Hitze in Berlin: Die Stadt hat Fieber
Die S-Bahn-Elektronik hakt, die Reichstagskuppel wird zur Sauna, der U-Bahnhof zur Kältekammer. Und es bleibt sehr warm.
Die Passagiere auf den Ausflugsdampfern halten wieder Schirme hoch – aber diesmal nicht mehr wie noch vor wenigen Tagen gegen den lästigen Regen. Sondern: Sonne, Sonne, Sonne. Die Stadt stöhnt bei gut 35 Grad im Schatten, auch diese Woche sollen sich die Temperaturen zwischen Mitte 20 und Mitte 30 einpendeln.
Fahrbahnen erweichen und wölben sich vereinzelt, bei der S-Bahn hakt die Elektronik schon mal wegen der Hitze, in den Kliniken werden Kreislaufkollabierte versorgt. Und Berlintouristen hüpfen beim Sightseeing von Schatten zu Schatten – und bleiben ganz lange in Museen mit Klimaanlagen.
Bahnkenner unken ja, die S-Bahn kenne vier Feinde: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Schon Sonntag gegen 11 Uhr twitterte die S-Bahn: „Hitzebedingt finden vereinzelte Zugfahrten nicht statt. Bitte vor Fahrtantritt hier informieren!“ Anders als in Nordrhein-Westfalen und anderen Teilen der Republik verzogen sich in Berlin aber zumindest die Gleise nicht.
Viele Fernzüge hatten Verspätung
Dennoch blieb ein ICE aus Köln im Bahnhof Alexanderplatz vormittags liegen und musste abgeschleppt werden. Ob wegen der Hitze, blieb unklar. Den ganzen Tag über hatten viele Fernzüge teilweise deutliche Verspätungen, als Gründe wurden abwechselnd defekte Weichen, Signale oder Züge genannt.
In der Stadt sucht jeder die Kühle, wie er nur kann. In Kreuzberg pusten Passanten in der neu renovierten, kühlen St.-Bonifatius-Kirche an der Yorckstraße durch, und im Lichtspielhaus nebenan wird geworben mit: „Unsere Kinos sind klimatisiert.“ Im U-Bahnhof Mehringdamm sind in einem Imbiss die Obstsalate aus. Alicia Taveras, 24, Hotelmitarbeiterin, kommt aus der Dominikanischen Republik und ist mit der kolumbianischen Freundin und Medizinstudentin Alejandra Rey unterwegs.
Der Fluss zieht die Menschen magisch an
Die beiden kühlen sich an einer Wasserflasche, genießen das Lüftchen der einfahrenden U-Bahn. „Berlin scheint nicht auf Hitze eingestellt zu sein, es gibt keine Ventilatoren, kaum Klimaanlagen“, sagt Alicia Taveras. „Da ist es bei uns am Strand ja kühler.“ Dabei hat die Stadtentwicklungsverwaltung bereits mit dem Deutschen Wetterdienst ein Anpassungskonzept an die globale Erwärmung erarbeitet.
Einige Tipps: Mehr Bäume für mehr Schatten und überdachte Fußgängerzonen, wenn ab etwa 2050 regelmäßig Sommer mit 40 Grad im Schatten erwartet werden. Bei der Verwaltung sagte ein Experte bereits vor einigen Jahren, „wir müssen uns darauf einstellen, dass es schon im Jahr 2050 in Berlin übers Jahr betrachtet durchschnittlich 2,5 Grad wärmer sein wird als heute“.
Noch ist etwa das Spreeufer eine Kühlzone der Stadt. Ob in der Strandbar am Siemenssteg in Charlottenburg, auf den Uferwiesen der Moabiter Spreebögen, rund um die Caféterrasse des Hauses der Kulturen der Welt, am Treptower Park oder auf der Halbinsel Stralau: Der Fluss zieht die Menschen magisch an. Sie räkeln sich in Liegestühlen, kommen mit Decken und Picknickkörben und besetzen friedlich das grüne Band an der Spree. Manch einer atmet auch in den gekühlten SB-Centern der Banken auf.
Reichstagskuppel wurde geschlossen
„Wie in der Sahara“ fühlten sich hingegen Besucher unter dem Glasgehäuse der Reichstagskuppel bereits am Samstagmittag. Als die Temperaturen 50 Grad Celsius erreichten, schloss die Bundestagsverwaltung gegen 13 Uhr die Zugänge. Einige Besucher hatten bereits Kreislaufprobleme. Sonntagfrüh ab 8 Uhr konnten Gäste wieder den spektakulären Aufstieg genießen, aber nur kurz: Mittags wurde die Kuppel erneut geschlossen.
Damit ist die Konstruktion von Architekt Sir Norman Foster bis einschließlich Freitag dicht; denn vom 6. bis 10. Juli steht eine reguläre Schließung an: für Reinigungs- und Wartungsarbeiten. Das klimatisierte Restaurant auf dem Dach bleibt geöffnet.
Kaputte Autobahnen
In Brandenburg gingen sogar Autobahnen kaputt durch die Hitze: So war laut Polizei die A2 Richtung Magdeburg zwischen Netzen und Brandenburg betroffen: „Gefahr durch Absenkung der Fahrbahn, wegen Hitze, rechter Fahrstreifen nicht befahrbar“ meldete der Verkehrswarndienst bereits um 10.33 Uhr. Gefährlich sind diese aufgeplatzten Straßendecken aus Beton vor allem für Motorradfahrer. In Berlin gab es das laut Polizei noch nicht.
Und noch eine Wetterwarnung gab es: Laut der Barnimer Polizei räumen Diebe gern geparkte Autos an Badeseen aus.