Elektromobilität: Ein Stecker für alle E-Autos
Das EU-Parlament billigt die Festlegung auf einen Stecker aus Deutschland für alle Elektroautos in Europa. Ein festes Ausbauziel für Ladesäulen bis 2020 wird verworfen.
Vor mehr als drei Jahren fuhren ein paar Männer aus dem Sauerland nach Brüssel, um an einem Bobbycar zu demonstrieren, wie einfach der Stromanschluss für ein Elektroauto funktionieren könnte. Die Vertreter der Firma Mennekes aus Kirchhundem bei Winterberg präsentierten dem Energiekommissar Günther Oettinger die Vorzüge ihres Steckers, mit dem das E-Fahrzeug nicht nur „betankt“ werden, sondern über eine Datenleitung auch kommunizieren kann. Doch es dauerte, bis die Brüsseler Behörde überzeugt war und im Januar 2013 einen Gesetzesvorschlag vorlegte. Der Mennekes-Stecker – und nicht das italienisch-französische Konkurrenzprodukt – sollte zum europäischen Standard werden. Jetzt, drei Jahre später, ist es auch so gekommen.
Mit großer Mehrheit hat das EU-Parlament am Dienstag ein Gesetzespaket zu alternativen Antriebssystemen und der entsprechenden Infrastruktur verabschiedet. Die Festlegung auf den Stecker ist zwar nur ein Teil, aber wohl der wichtigste. „Viele Menschen haben sich bisher auch deswegen kein Elektroauto gekauft, weil sie Angst hatten, es nicht geladen zu bekommen“, sagte die FDP-Europaabgeordnete Gesine Meissner: Mit der neuen Infrastruktur und dem einheitlichen Stecker sei nun klar, dass es auch länderübergreifend keine Probleme mit dem Laden mehr geben werde. Spätestens in drei Jahren müssen nun alle Ladestationen mit einheitlichen Steckdosen ausgestattet sein.
Entsprechend freut sich auch die deutsche Autoindustrie, die lange für das Mennekes-Modell geworben hatte. „Diese Entscheidung schafft endlich klare Verhältnisse“, sagte VDA-Chef Matthias Wissmann. Nun hätten „Kunden und Hersteller Planungssicherheit“, was der Markteinführung der E-Autos einen „zusätzlichen Schub“ gebe. Dass die Geschäfte anziehen, merkt Mennekes-Geschäftsführer Volker Lazzaro schon länger – seit die EU-Kommission sich für ihren Typ-2-Stecker entschieden und dies auch dem EU-Parlament empfohlen hat: „Seit einem guten Jahr gibt es jetzt Investitionssicherheit.“ Die „blöde Blockade“ der französischen Regierung, die sich für das Produkt der Konkurrenz eingesetzt hatte, sei überwunden.
Elektroautos sollen künftig als Stromspeicher dienen
Ein Grund für die Entscheidung zugunsten des deutschen Steckers waren seine technischen Entwicklungsmöglichkeiten. Mittelfristig nämlich soll „die Elektromobilität Partner der Erneuerbaren Energien werden“, wie es der CDU- Europaabgeordnete Peter Liese formulierte. Geplant ist, dass die Batterien parkender E-Autos als Stromspeicher dienen können, wenn etwa nachts mehr Windenergie produziert als verbraucht wird.
Rundum zufrieden ist die Industrie mit dem Straßburger Beschluss aber nicht. Ursprünglich hatte die EU-Kommission auch eine Zahl von Ladestationen verbindlich vorschreiben wollen – beispielsweise sollten in Deutschland bis zum Jahr 2020 insgesamt 150 000 Stück installiert sein. So konkret wollten die Mitgliedstaaten sich das angesichts der noch immer unklaren Entwicklung im Bereich der Elektromobilität jedoch nicht sagen lassen. „Leider konnten wir sie davon nicht überzeugen“, bedauerte der EU-Verkehrskommissar Siim Kallas.
Nun müssen die Regierungen bis 2016 lediglich nationale Aktionspläne zum Ausbau der Infrastruktur vorlegen und sicherstellen, dass 2020 zumindest alle Großstadtregionen voll mit den einheitlichen Ladesäulen erschlossen sind. Erst fünf Jahre später muss es dann auf dem Land so weit sein: „Die deutsche Autoindustrie bedauert dies“, so Wissmann.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßte hingegen, dass die EU von einer starren Zielvorgabe für die Zahl der Ladesäulen abgerückt sei. Ende 2013 gab es laut BDEW in Deutschland 4454 öffentlich zugängliche Ladepunkte. Seit Dezember 2012 seien damit über 600 Ladepunkte hinzugekommen. Der Zuwachs verlangsame sich aber, in anderen Ländern gehe der Aufbau schneller. „Wir brauchen jetzt auch in Deutschland für den effizienten und bedarfsgerechten Aufbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur ein schlüssiges Finanzierungskonzept“, sagte BDEW-Geschäftsführerin Hildegard Müller. „Es wird deutlich: Allein kann die Energiebranche den Aufbau der Infrastruktur nicht mehr schultern.“
Christopher Ziedler