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Ein Traktor verschwindet bei der Aussaat von Winterraps in einer Staubwolke.
© imago images

Immer noch zu wenig Regen in Deutschland: Ein Teil der Ernte ist schon verloren

Trotz des Regens der letzten Tage droht wieder ein Dürrejahr. Was bedeutet das für die Bauern, die Wälder und die Landwirtschaft?

Wer derzeit in der Natur unterwegs ist, kann es mit eigenen Augen sehen: Die Böden sind noch immer bedenklich trocken, selbst der Niederschlag der letzten Tage und Wochen konnte dies kaum ändern. Zu wenig Regen fiel in Deutschland in den vergangenen Monaten. 

Längst sorgen sich Landwirte um ihre Erträge, Holzindustrie und Forstwirtschaft um den Zustand der Wälder, Experten warnten bereits vor dem dritten Dürrejahr infolge. Der „riesige Stresstest“, von dem Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) zuletzt mit Blick auf die Situation in den deutschen Wäldern sprach, könnte weitaus mehr Bereiche betreffen und die Coronakrise lange überdauern.

Noch vor wenigen Wochen fühlte sich der Deutsche Wetterdienst (DWD) „erinnert an den Dürresommer 2018“. Da reichte ein Blick auf die Niederschläge im April: Die Regenmenge lag weit unter dem Durchschnitt. Lediglich 17 Millimeter Niederschlag hatte es in Deutschland durchschnittlich im ganzen Monat gegeben – 71 Millimeter weniger als im langjährigen Mittel.

Durch die trockene Witterung und die hohe Verdunstung seien die ersten Dezimeter des Bodens stark ausgetrocknet worden. „Kritisch ist das vor allem für frisch gekeimte Pflanzen und Jungpflanzen, deren Wurzeln auf die Wasservorräte in den oberen Dezimetern angewiesen sind“, teilte der DWD dem Tagesspiegel mit. 

Auch im Mai zu wenige Niederschläge

Doch sagen die Wetterexperten auch: „Durch die Niederschläge im Winter, vor allem im Februar wurden in vielen Regionen die Bodenwasservorräte aufgefüllt.“ Lediglich in einem Gebiet vom Thüringer Becken über das südliche Sachsen-Anhalt bis zur Lausitz hätten sich die tieferen Bodenschichten im Winter nicht vollständig mit Feuchtigkeit gefüllt.

Doch auch im Mai blieben die Niederschläge bislang unter dem langjährigen Mittel. Durchschnittlich waren es bis zum 24. Mai 38,8 Millimeter Regen – im gesamten Monat sind es sonst 71 Millimeter.

Für eine Prognose zum Jahr 2020 ist es dennoch zu früh. Eine solche Einschätzung kann von Experten erst dann vorgenommen werden, wenn der Zeitraum fast vorbei ist. Ein weiteres Dürrejahr ist aber nicht auszuschließen: „Sollte sich das Niederschlagsdefizit über die nächsten Monate weiter aufbauen und die Perioden mit trockenem Boden in für die Pflanzen kritische Zeiträume fallen, dann kann man auch schon vorher einen Hinweis darauf geben, dass es gegebenenfalls für die Landwirtschaft ein ähnlich kritisches Jahr wie 2018 geben wird“, sagte zuletzt der DWD.

Die Temperaturen steigen

Neun von zehn der heißesten Jahre in Deutschland lagen innerhalb der letzten 20 Jahre. Die Temperaturen stiegen seit 1881 hierzulande bereits um 1,6 Grad Celsius – deutlich über dem weltweiten Mittelwert von knapp einem Grad. Die Zahlen passen für Munich Re auch zu der aktuellen Situation: „Die bisherige Trockenheit in Deutschland und Teilen Mitteleuropas fügt sich in den Trend der letzten Jahre“, sagt Ernst Rauch, Chef-Klimatologe des Münchener Rückversicherungsunternehmens, dem Tagesspiegel im April.

