Firma erlaubt kurze Hosen im Büro: Eine Mail an die Mitarbeiter sorgt für Heiterkeit
Wegen der Hitzewelle hat ein Konzern in der Schweiz den männlichen Angestellten das Tragen kurzer Hosen erlaubt - und Bilder mitgeschickt. Die Kollegen waren zunächst irritiert.
Fast 40 Grad im Schatten hin oder her: Mann trägt in der Regel einen Anzug in Zug. Der Schweizer Kanton ist wegen seiner Niedrigsteuerpolitik Heimat besonders vieler international aufgestellter Konzerne. Und wo Mitarbeiter aller Herren Länder in Bürogebäuden zusammenkommen, ziemt es sich vielleicht noch ein wenig mehr als andernorts, auf eigenwillige Modetrends und Trachten zu verzichten – und sich dem international etablierten Business-Dresscode zu unterwerfen.
Nun rauscht dieser Tage diese Hitzewelle von der Sahara über Mitteleuropa hinweg, also auch über den Kanton Zug. Daher verschickte die Geschäftsführung der Niederlassung eines milliardenschweren Pharma-Konzerns vergangenen Donnerstag eine in klassischem Businessenglish verfasste E-Mail an alle Angestellten. Sie enthielt eine spektakuläre Nachricht: „Männer dürfen Shorts tragen.“
Business-Shorts, in etwa knielang
Es begann ein Experiment, das einen kleinen soziologischen Einblick gewährt in die internationale Business-Community. Vielleicht war es gar der Beginn einer modischen Revolution auf Büroetagen auch hierzulande? Die Geschäftsführung versuchte, die Dresscode-Regeln zu lockern, ohne aber Anarchie ausbrechen zu lassen: Sie relativierte ihre Botschaft durch eine ergänzende Illustration mit nackten Männerbeinen. Mann dürfe „Business-Shorts“ tragen, diese hätten aber „in etwa knielang“ zu sein, hieß es im Begleittext. Zudem müssten geschlossene Schuhe dazu getragen werden.
„Die E-Mail hat für große Erheiterung gesorgt, da natürlich niemand so einen Anzug mit kurzen Hosen hat“, schrieb ein Mitarbeiter, der nicht genannt werden will, dem Tagesspiegel. Trotzdem seien am Freitag etwa einer von fünf Männern in kurzen Hosen zur Arbeit erschienen. Die meisten hätten eine schlichte, klassisch geschnittene Shorts getragen. „Das ist bemerkenswert, weil am Freitag vor der Arbeit niemand wissen konnte, ob die Kollegen wirklich mit Shorts kommen würden oder ob man sich lächerlich machen würde als der einzige Mann, der ernsthaft in kurzen Hosen zur Arbeit kommt“, so der Mitarbeiter. Er sei gespannt, ob am Montag noch mehr Herren Bein zeigen.
Polohemden ja, kragenlose T-Shirts nein
Kurze Hosen sind für Männer – auch hierzulande – in der Geschäftswelt eigentlich tabu. Models, die auf den Laufstegen zwischen Paris, Mailand und der am Dienstag beginnenden Berlin Fashion Week kurze Beinkleider in Nadelstreifen präsentieren, bleiben: Models. Wer internationale Geschäftskontakte pflegt, trägt besser lang. Dabei hatte das für Stil und Haltung bekannte britische Militär bereits Anfang des 20. Jahrhunderts auf dem Übersee-Territorium Bermuda, einer feuchtwarmen Inselgruppe im Atlantik, kurze Hosen als Teil der Uniform etabliert: Diese mussten freilich mit festen Schuhen und fast knielangen Strümpfen getragen werden.
Krawatten sind nicht überall ein Muss
Bei der Firma im Kanton Zug hält man sich eigentlich für recht locker, was den Dresscode angeht. Gleichwohl gibt es in dem Unternehmen eine offizielle Direktive, die Vorgesetzte anhält, die Angestellten zum Wäschewechsel nach Hause zu schicken, sollte deren Kleidung „nicht angemessen“ sein. Die Formulierung gilt seit 2009. Einige männliche Kollegen würden im Anzug ohne Krawatte kommen, auch eine „gute Jeans mit Sakko“ sei akzeptiert, berichtet der Mitarbeiter. Polo-Hemden auch noch, aber keine kragenloses T-Shirts.
Dieser Style aus Zug dürfte dem Berliner Code bei international tätigen Firmen mehr entsprechen als dem der Büros in Zürich. Man sehe sich als innovative Firma, „mehr Biotech als Big-Pharma“, schreibt der Mann. „Von daher ist es bei uns absolut verpönt eine Krawatte zu tragen. Die Meinung ist: Wir sind cool, wir brauchen das nicht, Krawatten sind für Berater.“ Wenn die Herren von McKinsey und Co. ins Haus kommen, würden die ohne Krawatte kommen. Ohne Anzug samt hellblauem oder weißem Hemd sehe man die Berater aber nie.
Wie viele Knöpfe öffnen?
Für von Dresscoderegeln drangsalierte Büroangestellte zwischen Frankfurt und Berlin ist ein weiterer Trend aus dem Steuerparadies Zug interessant: Es sei völlig akzeptiert, die obersten zwei Knöpfe aufzumachen. „Das war für mich am Anfang auch neu, ich mache das mittlerweile aber auch häufiger, besonders wenn es warm ist“, sagt der Mann von der Biotech-Firma. Bemerkenswert sei, dass es auch Männer gäbe, die die obersten drei Knöpfe aufmachen. „Probieren Sie mal aus, da hat man schon ein tolles Männer-Dekolleté“, schreibt er weiter.
Shorts und Knopfloch offen? Jeder, wie er will. Auf einen Businessbrauch aber wollen die Dresscode-Revoluzzer nicht verzichten: Das Tragen einer „teuren bis sehr teuren Uhr“, gehöre in der Schweiz einfach dazu.
Kevin P. Hoffmann