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Wie viel Perspektive hat Air Berlin noch? Bislang scheint das Unternehmen ohne echten Plan zu steuern.
© picture alliance / dpa

Ist Deutschlands Nummer zwei noch unabhängig?: Etihad erhöht den Einfluss auf Air Berlin

Die Lage bei Air Berlin ist ernst, es geht um das Überleben. Entscheidend ist, wie die deutschen Behörden den Einfluss der Araber werten.

„Big Brother“ Etihad Airways erhöht offenbar den Druck auf Air Berlin. Der Wechsel von Finanzchef Ulf Hüttmeyer nach Abu Dhabi, die Harmonisierung der Flotte beider Fluggesellschaften und massive Sparmaßnahmen bei der schweizerischen Air-Berlin-Tochter Belair deuten darauf hin. Indessen hat die Diskussion um die Beteiligungen von Etihad an europäischen Airlines einen neuen Höhepunkt erreicht. Nicht zuletzt auf Drängen der EU-Kommission treffen sich nach Informationen des Tagesspiegels am kommenden Dienstag Behördenvertreter aus Deutschland, Italien und der Schweiz, um über den tatsächlichen Einfluss der Araber auf nationale Luftfahrtunternehmen und mögliche Konsequenzen zu beraten.

Hüttmeyer ist jetzt bei Etihad, die seit Ende 2011 gut 29 Prozent von Air Berlin besitzt, unter anderem für die Finanzverhältnisse der Beteiligungsgesellschaften zuständig. Er behält parallel dazu zunächst seinen Posten bei Air Berlin. Das unterstreicht einmal mehr den Einfluss, den die Fluggesellschaft aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) auf die zweitgrößte deutsche Airline ausübt. So spricht Jürgen Pieper, Luftfahrtanalyst beim Bankhaus Metzler, von „einer Beförderung innerhalb des Konzerns“.

Die Abbestellung von 33 Flugzeugen beim US-Hersteller Boeing ist laut Pieper ein Beleg für die „weiter sehr angespannte Lage“ der Air Berlin. Dennoch sieht der Analyst keine dramatische Zuspitzung der Situation. Der neue Air-Berlin-Sprecher Aage Dünhaupt will die Stornierung nicht als Zeichen der Schwäche verstanden wissen. „Der Deal ist positiv, das ist ein klares Signal an den Finanzmarkt, dass wir uns von unnötigen Verpflichtungen entbinden“, sagte er. Auf der Langstrecke habe man noch vergleichsweise neue A-330-Maschinen, daher seien die 15 bereits vor sieben Jahren bestellten „Dreamliner“ nicht nötig gewesen. Und auf die 18 Boeing 737 wolle die Airline verzichten, weil man sich entschlossen habe, auf der Kurzstrecke künftig eine reine Airbus- Flotte einzusetzen. Auch das deutet auf eine weitere Anpassung an den großen Bruder aus Abu Dhabi hin. Etihad betreibt auf der Kurzstrecke eine reine Airbus-Flotte und hat noch 44 Maschinen der A-320-Familie bei dem europäischen Hersteller geordert.

Indessen droht die Schweizer Tochtergesellschaft Belair ein Opfer des Sparkurses zu werden, mit dem der Air-Berlin-Chef Wolfgang Prock-Schauer versucht, die Wirtschaftslage des Unternehmens in den Griff zu bekommen. Der Schweizer Branchendienst Aerotelegraph zitierte aus einer Präsentation des Verwaltungsratspräsidenten Christoph Zuber, wonach der Airline die Abwicklung droht, wenn sie nicht massiv Kosten einspart. Belair betreibt mit Schweizer Zulassung sechs im Besitz von Leasing- und Finanzierungsgesellschaften befindliche A320 in den Farben der Air Berlin.

Das Problem liegt eher in der Schweiz

Obwohl deutlich sei, dass Etihad „de facto ganz entscheidend bei Air Berlin mitredet“, hat Analyst Pieper den Eindruck, dass die deutschen Behörden die Partnerschaft akzeptieren. Jedenfalls bislang. Tatsächlich hatte das Luftfahrtbundesamt (LBA) keine Hinweise darauf finden können, dass Air Berlin von Abu Dhabi aus gesteuert wird. Strittig ist allerdings, ob die sogenannten Code-Share-Flüge – in diesem Fall Strecken, die Air Berlin auch unter Etihad-Flugnummer anbietet – durch das Luftfahrtabkommen zwischen der Bundesrepublik und den Emiraten abgedeckt sind. Danach dürfen, wie berichtet, Airlines aus den VAE vier wählbare Ziele in Deutschland ansteuern, die bereits vor dem Markteintritt von Etihad von deren Konkurrenten Emirates aus Dubai auf Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München festgelegt wurden.

Offiziell vereinbart sind dem Vernehmen nach darüber hinaus lediglich Zubringer-Gemeinschaftsdienste von Berlin, Nürnberg und Stuttgart zu den vier deutschen Zielorten der Golf-Carrier. Bisher wurden allerdings auch die anderen Codeshare-Flüge von Air Berlin stets genehmigt. Die Anmeldefrist für den Ende des Monats beginnenden Winterflugplan endete am 30. September. Bis Ende Oktober werden die Anträge vom LBA nun geprüft. Kritischer als in Deutschland erscheint die von Etihad angestrebte Beteiligung in der Schweiz. Dort wollen die Araber 33,3 Prozent der bisher unbedeutenden Regionalfluggesellschaft Darwin Airline übernehmen. Sie haben mit Shalley Cole bereits eine Finanzchefin aus den eigenen Reihen in der Geschäftsführung platziert, die Gesellschaft in Etihad Regional umgetauft und das Streckennetz massiv erweitert. Dem Vernehmen nach kommen selbst die Flugpläne aus Abu Dhabi. Die Schweizer Behörden starteten deshalb eine genaue Untersuchung der Frage, wer tatsächlich das Sagen bei Darwin hat.

Bis zum 30. September hatten beide Gesellschaften Zeit, den Behörden gegenüber die Partnerschaft zu erläutern und Verträge nachzubessern. Alle erforderlichen Unterlagen seien fristgerecht eingereicht worden, sagte ein Sprecher des Schweizer Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL) auf Anfrage. Manche Fragen seien geklärt und Anpassungen vorgenommen worden. Da einige Dokumente aber erst in den letzten Tagen vorgelegt wurden und noch geprüft werden müssen, haben die Eidgenossen die Entscheidungsfrist ebenfalls bis Ende Oktober verlängert.

Offenbar wollen beide Länder vor ihren Entscheidungen auch das Ergebnis der multinationalen Beratungen in der kommenden Woche abwarten. Da wollen sich Behörden- und Regierungsvertreter über die Entwicklung der Beteiligungen von Etihad auszutauschen. Mit dabei sind auch die Italiener, wo die Araber gleich 49 Prozent der wirtschaftlich angeschlagenen Alitalia übernehmen wollen.

Rainer W. During

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