Extreme Hitzewellen brachten nicht nur in Deutschland, sondern auch in Nachbarländern wie Frankreich in den vergangenen Jahren Temperaturrekorde zu Fall. „Diese besonders für die Land- und Forstwirtschaft schwierige Entwicklung passt auch in das längerfristige Bild des Klimawandels und wird sich nach den Modellen der Klimawissenschaft längerfristig vor allem in den Sommermonaten verschärfen“, so Rauch weiter.

Trockene Rinde und Kiefernnadeln liegen auf dem Boden in einem Kiefernwald bei Eberswalde.
Trockene Rinde und Kiefernnadeln liegen auf dem Boden in einem Kiefernwald bei Eberswalde.
© dpa/ Monika Skolimowska

Die Trockenheit bringt auch andere extreme Ausschläge mit sich: „Mit dem Klimawandel dürften Wetterextreme wie solche trockenen Phasen aber auch das Gegenextrem – Starkniederschläge – künftig noch heftiger und auch häufiger auftreten“, sagt auch Tobias Fuchs, DWD-Vorstand für Klima und Umwelt. Die Gefahr für die Landwirtschaft sei, dass sich Trockentage in der Vegetationsperiode zu längeren Trocken- und Dürrephasen zusammenfügen – mit negativen Auswirkungen auf das Wachstum und die Ernte vieler Pflanzen.

Drastische Folgen drohen auch in Ortschaften: Die Dürre, wie wir sie 2018 und 2019 erlebten, sowie die schweren Schäden aus Gewittern und Sturzfluten wie im bayerischen Simbach und in Braunsbach in Baden-Württemberg 2016 zeigten, dass man sich auf relevante Naturgefahren mit hohen Schadenspotentialen vorbereiten müsse, so Rauch.

Bauern fürchten Ernteausfälle

Vor allem Ostdeutschland leidet unter der Trockenheit. Die sandigen oder tonigen Böden können Feuchtigkeit besonders schlecht speichern und trocknen daher schnell aus. Schon jetzt gibt es es im Osten erste irreparable Schäden beim Raps, warnt Bauernpräsident Joachim Rukwied

Ein länger anhaltender, ergiebiger Landregen könne das Problem noch lösen und Mais, Zuckerrüben, Gemüse und Obst retten. Dazu seien aber mindestens 20 bis 30 Liter pro Quadratmeter nötig. In vielen Regionen sind aber seit Mitte März nur zehn Liter gefallen. „Normal wären 50 Liter“, sagt Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU). Auch ihr macht die Dürre Sorgen.

Bereits die vergangenen Sommer waren viel zu trocken

Der Landwirtschaft steht der dritte schwierige Sommer in Folge bevor. Denn nicht nur 2018 war katastrophal, auch 2019 hatte es Hitzewellen mit Temperaturrekorden und lange Phasen der Trockenheit gegeben, allerdings waren Staatshilfen vor einem Jahr nicht nötig. 2018 hatten Bund und Länder dagegen Betriebe, die in ihrer Existenz gefährdet waren, mit Steuergeldern in Höhe von 340 Millionen Euro unterstützt.

Damals waren vor allem der Osten und der Norden Deutschlands betroffen, Mais war auf den Feldern verdorrt, Getreide vertrocknet. Besonders schlimm hatte es die Viehhalter getroffen, die kein frisches Gras für ihre Tiere mähen konnten und schon im Sommer ihre Wintervorräte anbrechen mussten.

Die Politik muss helfen

„Ein weiteres Dürrejahr würde viele Betriebe sehr hart treffen“, warnte Agrarministerin Klöckner kürzlich in einer Videobotschaft. Die Bundesregierung nehme die Sorgen der Land- und Forstwirte vor dem Dürrejahr 2020 „sehr ernst“, man beobachte die Entwicklung „sehr intensiv“, sagte die Ministerin. Einige Hilfen gibt es bereits: So wurde die Versicherungsteuer für Dürreversicherungen von 19 auf 0,03 Prozent der Versicherungssumme gesenkt.

