Wo die Jägermentalität bleibt: Ein Jahr Christian Sewing als Deutsche-Bank-Chef
Seit einem Jahr ist Christian Sewing Chef der Deutschen Bank – was sich seither gebessert hat und was nicht.
Dass er nur ein Jahr nach seinem Amtsantritt mitten in Fusionsverhandlungen mit der Commerzbank stecken würde, hätte sich Christian Sewing nicht vorgestellt. Aus wirklicher Überzeugung hat der 48-jährige Vorstandschef der Deutschen Bank die Gespräche mit seinem Gegenüber Martin Zielke nicht aufgenommen, gedrängt eher von Aufsichtsratschef Paul Achleitner, Bundesfinanzminister Olaf Scholz und dessen Staatssekretär – Ex-Goldman-Sachs-Banker – Jörg Kukies. Sewing selbst bewertet das Vorhaben reserviert, wie er nach der offiziellen Bestätigung der Gespräche vor drei Wochen in einem Brief an die Beschäftigten der Bank erkennen und vor zehn Tagen in der Sitzung des Aufsichtsrats wohl durchblicken ließ. Plan A, so war zu hören, sei für ihn weiter die Alleinstellung der Bank. Erst dann komme Plan B mit der Commerzbank ins Spiel. Möglicherweise gibt es schon am Wochenende mehr Klarheit. Dem Vernehmen nach drückt die Commerzbank aufs Tempo.
Die Bank müsse die sich bietende Gelegenheit prüfen, auch die Frage, ob man die Konsolidierung der Branche in Deutschland und Europa mitgestalten wolle, sagt Sewing. Man werde aber nur wirtschaftlich sinnvolle Optionen verfolgen. Ob dazu der Zusammenschluss – wohl eher die Übernahme – der Commerzbank gehört, ist bislang unklar. Aus einer wirklichen Position der Stärke heraus agiert die Deutsche Bank jedenfalls nicht, auch wenn Sewing sie natürlich auf dem richtigen Weg sieht. Man sei 2018 weit vorangekommen. Zu „Jägermentalität“ hatte Sewing die Beschäftigten direkt nach seinem Amtsantritt aufgerufen. Viele Beobachter zeigten sich über den Begriff verwundert. Nach einem Jahr gilt die Bilanz Sewings als eher gemischt. Die Deutsche Bank steckt weiter mitten im Umbau. Sie hinkt international immer noch weit hinterher.
Die Vorschusslorbeeren für Sewing, der vor einem Jahr den glücklosen John Cryan abgelöst hat, waren durchaus beträchtlich. Bei Aufsichtsratschef Achleitner, aber auch bei der Bankenaufsicht BaFin. Auch die Beschäftigten schienen überzeugt, weil endlich ein Deutscher und vor allem jemand an der Spitze steht, der sein ganzes Berufsleben bei der Bank im In- und Ausland verbracht hat.
Der gelernte Bankkaufmann und Vater von vier Kindern, der eigentlich Sportjournalist werden wollte, ging dann schon mit 19 Jahren zur Deutschen Bank in die Filiale in Bielefeld. Nur zwischen 2005 und 2007 ist er der Deutschen Bank untreu gewesen, saß in dieser Zeit im Vorstand der Deutschen Genossenschafts-Hypothekenbank. Sonst gab es für ihn nur die Deutsche Bank – mit Führungspositionen in Frankfurt, Singapur, Toronto, Tokio und London. Anfang 2015 zog der schlanke Brillenträger in den Vorstand ein, zunächst für den Bereich Recht, von Juni 2015 bis zum Wechsel an die Spitze führte er die Sparte für Privat- und Geschäftskunden, wo der Abbau von 200 Filialen und rund 4000 Stellen zu seiner Hauptaufgabe gehörte.
Die Bezüge des Vorstandes sind um rund 90 Prozent gestiegen
Sewing gilt als Macher und Pragmatiker. Emotionen zeigt der gebürtige Westfale selten. Allüren werden ihm nicht nachgesagt. Er sei bescheiden, heißt es über den Hobby-Tennisspieler. Dazu passt weniger, dass die Bezüge des Vorstandes im vergangenen Jahr um rund 90 Prozent gestiegen sind. Dass erstmals seit 2014 wieder ein bescheidener Gewinn von 341 Millionen Euro verbucht wurde, bei einer Rendite von nur 0,4 Prozent, kann das schwerlich begründen. Zumal auch der ohnehin schon maue Aktienkurs seit Sewings Amtsantritt von rund 11,50 weiter auf aktuell knapp 7,50 Euro abgesackt ist.
Beim notwendigen Sparen kommt die Bank trotz eines massiven Personalabbaus nur langsam voran. Zugleich sollen die eigentlichen Geschäfte auch im ersten Quartal nicht rund gelaufen sein. Zwar sind die größten Rechtsfälle durch Vergleiche und Strafzahlungen gelöst. Aber völlig offen ist, welche Konsequenzen die Deutsche Bank aus diversen Geldwäscheskandalen zu tragen hat.
Bis spätestens Ostern will Sewing Klarheit darüber haben, ob es mit der Commerzbank klappt oder nicht. Das wäre wichtig, weil Sewing bei einer Fusion wohl auch den Rückhalt der Aktionäre bräuchte. Und die treffen sich zur Hauptversammlung am 23. Mai. Er wird sich heftige Kritik anhören müssen.