Wohnungsnot: Die Zukunft liegt auf dem Land
Die Wohnungswirtschaft will in der Provinz bauen - anders sei die Nachfrage nicht zu decken. Im vergangenen Jahr 12800 neue Wohnungen in Berlin.
Weniger Regulierungen und gleichzeitig mehr Förderungen durch den Staat – die Wohnungswirtschaft trommelt für ihre Interessen und argumentiert dabei mit der Wohnungsnot. Eine „neue deutsche Einheit in Stadt und Land“ forderte am Mittwoch der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft. Die Wohnungsprobleme könnten nicht in den überlaufenen Städte gelöst werden, deshalb bedürfe es einer Strategie gegen die Landflucht und für „zukunftsfähige Kommunen in ländlichen Räumen“.
"Smart Country" soll es bringen
Verbandschef Axel Gedaschko, der für 3000 Unternehmen mit Wohnungen für 13 Millionen Mieter spricht, wünscht sich „Förderstrukturen, um die Attraktivität der Abwanderungsregionen zu stärken“. Dazu gehöre leistungsfähiges Internet auf dem flachen Land („Smart Country“), die Erhaltung von Ortskernen sowie die Versorgung mit Einkaufsmöglichkeiten, medizinischer Infrastruktur, kulturellen Einrichtungen und Bildungsangeboten. Dazu schwebt dem Verband eine neue Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Räume“ vor.
Gleichzeitig warnt die Wohnungswirtschaft vor weiteren Vorschriften. Die Mietpreisbremse sei ein „Scheininstrument“, und allein die Verordnungen zur Energieeinsparungen hätten die Baukosten seit 2002 um 16 Prozent steigen lassen. Insgesamt seien die Bauwerkskosten zwischen 2000 und 2017 um 55 Prozent angezogen. „Eine Folge ist, dass kaum Wohnungen zu bezahlbaren Mieten im frei finanzierten Wohnungsbau entstehen“, heißt es beim Verband, der dann wiederum den Staat zu Hilfe ruft: Mit einer Erhöhung der steuerlichen Normalabschreibung, Investitionszulagen für Wohnungsunternehmen und Entlastungen bei der Grund- und Grunderwerbssteuer könnten Investoren gelockt und der Wohnungsbau forciert werden.
In Berlin werden jedes Jahr 20 000 Wohnungen gebraucht
In Berlin wurden im vergangenen Jahr 12 785 Wohnungen fertiggestellt, das war gut ein Fünftel mehr als 2016. „Die Entwicklung verlief dynamisch, aber immer noch nicht bedarfsgerecht“, teilte der Bauindustrieverband Berlin-Brandenburg mit. Gebraucht würden rund 20 000 neue Wohnungen, um dem Bevölkerungswachstum zu entsprechen. Auch im laufenden Jahr werde der Wohnungsbau hinter der Nachfrage zurückbleiben – mit Folgen für die Preise. Bereits in den vergangenen fünf Jahren seien die durchschnittlichen Nettokaltmieten bei Neuvermietungen um 40 Prozent gestiegen. Noch deutlicher ist die Entwicklung bei den Immobilienpreisen, Eigentumswohnungen verteuerten sich um 54 Prozent und Häuser sogar um 65 Prozent. Bauland war sogar 150 Prozent teurer.
Immer weniger Sozialwohnungen
Bundesweit machen sich neben den fehlenden oder sehr teuren Grundstücken noch eine Handvoll anderer Faktoren negativ bemerkbar, jedenfalls nach Angaben der Wohnungswirtschaft: Unzureichende Planungs- und Baukapazitäten, steigende Grunderwerbssteuern, energetische Anforderungen sowie „Diskussionen um neue Mietendeckel“. Trotzdem wollen die 3000 Wohnungsbauunternehmen nach Verbandsangaben in diesem Jahr und bundesweit rund 31 000 Wohnungen bauen. Das wäre der höchste Wert sei 1999. Doch es gibt immer weniger Sozialwohnungen; derzeit fallen noch 1,24 Millionen Wohnungen unter die Preisbindung, vor 15 Jahren waren es doppelt so viele.