Zudem hat Klöckner eine Gewinnglättung bei der Steuer durchgesetzt. Die Besteuerung der land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte erfolgt nun auf Grundlage des durchschnittlichen Gewinns aus einem Dreijahreszeitraum, um gute und schlechte Jahre auszugleichen. Dem Bauernverband reicht das aber nicht. Er plädiert für steuerfreie Risikoausgleichsrücklagen: Gewinne aus guten Jahren sollen steuerfrei für schlechte Jahre geparkt werden können.

Opposition kritisiert Klöckners Vorgehen

„Julia Klöckner hat es bislang verpasst, Konzepte und Maßnahmen vorzulegen“, kritisiert Friedrich Ostendorff, der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Ostendorff fordert mehr Mittel für die Forschung und die Anpassung an sich verändernde Klimabedingungen, etwa durch vielfältige Fruchtfolgen, Humusaufbau und die Stärkung bäuerlicher Betriebe.

Das Agrarministerium verweist jedoch darauf, dass seit 2015 über verschiedene Förderprogramme 67 Forschungsprojekte mit einer Gesamtsumme von 54 Millionen Euro unterstützt worden sind. Die FDP-Bundestagsfraktion warnt davor, Transferzahlungen als „Allheilmittel für klimatisch bedingte Veränderungen in der Landwirtschaft“ zu sehen und fordert ebenfalls mehr Geld in die Forschung zu investieren.

Wälder müssen widerstandsfähiger werden – dafür werden sie umgebaut

Anhaltende Trockenheit und massiver Schädlingsbefall machten den Wäldern in diesem Frühjahr schwer zu schaffen. Schuld daran hat auch der milde Winter, immerhin der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. So ist das Überleben von Baumschädlingen wie dem Borkenkäfer begünstigt worden, sagt auch Ministerin Klöckner. „Frühjahrspflanzungen vertrocknen, Schädlinge, Krankheiten und Waldbrände zerstören unsere Wälder“, warnt Hans-Georg von der Marwitz, Präsident des Verbands der Waldeigentümer AGDW.

„Der Klimawandel macht nicht Halt: Wir befürchten ein drittes Dürrejahr und erneut den Verlust ganzer Waldflächen.“ Aus allen Bundesländern berichtete der Verband zuletzt von einer dramatischen Lage. Man sehe dringenden Handlungsbedarf etwa bei der Verbesserung der Liquidität, um die Forstbetriebe und kleinere Waldbesitzer mit Mitteln für auszustatten – auch für den Waldumbau.

Viele Waldbrände

Immer wieder hat es in den vergangenen Jahren in deutschen Wäldern stark gebrannt. Auch in diesem Jahr bestand bereits erhöhte Waldbrandgefahr. „Allein in 2018 haben wir durch Brände eine Waldfläche verloren, die rund 3300 Fußballfeldern entspricht“, heißt es aus dem Umweltministerium und dem BMEL.

Nun planen die Ministerien einen Waldumbau, um ihm die Wälder gegen Brände und die nicht vermeidbaren Anteile des Klimawandels widerstandsfähiger zu machen. Misch- und Laubwälder gelten etwa als anpassungsfähiger an Extremwetter als reine Nadelholzwälder. 

Im vergangenen Jahr war es die Wälder so schlecht bestellt, dass Bund und Länder bei einem nationalen Waldgipfel ein großangelegtes Hilfs- und Rettungsprogramm von fast einer Milliarde Euro auflegten. Das Geld soll über vier Jahre bereitgestellt werden, um zerstörte Flächen wieder aufzuforsten, Waldbesitzer zu unterstützen und Umbauprogramme zu finanzieren. Sie werden dringend gebraucht, wie ein Blick in das Jahr 2018 zeigt: Da brannte es im Bundesgebiet über 1700 Mal.

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