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Leere Klassen. An Berliner Schulen war teilweise schon vor den Osterferien wenig los – die Lehrer streikten mehrfach.
© picture alliance / dpa

Tarifabschluss im öffentlichen Dienst: Ein bisschen Frieden - außer in den Klassenzimmern

Im öffentlichen Dienst gibt es einen Tarifabschluss, und die angestellten Lehrer sind damit nicht zufrieden. Über Ostern ist Ruhe - doch dann drohen neue Streiks.

Das Streikrecht abkaufen – das klingt hart. Zwischen die vielen zufriedenen Stimmen über den Kompromiss in den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder mischte sich am Sonntag auch Verbitterung. Mit 30 Euro Zulage für einzelne Lehrergruppen hätten die Bundesländer den rund 200.000 angestellten Lehrern ihr Recht zu streiken „abkaufen“ wollen, kritisierte Andreas Gehrke, Verhandlungsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Daraufhin habe er das Arbeitgeberangebot eines Tarifvertrags für die angestellten Lehrkräfte zurückgewiesen.

Die Bitterkeit der Lehrergewerkschaft erklärt sich wohl aus der Erfolglosigkeit der Tarifverhandlungen der vergangenen Jahre. Bereits zum dritten Mal nämlich scheiterten die Vertreter der angestellten Pädagogen mit ihrer Forderung, deren Einkommen an die der verbeamteten Kollegen anzugleichen.

Verdi: Der Abschluss ist akzeptabel

Dennoch: Wie die übrigen rund 600.000 Beschäftigten in 15 Bundesländern – Hessen als 16. gehört der Tarifgemeinschaft der deutschen Länder (TdL) nicht an – erhalten auch Lehrer und Erzieher rückwirkend zum 1. März 2,1 Prozent mehr Gehalt. Zum selben Stichtag im kommenden Jahr steigen die Gehälter noch einmal um 2,3 Prozent, mindestens aber um 75 Euro. Die Vereinbarungen, die die Gewerkschaften Verdi und GEW mit der TdL bis zum späten Samstagabend in Potsdam aushandelten, sollen für zwei Jahre gelten.

Für Verdi-Chef Frank Bsirske ist das Ergebnis „unterm Strich akzeptabel“. Dass die ursprüngliche Forderung nach 5,5 Prozent mehr Geld erfüllt werden würde, hätte dem Kompromissprinzip von Tarifverhandlungen ohnehin widersprochen. In der Summe entspricht der Tarifabschluss einer Anhebung um 4,61 Prozent.

Betriebsrente ist Ländern zu teuer

Als besonderen Erfolg stellte Verdi heraus, dass die Altersvorsorge stabil bleibt. Den Ländern war nämlich die betriebliche Vorsorge in der jetzigen Form zu teuer – die Lebenserwartung steigt, die Zinsen sinken. Eine Kürzung um 20 Prozent hatte im Raum gestanden. Allerdings müssen die Beschäftigten künftig Zusatzbeiträge zahlen. Im Westen werden in diesem Jahr 0,2 Prozentpunkte fällig, in den kommenden beiden Jahren je 0,3 und 0,4. Im Osten sind es jeweils 0,75 Prozentpunkte – dafür wird aber das Weihnachtsgeld angehoben. Die Arbeitgeber beteiligen sich jeweils im gleichen Umfang.

Die Zusatzbeiträge verlangten den Beschäftigten viel ab, räumte TdL-Verhandlungsführer Jens Bullerjahn (SPD) ein. Anders lasse sich die Altersvorsorge aber nicht zukunftssicher machen, betonte der Finanzminister von Sachsen-Anhalt. Die Bundesregierung will die betriebliche Altersvorsorge stärken und ausbauen.

Mit dem Gesamtpaket zeigte sich Bullerjahn, der in den drei vorhergehenden Tarifrunden kein Angebot der Arbeitgeber vorgelegt hatte, grundsätzlich zufrieden. Die mit der Schuldenbremse konfrontierten Länder kostet der Abschluss in diesem Jahr überschaubare 650 Millionen Euro und im kommenden Jahr 1,5 Milliarden Euro. Das abgelaufene Jahr hatten die Länder zwar insgesamt mit einem Überschuss von 1,9 Milliarden Euro abgeschlossen. Bei einem Schuldenstand von 622 Milliarden Euro ist das aber kein Signal zum großen Geldausgeben.

Berliner Lehrer bald wieder auf der Straße?

Der Beamtenbund dbb fordert nun, dass das Ergebnis schnell auf die rund 1,2 Millionen Landesbeamten übertragen wird. Das würde dann die Länderkassen wesentlich stärker belasten. Bayern und Hamburg kündigten aber an, den Abschluss für ihre Beamten zu übernehmen. Vom Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) gab es am Sonntag auf diese Frage noch keine konkrete Antwort. Man müsse das Ergebnis erst beraten, sagte eine Sprecherin.

Eine Antwort wird sich der Berliner Senat wohl auch für seine angestellten Lehrer überlegen müssen. Es sei zwar erfreulich, dass es Verbesserung bei den Gehältern gebe, sagte der Berliner GEW-Sprecher Tom Erdmann. Doch an der Basis ist der Unmut über die Verhandlungen in Potsdam und auch über die Verhandlungsführung der GEW offenbar groß. Für dieses Ergebnis sei er nicht auf die Straße gegangen, sagte ein angestellter Lehrer. Erdmann will solche Stimmen nicht kommentieren. Nach Ende der Osterferien – also Mitte April – werde die Tarifkommission über den Abschluss beraten, bevor dann die Basis befragt werde, sagte er. Findet der Kompromiss von Potsdam keine Zustimmung, werden sich Berliner Schüler und Eltern wohl für weitere Streiks rüsten. Deren potenzielle Wucht wächst: Im neuen Schuljahr werden erstmals mehr als die Hälfte der 28.000 Berliner Lehrer ohne Beamtenstatus sein. Und Angestellte dürfen streiken.

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