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Sebastian Dullien plädiert für eine Absenkung der Gewerbemieten.
© imago images/IPON

Konjunktur 2021: Erhoffte Erholung

Konjunkturforscher erwarten für 2021 ein Wachstum von mehr als vier Prozent und fordern eine Abkehr von der Schuldenbremse.

Ein längerer Lockdown ist für die Wirtschaft verkraftbar – sofern der Staat noch viel mehr Geld ausgibt. „Investitionen sind wichtiger als Schuldentilgung“, meint Sebastian Dullien, der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Am Dienstag stellte das vom DGB finanzierte Institut eine überraschend optimistische Konjunkturprognose vor. Die deutsche Wirtschaft wächst demnach in diesem Jahr um mindestens 4,5 Prozent, nachdem die Wirtschaftsleistung 2020 um fünf Prozent gesunken war. „Die Verlängerung des Lockdowns gefährdet nicht grundsätzlich das Konjunkturbild“, sagte Dullien.

Mit seiner Prognose liegt das IMK am oberen Rand der Erwartungen. Das Berliner DIW rechnet nur noch mit 3,5 Prozent Wachstum und der Sachverständigenrat hält seine Vorausschau aus dem Herbst von 3,7 Prozent nach dem harten Lockdown inzwischen nicht mehr für möglich. Was am Ende auch immer herauskommen wird: Alle Ökonomen sind sich einig, dass erst 2022 das Niveau von 2019 erreicht wird.

"Schuldenbremse macht keinen Sinn"

Die staatlichen Hilfen für Lockdownopfer vor allem im Einzelhandel und der Gastronomie bewertet Dullien im Großen und Ganzen positiv. Er plädierte aber für eine höhere Fixkostenerstattung im Rahmen der Überbrückungshilfe und ein Gesetz zur Absenkung der Gewerbemieten zugunsten der Händler. Am wichtigsten aber sind dem Gewerkschaftsökonomen die Verstetigung der öffentlichen Investitionen sowie die Überwindung der Schuldenbremse, die angesichts des Zinsniveaus keinen Sinn ergebe.

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DGB und Bundesverband der Industrie fordern ebenso wie das IMK und das den Arbeitgebern nahestehende Institut der Wirtschaft (IW) erhebliche Mehrausgaben der öffentlichen Hand, um „den Investitionsbedarf von rund 450 Milliarden Euro bis 2030 für die anstehende Dekarbonisierung und Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft“ anzugehen. In dem Fall, so meint Dullien, „können notwendige längerfristige Modernisierung und kurzfristige konjunkturelle Belebung Hand in Hand gehen“.

Finanzminister bekommt Geld für Schulden

Die Finanzierung sei kein Problem, da aktuell der Zinssatz für 30-jährige Bundesanleihen minus 0,15 Prozent betrage. Bundesfinanzminister Olaf Scholz bekommt also noch Geld von den Kreditgebern in dieser beispiellosen Niedrigzinsphase, die seit Jahren andauert und deren Ende nicht in Sicht ist. Die bislang von 2026 an vorgesehene Schuldentilgung mit jährlich 17 Milliarden Euro sei „überflüssig“ und sollte „stark gestreckt“ werden. Die Chancen stünden gut, dass die Bundesrepublik aus den Schulden herauswachsen werde, wie das bereits nach der Finanzkrise 2008/09 gelungen sei. Die Schuldenquote habe 2012 knapp 82 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen, rechnete Dullien vor.

Aus den Schulden rausgewachsen

Bis Ende 2019, als der Aufschwung so langsam schwächer wurde, sei die Quote um 21,4 Prozentpunkte gefallen. Davon entfielen 4,9 Prozentpunkte auf die Rückzahlung von Krediten. „Der Rückgang der Schuldenquote war also zu mehr als drei Vierteln Wirtschaftswachstum und Inflation geschuldet, nur ein kleiner Teil war Tilgung. Und das in Jahren, in denen die Wirtschaft im Durchschnitt solide, aber keineswegs besonders dynamisch gewachsen ist", sagte Dullien. Er geht davon aus, dass selbst ohne Tilgung die Schuldenquote in der zweiten Hälfte der 2020er Jahre unter 60 Prozent fällt. Eine Wachstumsrate von einem Prozentpunkt pro Jahr sowie eine Inflation um 1,6 Prozent wären dafür ausreichend.

Vor allem wegen des Kurzarbeitergeldes sei der Arbeitsmarkt in der Pandemie nicht abgestürzt. Doch die Unzulänglichkeit der sozialen Absicherung seien bei Minijobbern und Soloselbstständigen deutlich geworden. Dullien plädierte deshalb dafür, Minijobs verstärkt in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu überführen und darüber nachzudenken, auch für Selbstständige eine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung einzuführen.

Zuwächse im Einzelhandel

Aufgrund der Pandemie hätten die Bundesbürger im vergangenen Jahr 100 Milliarden Euro mehr gespart als im Vorjahr, hat das IMK ermittelt. Wenn die Sparkonten mit dem Frühling leer geräumt würden, wovon Dullien ausgeht, wirke das als Konjunkturprogramm. Bis zum erneuten Lockdown, der im November begann und mit der Schließung des Handels Mitte Dezember verschärft worden war, lief der Konsum gar nicht so schlecht. Nach ersten Erhebungen des Statistischen Bundesamtes stiegen die Erlöse real um 4,1 Prozent – in den ersten elf Monaten. Der für den Handel sehr wichtige Dezember dürfte indes deutlich schwächer ausgefallen sein.

Neben dem Onlinehandel (plus 23 Prozent) gab es Zuwächse vor allem im Lebensmittelbereich; auch Möbel- und Heimwerkermärkte machten gute Geschäfte. Der Textilhandel stürzte dagegen ab. In diesem Segment brach der Umsatz um 21,5 Prozent ein. Allein im November verzeichnete der Verkauf von Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren ein Minus von 20 Prozent. Dann kam der Lockdown.

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