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Im Herbst 2014 feierten Hans Wall (mit Tochter) und Daniel Wall (mit Ehefrau) sowie Klaus Wowereit das 30. Firmenjubiläum in Berlin.
© Eva Oertwig/SCHROEWIG

Daniel Wall zieht sich zurück: Eine Berliner Marke wird komplett französisch

Nach Firmengründer Hans Wall verlässt auch dessen Sohn Daniel das Unternehmen – am Ende des besten Jahres in der Firmengeschichte.

Das war’s dann. Nach 31 Jahren verlässt Daniel Wall die Firma, die seinen Namen trägt und die sein Vater Hans schon vor einigen Jahren an den großen Konkurrenten JCDecaux verkauft hatte. Der Vorstandschef verlor zunehmend an Bedeutung, weil die wirklich wichtigen Entscheidungen nicht mehr in der Wall-Zentrale an der Friedrichstraße fallen, sondern in Paris. „Wir waren immer das gallische Dorf im Konzern“, sagt Daniel Wall über das Leben mit dem Milliardenkonzern JCDecaux. Seit 2007 hat er den Wall-Vorstand geführt, und eigentlich wollte er den Job bis 2018 machen – in dem Jahr werden die wichtigsten Werbeverträge mit dem Land Berlin neu verhandelt. Es kam anders. „Die Arbeit in diesem Unternehmen war immer ein großes Vergnügen“, blickt Daniel Wall zurück. Das gilt indes nicht für die Zusammenarbeit mit seinem Vater Hans. Heute ist Funkstille zwischen den beiden.

500 Mitarbeiter in Berlin und Brandenburg

Der Schlosser Hans Wall gründete 1976 im badischen Ettlingen eine Firma für Stadtmöbel und Werbeträger im öffentlichen Raum. Das Unternehmen bekam einen gewaltigen Schub, als Wall Mitte der 1980er Jahre die Ausschreibung für die Außenwerbung in Berlin gewann und an die Spree umzog. Heute beschäftigt Wall rund 500 Mitarbeiter in Berlin und Brandenburg, davon 270 in der Fabrik in Velten, wo unter anderem die Toilettenhäuschen und Wartehallen produziert werden. „Wir sind super erfolgreich“, freut sich Daniel Wall. „Inzwischen sind wir komplett schuldenfrei und werden 2015 das beste Ergebnis unserer Geschichte erzielen.“

Die Eintracht, die Vater und Sohn 2006 (oben rechts) demonstrierten, hielt nicht lange.
Die Eintracht, die Vater und Sohn 2006 (oben rechts) demonstrierten, hielt nicht lange.
© picture-alliance/ dpa

Außenwerbung ist ein lukratives Geschäft, wie eine kleine Episode aus dem Jahr 2006 zeigt. Die Berliner Verkehrsbetriebe wollen ihre Werbetochter VVR Berek verkaufen. Der Platzhirsch Wall verliert die Ausschreibung gegen JCDecaux, weil die Franzosen einen Mondpreis zahlen: 103 Millionen Euro für eine Firma mit 27 Millionen Umsatz und einem Jahresgewinn von sieben Millionen. Der alte Wall tobt und droht mit dem Umzug nach Hamburg. Sohn Daniel, bei Weitem nicht so impulsiv wie der Vater, fädelt dann später einen Deal mit JCDecaux ein: Die Franzosen übernehmen die Auslandsaktivitäten von Wall, der es unter anderem nach Boston und St. Petersburg gebracht hat, und dafür bekommt Wall die VVR Berek. Wenige Jahre später, mitten in der Finanzkrise, braucht Hans Wall Geld, unter anderem für eine Scheidung. Für schätzungsweise 80 Millionen Euro verkauft er seine Firma an JCDecaux. Sohn Daniel aber behält seine 9,9 Prozent. Bis jetzt. Anfang kommenden Jahres verkauft auch er an den französischen Partner. Bei der Wall AG erinnert dann nur noch der Name an den Firmengründer und seinen Haupterben.

Hans Wall verkaufte die Firmenanteile ohne Rücksprache

„Das, was wir erreicht haben, ist sensationell“, sagt Daniel Wall. Er war sauer auf seinen Vater, weil der damals zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt und ohne Rücksprache seine Anteile verkaufte. Eben aus dem Bauch heraus, typisch Hans Wall. Das Verhältnis kühlte ab, doch der Alte ließ sich immerhin blicken, als im Herbst 2014 im Martin-Gropius-Bau die Firma ihren 30. Geburtstag in Berlin feierte. Natürlich mit Klaus Wowereit und Michael Müller – enge Beziehungen zur Politik gehören zum Geschäft. Doch kurz nach der Party gab es vom Vater eine „Klatsche“, wie Daniel sagt, als der nämlich bekannte, die rechtslastige AfD zu unterstützen und sich der Junior daraufhin veranlasst sah, sich vom Engagement des störrischen Alten zu distanzieren. Und doch bleibt „Respekt vor dem Mut, sich als Mittelständler auf die Auslandsmärkte zu wagen“, wie Daniel sagt. „Das hat dazu beigetragen, dass wir fit geblieben sind.“ Er selbst im Übrigen auch, der Vater schickte ihn für ein Jahr nach Boston.

Daniel und Hans Wall zusammen mit dem neuen Firmenbesitzer Jean Francois Decaux.
Daniel und Hans Wall zusammen mit dem neuen Firmenbesitzer Jean Francois Decaux.
© Dirk Laessig

Nun übergibt der Junior das Unternehmen komplett und „in einem tadellosen Zustand“ an die Franzosen, deren genaue Pläne mit Wall im nächsten Frühjahr bekannt gegeben werden sollen. „Der Hauptsitz bleibt definitiv in Berlin“, sagt Daniel Wall. Und die Mitarbeiter müssten sich keine Sorgen machen, auch nicht in Velten. „Die Franzosen haben den Stellenwert unserer Fertigung erkannt.“ Die Geschäfte laufen bestens, denn Außenwerbung ist das Medium mit der größten Reichweite in Metropolen. Und überhaupt gibt es nur zwei Bereiche im Werbegeschäft, die wachsen: Online und Außenwerbung. Auch deshalb, weil die Digitalisierung zielgenauere Werbung im Stadtbild ermöglicht.

Daniel Wall bleibt an der Spree

Im kommenden Jahr wird Daniel Wall 50 Jahre alt – zu jung für die Rente oder das Ferienhäuschen auf Ibiza. Er bleibt an der Spree. „Wall und Berlin – das war immer eine besondere Partnerschaft.“ Was er genau machen wird, will er nicht verraten. Nur so viel: „Gemeinsam mit meiner Frau möchte ich unternehmerisch noch etwas bewegen.“ Vom Vorstandsvorsitzenden an der Friedrichstraße zum Start-up-Chef in einem Büro in Charlottenburg. „Wir sind erst mal zu zweit und haben Lust und Energie und wollen etwas bewegen.“ Womöglich läuft ihm dort gelegentlich der Vater über den Weg, der sich ab und zu im Büro des Vereins „Denk mal“ an der Kantstraße aufhält. Und trotz der gegenwärtigen Sprachlosigkeit weiß der Junge sehr wohl, was er dem Alten zu verdanken hat. „Seine Ideen und seine Energie waren beeindruckend.“

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