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Fast wie eine Freundin sollte Cayla sein. Stattdessen verrät sie Geheimnisse und bringt die Menschen um sie herum in Gefahr.
© promo

Gefährliches Spielzeug: Eltern sollen Puppen zerstören

"Cayla" sieht harmlos aus, ist aber ein Spion. Deshalb ist sie jetzt verboten. Eltern sollen die Puppe vernichten, verlangt die Bundesnetzagentur – weil sie Kindern sonst ernsthaft gefährlich werden kann.

Von Maris Hubschmid

„Cayla hat Millionen Dinge zu erzählen! Fantastisch, was sie alles weiß!“, bewirbt Hersteller Genesis seine Puppe. Cayla weiß zu viel – und gehört deshalb zerstört, hat jetzt die Bundesnetzagentur entschieden. Eltern sind seit Freitag dazu aufgerufen, die Plastikpuppe „unschädlich zu machen“, wie es in einer offiziellen Mitteilung heißt. Zwar könnte Cayla mit ihren großen blauen Augen und dem engelsgleichen Haar unschuldiger kaum aussehen. Tatsächlich ist sie aber eine getarnte Abhöranlage, hat der Saarländer Jura-Student Stefan Hessel herausgefunden. Denn Cayla kann Bild- und Tonaufnahmen aus dem Kinderzimmer in die ganze Welt senden.

„Gegenstände, die Kameras oder Mikrophone verstecken und so Daten unbemerkt weiterleiten können, gefährden die Privatsphäre der Menschen“, erklärt der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann. Das gelte „auch und gerade für Kinderspielzeug“. Die Behörde, für die Student Hessel die technischen Fähigkeiten der Puppe analysiert hat, verbietet Cayla deshalb mit sofortiger Wirkung.

Selbst der Besitz ist strafbar

Bereits in den vergangenen Tagen hat die Behörde demnach Händler angeschrieben und aufgefordert, die Puppe aus dem Sortiment zu nehmen. Tatsächlich war das Spielzeug online am Freitag nur noch gebraucht bei Ebay zu finden. Doch auch damit wird wohl schnell Schluss sein: Selbst der Besitz von Cayla ist ab sofort strafbar.

„Was ist Deine Lieblingsfarbe?“ – „Pink“, antwortet Cayla. „Wie heißt die Hauptstadt von Spanien?“ Auch das findet die Blondine problemlos heraus, weil sie mithilfe einer App funktioniert, die Informationen über das Internet abruft. So kann Cayla wunderbar bei den Hausaufgaben helfen. Doch auch auf die Frage, wie Papas neue Geliebte heißt, kann sie Auskunft geben, wenn sie vorher mit der entsprechenden Information gefüttert wurde. Denn die App generiert auch selber Informationen und macht das Spielzeug so zum Spion. Alles, was Kinder den Puppen erzählen, wird an eine US-Firma weitergereicht, die auf Spracherkennung spezialisiert ist und Daten weitergeben darf, wie europäische Verbraucherschützer bereits im vergangenen Herbst monierten. Cayla – die Freundin, die alles weitersagt.

Fremde können über die Puppe zu Kindern sprechen

Noch gefährlicher ist aber, dass sich dem neuen Gutachten zufolge Fremde in das Gespräch einschalten und so Kontakt zu Kindern aufnehmen können – und das durch Hauswände hindurch, wie der Jurastudent erprobt hat. Jedes bluetoothfähige Gerät in Reichweite von etwa zehn Metern könne eine Verbindung zu Cayla aufbauen und Lautsprecher und Mikrofon nutzen. Im harmloseren Fall können Kinder so Opfer illegaler Werbung werden. Schwachstelle ist dabei die Bluetooth-Verbindung, über welche die Puppe mit dem Smartphone verbunden ist, auf das die App geladen wurde. Diese sei „in keiner Weise geschützt“.

Entwickelt hat Cayla die US-amerikanische Firma Genesis, vertrieben wird sie in Deutschland durch deren britische Tochter Vivid, die Cayla treffend als „Funktionspuppe“ anpreist. Insgesamt sollen seit Anfang 2015 mehrere Millionen Exemplare der Puppe verkauft worden sein. Bei Vivid Deutschland war am Freitag niemand für eine Stellungnahme erreichbar. Auf der offiziellen Website des Unternehmens deutet schon nichts mehr darauf hin, dass es Cayla gegeben hat – unter „Marken und Produkte“ wird „My friend Cayla“ nicht einmal mehr aufgeführt. Noch geschaltet ist dagegen Caylas eigener Internetauftritt, der die Vorzüge des Plastikmädchens vorstellt („fast wie eine richtige Freundin“), auf die Frage „Wo kann man Cayla kaufen?“ jedoch keine Antwort mehr weiß.

Otto bot die Puppe an

Erhältlich war das batteriebetriebene Spielzeug in Deutschland unter anderem bei Otto. Allerdings spricht man dort von nur niedrigen Stückzahlen. Zudem habe der Händler Cayla bereits vergangenes Jahr aus dem Sortiment genommen, als erste Kritik an der Puppe laut wurde.

Die Bundesnetzagentur will bei den Händlern zwar keine Kundendaten abfragen, wie sie erklärte, bittet Käufer aber darum, einen „Vernichtungsnachweis“ auszufüllen, der auf der Website der Behörde heruntergeladen werden kann. Ob sie anschließend auch ihr Geld zurückbekommen, hängt im Zweifel vom Anbieter ab: Ein Otto-Sprecher sagte dem Tagesspiegel, man werde Kunden auf Verlangen den Kaufpreis erstatten.

Weit drängender ist aus Sicht vieler Eltern vermutlich aber die Frage, wie sie ihrem Kind erklären sollen, dass Cayla sterben muss. Oder sagen wir: auswandern. In ihre Heimat USA zum Beispiel oder nach China, wo täglich jede Menge vernetztes Spielzeug produziert wird. Das Verbot von Cayla, erklärt die Netzagentur, sei erst der Anfang. Sie hat noch weitere Produkte im Visier. Und die Produkte selbst, wen haben die im Visier?

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