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Keine Freunde: Wolfgang Kubicki und Christian Lindner (links).
© Markus Scholz/dpa

Lindner und Kubicki streiten: Ende des Burgfriedens in der FDP

Vier Jahre zogen sie an einem Strang: Jetzt führen die Ober-Liberalen Lindner und Kubicki einen Streit, der an alte FDP-Zeiten erinnert.

Von Antje Sirleschtov

Vier Jahre Frieden – das hatte Wolfgang Kubicki seinem Vorsitzenden einst versprochen, damit der FDP die Rückkehr aus der Apo in den Bundestag gelingt. Christian Lindner als Boss und er, der Erfahrene, als Stellvertreter und Intimus? Jeder, der Kubicki kennt, ahnt, wie schwer die Rolle des Zweiten dem Liebhaber des derben Wortes und Macher aus dem Norden gefallen sein muss. Aber es hat sich gelohnt: Gemeinsam schaffte das politische Männergespann im September die Rückkehr. Heute führt einer Partei und Fraktion in der Opposition und der andere präsidiert mit an der Spitze des Bundestages.

Doch nachdem die vier Jahre um sind, verblasst der Treueschwur. Erst relativierte Kubicki im Winter das Diktum seines Vorsitzenden vom gescheiterten Jamaika-Regieren und ließ die erstaunte Öffentlichkeit mitten in den Sondierungen von Union und SPD wissen, man könne ja noch mal reden übers Regieren, wenn die Groko nicht zustande käme – was Christian Lindner, der Widerworte in den eigenen Reihen nicht schätzt, umgehend zurückwies.

Es geht auch um den Russland-Kurs

Und jetzt führen die beiden Ober-Liberalen seit Tagen einen veritablen Streit über den Russland-Kurs der Liberalen, der an alte Zeiten innerparteilicher Scharmützel erinnert. Man darf davon ausgehen, dass sowohl Kubicki als auch Lindner sehr wohl wissen, wie schädlich es für die FDP sein kann, wenn an der Parteispitze, kaum dass sie im Bundestag sitzt, gestritten statt gemeinsam gegen schwarz-rote Politik opponiert wird. Und doch scheint keiner der beiden auch nur einen Deut nachgeben zu wollen.

Neueste Wendung: Kubicki kündigt seinem Parteivorsitzenden per Interview mit dem Deutschlandfunk eine „intensive“ Debatte des Parteitages der Liberalen Mitte Mai über den Streitpunkt an. Kubicki will, dass Europa den Russen entgegen kommt, damit die Sprachlosigkeit endet und Schritt für Schritt Sanktionen gegen Moskau abgebaut werden können. Für Lindner dagegen ist alleine die Regierung in Moskau am Zug. Schon Anfang der Woche hatte Kubicki seine Position in einem Interview erläutert und wurde prompt von Lindner als Außenseiter der FDP abgekanzelt. „Bei uns herrscht Meinungsfreiheit auch für Wolfgang Kubicki“, twitterte Lindner und fügte hinzu, dass „die Haltung der FDP aber eine andere“ sei.

Kubicki lobt sich als „vernünftiges Sprachrohr“

Nun – nur vier Tage später – betont der vom Parteivorsitzende Gerügte, er sei mit seiner Auffassung „nicht alleine in der Partei“. Die ostdeutschen Landesverbände hätten sich positioniert, er habe Mitteilungen „aus der gesamten Region der Partei“ und könne „sicher sagen“, dass 62 Prozent der FDP-Anhänger seine Position teilten. Es gab Zeiten, da galt eine solche Ansage als offene Herausforderung des Parteivorsitzenden, als Machtfrage: er oder ich – zumal Kubicki sich auch noch selbst als „vernünftiges Sprachrohr“ seiner Anhänger lobt.

Ist der FDP-Vorsitzende etwa unvernünftig? Auf dem Spiel steht nicht nur der Ruf der FDP als Partei, die fest im westlichen Bündnis steht. Auch Christian Lindner muss seine außenpolitische Verlässlichkeit verteidigen, seit er im Wahlkampf im vergangenen Sommer vom „Einfrieren“ der Krim-Annektion durch Russland sprach und sich plötzlich im Kreis der Putin-Versteher von Linken und AfD wiederfand. Dieser Verdacht klebt noch immer an ihm, weshalb Kubickis hartnäckiges Beharren ihn besonders ärgern dürfte. Wird Lindner seinerseits nun noch mal nachlegen? Der Mann verliert nicht gern, man darf den nächsten Hieb erwarten.

Am 12. Mai findet der Parteitag statt

In der FDP auf jeden Fall versammeln sich schon die Truppen hinter den beiden Protagonisten. Der Fraktionsvorstand, beide Herren stellten ihre Positionen dar, ging ohne Konfliktlösung auseinander, die Fraktion vermied gar eine Debatte. Und für den Parteitag werden intern Wetten angenommen. 80 zu 20 steht’s im Moment, für Lindner. Doch bis zum 12. Mai ist noch Zeit.

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