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Events statt Produkte. Eine gemeinsame Erfahrung stärkt die Beziehung oder Freundschaft, verbindet und bleibt im Gedächtnis.
© Samuel Golay/dpa

Weihnachten: Erlebnisgeschenke liegen im Trend

Zeit statt Geld, kuscheln statt konsumieren. Immer mehr Deutsche verschenken an Weihnachten gemeinsame Erlebnisse. Die Zahl der Anbieter von Gutscheinen wächst.

Was kann sich jemand wünschen, der schon alles hat? Was schenken, wenn alles zu haben ist – in den vollen Regalen, den vielen Geschäften, den unzähligen Angeboten im Internet? Vielleicht etwas, das niemand mit Geld kaufen kann. Und das jedem fehlt: Ein bisschen Zeit.

„Die Idee, Zeit zu verschenken, ist in den letzten Jahren immer beliebter geworden“, sagt der Trendforscher Andreas Steinle. Er ist Geschäftsführer der Zukunftsinstitut Workshop GmbH und erklärt: Im Zuge der Individualisierung müssten Geschenke überraschen und originell sein. Der Mensch halte sich für einzigartig; so müsse auch das sein, was er gibt und bekommt.

Viele seien außerdem gestresst und lebten nicht in der Nähe von Verwandten und Freunden. Zeit miteinander zu verbringen sei kostbar, sagt Steinle. Deswegen sind geteilte Momente für ihn das Status-Symbol von heute. „Und es ist interessant, dass es Anbieter wie Jochen Schweizer geschafft haben, gemeinsame Erlebnisse zu Produkten zu machen.“

Dinge machen nur kurz glücklich

Jochen Schweizer, 58, verkauft seit zwölf Jahren Erlebnisgutscheine. Sein Unternehmen gilt in Deutschland als Marktführer. Er ist der Meinung, dass Dinge, dass Gegenstände, nur vorübergehend glücklich machen. „Gemeinsame Erlebnisse sind der Kitt jeder sozialen Beziehung und bleiben nachhaltig in Erinnerung“, sagt er. Tatsächlich schaffen sie positive Emotionen und bleiben im Gedächtnis. Sie stärken die Beziehung zueinander und sorgen für Verbundenheit. Jahre später kann es noch heißen: Weißt du noch damals, unser Wochenende in Prag?

In diesem Jahr haben mehr als 700.000 Menschen die Erlebnisgutscheine von Jochen Schweizer in Deutschland gekauft. Meistens waren es die Erlebnisboxen zwischen 40 und 300 Euro. Darin enthalten sind hunderte von Vorschlägen aus den Bereichen Kurzurlaub, Fun und Action oder Wellness. Der Beschenkte kann sich davon dann selbst etwas aussuchen.

Die Konkurrenz wächst stetig

Laut dem Vergleichsportal Erlebnisgeschenke.de hat der Markt ein Volumen von 500 Millionen Euro und wächst kontinuierlich. „Unser Traffic steigt seit 2009 jedes Jahr um über 50 Prozent“, sagt Geschäftsführer Christian Bücherl. Besonders gefragt seien Events wie „Dinner in the Dark“ oder ein Fallschirmsprung. Rund 75 Prozent der Kunden sind Frauen, fast die Hälfte beschenkt den eigenen Partner. Eine Marktanalyse ergab außerdem: Im Schnitt gibt ein Kunde 130 Euro aus. Den größten Umsatz machen die Anbieter zu Weihnachten, gefolgt vom Valentinstag.

Mittlerweile gibt es einige Anbieter, die miteinander konkurrieren: Auf Mydays und Jochen Schweizer im Jahr 2003 folgten wenig später Jollydays und Meventi. Dazu kommt das Unternehmen Groupon, das im Internet mit Rabatt- Angeboten wirbt. Kochkurse, ein Tag im Freizeitpark, eine Fahrt mit dem Ballon – die beliebtesten Angebote sind auch dort Aktivitäten aller Art.

Unvergessliche Erinnerungen schaffen

Der Soziologe und Schenkforscher Friedrich Rost von der Freien Universität Berlin begründet das so: „Was den materiellen Wert angeht, können sich Erwachsene, sofern sie nicht verarmt sind, das meiste, was sie sich wünschen, selbst kaufen.“ Anders als Liebe, Geborgenheit, Glück. Gemeinsame Geschichten, die man sich immer wieder erzählen kann.

Das bestätigt eine aktuelle Weihnachtsumfrage der Gutschein-Plattform Groupon: Fast 61 Prozent der Befragten sagten, dass Unternehmungen besondere Erinnerungen schaffen und unvergesslich bleiben. Rund 75 Prozent gaben an, lieber etwas zum gemeinsamen Erleben zu schenken. Man beschenkt sich dabei immerhin auch selbst. Fast die Hälfte würde sich über ein solches Geschenk selbst am meisten freuen.

Zeit statt Zeug verschenken

Manche Geschäftsidee widmet sich noch direkter dem knappen Gut der Zeit. Im Internetshop „Zeit statt Zeug“ können Kunden eine Nackenmassage verschenken – statt einen Schal. Oder Waldluft statt Parfüm. Eine Stunde Fotos anschauen statt einen Fotoapparat.

Zu jeder dieser Ideen gibt es einen Text, der erklärt, worum es geht. Beispiel Fotos: Acht Millionen Apparate werden im Jahr gekauft. Aber ein Drittel der Fotos liegt unsortiert auf einer Festplatte und gerät in Vergessenheit. Wieso nicht lieber auf die nächste Kamera verzichten und sich stattdessen Bilder von früher ansehen? Damit es verbindlich ist, wird im Gutschein eine konkrete Zeit für die Aktivität festgelegt.

Der Massenkonsum wird hinterfragt

Kurz vor Weihnachten sieht Geschäftsführer Michael Volkmer, wie die Besuche auf seiner Seite stark zunehmen. Seit dem Start des Projekts im Winter 2012 zählt er 25 000 verschenkte Momente. Seine Grundidee: Warum schenken wir den Menschen, die wir am meisten mögen, Kram? Warum nicht Aufmerksamkeit? „Der Massenkonsum wird immer mehr hinterfragt“, sagt er. „Und die Glücksforschung zeigt, dass es nicht unbedingt der Konsum ist, der uns zufrieden macht.“ Was die Menschen bei ihm am häufigsten anklicken, ist nicht das „Fußballspielen statt Konsole“ oder „Umdekorieren statt neuer Deko“. Es ist die eigene Idee. Mit einer persönlichen Bedeutung.

Ein ähnliches Konzept vermarktet Dieter Hauser aus Berlin. Er verkauft Gutscheine über gemeinsame Stunden in einer Metalldose und nennt es „Zeit in Dosen“. „Durch die permanente Beschleunigung der Arbeitsprozesse veränderte sich im Laufe der Jahre fast zwangsläufig auch meine Einstellung zur Zeit an sich“, sagt er. „Sie wurde immer knapper und somit auch immer wertvoller.“ Konkret ist ihm ein bisschen Zeit 8,95 Euro wert.

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