktwert von über einer Milliarde US-Dollar – sind in der EU Mangelware. 2017 gab es in der EU 26 „Einhörner“, aber 109 in den USA und 59 in China.
Der für die Wettbewerbsfähigkeit zuständige EU-Vizepräsident Jyrki Katainen machte deutlich: „Europa hat kein Defizit an Talenten, Unternehmerpersönlichkeiten und klugen Ideen.“ Es fehle lediglich an guten Argumenten, um aufstrebende Unternehmen in Europa zu halten.
Spotify ist in die USA abgewandert
EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska erinnerte daran, dass Spotify, der Dienstleister zum Herunterladen von Musik und Video-Dateien, kürzlich in die USA abgewandert ist. „Spotify ist in die USA abgewandert, um dort besser wachsen zu können.“ Die Initiative der Kommission zur Bereitstellung von mehr Risikokapital sei auch als Antwort Brüssels auf die Abwanderung des ursprünglich schwedischen Unternehmens zu verstehen.
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