Öffentlicher Dienst: Warnstreiks an Schulen und Ämtern
In vielen Ämtern, Kitas und Schulen ruht am Donnerstag die Arbeit. Der öffentliche Dienst tritt erneut in den Warnstreik. Besonders für Schüler in der Abi-Prüfung wird das zum Problem.
Abi-Stress sieht eigentlich anders aus: Weil die angestellten Lehrer streiken, können 55 Schüler der Lichterfelder Goethe-Oberschule ihre Präsentationsprüfung diesen Donnerstag nicht halten. Statt sich auf ihre Prüfungen vorzubereiten, diskutieren die Schüler über Gerechtigkeit: Was wiegt schwerer – das Recht auf Bildung oder das Recht auf Streik?
„Die Lehrer haben moralisch eine falsche Entscheidung getroffen“, findet der 18-jährige Sebastian K. Seine Prüfung, eine Theateraufführung, ist eine von acht Prüfungen an der Goethe-Schule, die stattfinden kann – weil seine Lehrer Beamte sind. Zwar stehe er hinter den Forderungen der Streikenden, trotzdem finde er die Aktion nicht in Ordnung. „Schließlich haben wir nur diese eine Chance, das Abitur zu machen. Die ganze Diskussion lenkt ab und verursacht eine Menge Stress, selbst wenn die eigene Prüfung wie geplant stattfindet.“
Die Prüfungen, die wegen des Streiks nicht stattfinden können, wurden auf den 11. Mai verschoben. Die Goethe-Schüler finden das unfair, weil es einigen Schülern fast zwei Monate mehr Zeit zur Vorbereitung gibt. Andere hätten es lieber so schnell wie möglich hinter sich gebracht.
Die Abiturientin Marie König hätte ihre Präsentation diesen Donnerstag in Politikwissenschaften halten sollen. „Am Anfang war ich sauer“, sagt die 18-Jährige. „Aber mittlerweile kann ich die Lehrer verstehen. Die kleinen Probleme, die uns dadurch entstehen, kann man gar nicht vergleichen mit dem, wofür die Lehrer streiken. Im Grunde kämpfen die Lehrer für Gerechtigkeit, das finde ich gut.“
Die Schüler zeigen sich solidarisch
Zu den streikenden Lehrern gehört Anja Wiedenhöft: „Die Schüler zeigen sich solidarisch mit uns“, sagt sie und bedauert gleichzeitig, dass ihre Aktion die Abiturienten trifft: „Der Zeitpunkt wurde kontrovers diskutiert und ich war lange Zeit dagegen, doch erst jetzt, wo es wehtut, bekommen wir die Aufmerksamkeit des Senats und der Medien.“ Mindestens ein Kollege pro Jahr wechsle nach Brandenburg, weil die Bedingungen dort besser seien. „Langfristig betreffen die schlechten Bedingungen für Lehrer an unserer Schule also auch die Schüler“, sagt Wiedenhöft. Je mehr Lehrer in andere Bundesländer abwanderten, desto voller würden die Klassen in Berlin. Wiedenhöft unterrichtet dieses Jahr eine neunte Klasse mit 35 Schülern.
Die Abiturienten sind in den Fokus des aktuellen Streiks geraten. Doch sie sind bei Weitem nicht die Einzigen, die unter dem Ausstand zu leiden haben: Hart trifft es auch Tausende von Kita-Eltern, die am Donnerstag ohne reguläre Betreuung dastehen werden. Denn es ist absehbar, dass – ähnlich wie beim Streik am vorigen Streiktag – ein Großteil der 288 öffentlichen Tageseinrichtungen schließt oder nur eine Notbetreuung anbietet. Somit müssen sich die Eltern wieder freinehmen oder auf Großeltern oder Freunde zurückgreifen.
Die Streikbereitschaft ist hoch, weil die Arbeitgeber von der Tarifgemeinschaft der Länder – im Gegenzug zu einer Gehaltserhöhung – Einschnitte bei der betrieblichen Rente vornehmen wollen. Deshalb werden auch Schulhausmeister und -sekretärinnen sowie Mitarbeiter der Kfz-Zulassungsstellen und der Ausländerbehörde streiken. Bei den Lehrern kommt hinzu, dass sie eigentlich ihren Rückstand gegenüber den verbeamteten Lehrern reduzieren wollten und nun stattdessen mit weiteren Verschlechterungen zu rechnen haben. „Die Schere geht noch weiter auseinander“, konstatiert Hendrik Baron, Lehrer an der Sophie-Charlotte- Schule. Er hat sich zum Streik entschlossen, auch wenn es ihm „leidtut gegenüber den Schülern und Schulleitern“, die jetzt die Prüfungen umlegen müssen. Seine Schule gehört ebenso wie etwa das Beethoven-Gymnasium zu den Schulen, an denen die Präsentationsprüfungen betroffen sind. Allerdings finden die Nachholtermine – anders als an der Goethe-Schule – noch vor den Osterferien statt.
Berlin braucht rund 1000 neue Grundschullehrer
Nach Informationen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) will die Berliner Finanzverwaltung die aktuellen Verhandlungen auf Bundesebene nutzen, um die Bezahlung der Studienräte zu reduzieren, die an Grundschulen arbeiten. Wenn es dazu käme, hätte die Bildungsverwaltung noch weniger Chancen, bundesweit genug Lehrer für ihre Grundschulen zu finden. Nach Informationen des Tagesspiegels ist Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) inzwischen an den Finanzsenator herangetreten, um dies zu verhindern, denn Berlin braucht zum Sommer rund 1000 neue Grundschullehrer.
Die Streikenden treffen sich um 10.30 Uhr am Molkenmarkt am Roten Rathaus und demonstrieren von dort zum Gendarmenmarkt, wo ab 12 Uhr zunächst der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske spricht.
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