Internationale Luftfahrtausstellung ILA: Die Zukunft der Lüfte kommt auch aus Berlin
Die Luftshow ILA braucht ein neues Profil. Jetzt will sie Leitmesse für Zukunftsthemen werden. Das würde auch Unternehmen aus Brandenburg helfen.
Die Luft- und Raumfahrtausstellung ILA soll den Bürgern aufzeigen, was in Zukunft an neuen Technologien auf sie zukommt. „Sinn der ILA ist es, Ihnen, dem Publikum, der Politik, die Zukunftsthemen aufzuzeigen“, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luft-und Raumfahrtindustrie (BDLI) Verbandspräsident Bernhard Gerwert in seiner Eröffnungsrede unter freiem Himmel. Als Beispiel nannte er Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Industrie 4.0, Stichworte, die genauso intensiv in der Energiewirtschaft und anderen Branchen verhandelt werden. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bescheinigte der Luftfahrtindustrie in seiner Rede „Treiber von Innovationen“ zu sein. Ihm sei keine andere Branche bekannt, in der die Unternehmen im Schnitt 17 Prozent ihrer Umsätze für Forschung und Innovationen ausgeben. Er berichtete von einem Besuch bei einem Handwerksbetrieb im niedersächsischen Cloppenburg, wo der Meister stolz erzählt habe, dass ohne sein Mitwirken die Internationale Raumstation ISS vom Himmel fallen würde. Das habe er sich später bestätigen lassen. „Die Luftfahrt hat Bedeutung weit über die Branche hinaus, weit hinein ins Handwerk“, sagte Gabriel.
Auf der ILA sind große und kleine Unternehmen vertreten
Die ILA als Leitmesse für Zukunftsthemen? „Wir als Bundeswirtschaftsministerium unterstützen das sehr“, sagte Gabriel – um dann zu einen recht konventionellen Politiker-Rundgang aufzubrechen: Vom Triebswerkshersteller Rolls-Royce, über Boeing (neu auf der ILA), dem „Future Lab“ seines Ministeriums, dem Zulieferer Liebherr-Aerospace weiter zum „Space Pavilion“ und dem Stand der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DLR), über die die Bundesregierung die Branche mit viel Geld unterstützt. Letzte Station: Die Flieger der Airbus Group, der mit Abstand größten Spielerin hierzulande.
Für kleine und mittelständische Zulieferer oder eines der 50 Start-ups, die am Donnerstag mit einem Programm auf der Messe mit etablierten Firmen zusammengebracht werden sollen, hatte Gabriel diesmal keine Zeit. Ein paar dieser Firmen, die die wenigsten Politik-Besucher auf dem Radarschirm haben, finden sich Halle 3, wo sich die Hauptstadtregion – in Nachbarschaft von Polen, Mexiko und Norddeutschland – präsentiert. Mit Firmen und Vorträgen. Lutz Kaden von der IHK Berlin erklärte Zuhörern, dass in keinem anderen Bundesland mehr Gewerbe pro Einwohner angemeldet werden und dass nach Berlin so viel Risikokapital fließt, wie in keine andere europäische Metropole. Solche Dinge.
Rund um Berlin haben sich zahlreiche Zulieferer der Luftfahrtindustrie angesiedelt
Kleine Firmen mit großen Kunden präsentieren sich hier, zum Beispiel die 2001 gegründete Firma Projektron aus Berlin-Mitte. Ihre Software BCS (Business Coordination System) für webbasierte Projektsteuerung kommt unter anderem bei Airbus zum Einsatz. Projektron beschäftigt etwa 90 Mitarbeiter an vier Standorten. Aus dem brandenburgischen Schwielowsee (Kreis Potsdam-Mittelmark) kommt die MaTec Gummiwerk GmbH. Sie fertigt unscheinbare Komponenten für das Rotorsystem von Helikoptern. Aus Teltow am südlichen Berliner Stadtrand stellt die Cestron International GmbH ihre Kommunikationssysteme, Antennen und Empfangsgeräte aus. Aus Velten (Oberhavel) zeigt die Firma Sitebots ihre Drohnen, die zum Beispiel bei der Überwachung großer Baustellen zum Einsatz kommen.
Auch Forschungsinstitute wie das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK sind vertreten und berichten dort von ihren Versuchen für Turbinenkomponenten aus Hochleistungskeramik. Einen etwas komplizierten Job haben die Gemeinden Königs Wusterhausen, Schönefeld und Wildau, die sich gemeinsam als „Airport Region BER“ vermarkten. Viele Gäste sah man am Mittwoch nicht an dem Stand.
Die Infostand der Flughafengesellschaft ist gut besucht
Der Grund, warum diese Strategie nicht fliegt, findet sich am Stand gegenüber, wo sich die Flughafengesellschaft präsentiert. Deren Chef Karsten Mühlenfeld werde ausschließlich Fragen zur ILA beantworten, erklärte ein Mitarbeiter sehr bestimmt. Also: Hat die ILA eine Zukunft am Schönefelder Ortsteil Selchow – auch wenn der BER 2017 eröffnen sollte? „Wir als Flughafen sind gern bereit, auch über 2016 hinaus die ILA am Standort zu realisieren“, beteuert er. Zumindest bei der nächsten ILA 2018 müsste das „darstellbar“ sein, sofern das Flugprogramm nicht während der Peak-Zeiten des regulären Flugbetriebes stattfinde.
Die ILA sei die größte Messe in Brandenburg und sehr wichtig für die Branche. „Der Veranstalter BDLI und die Messe Berlin müssen sich zusammenraufen, um die Zukunft der ILA zu sichern“, forderte Flughafen-Chef Mühlenfeld. Das scheint ganz im Sinne von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der sich nach einem Rundgang am Montag gleich noch mal auf der Messe blicken lies. Anders als Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), der bis Mittwochnachmittag noch keinen Besuch angekündigt hatte.
Die Zahl der Aussteller ist von 1200 auf gut 1000 gesunken
„Die ILA ist für Berlin und Brandenburg mehr als eine Messe“, sagte BDLI-Präsident Gerwert in seiner Rede und rechtfertigte die Verkürzung der ILA um zwei auf vier Tage. „Wir haben das Konzept vereinfacht. Sie ist kompakter geworden, aber sie ist auch intensiver geworden“, behauptet er. In jedem Fall ist für langjährige Besucher sichtbar, dass weniger los ist: Die Zahl der Aussteller sank von rund 1200 vor zwei Jahren auf gut 1000.
Ob die ILA mit weniger Ständen und weniger Besuchern, dafür mit mehr Worten über Nachhaltigkeit und Industrie 4.0, finanziell attraktiver wird für die Messe Berlin, wird noch zu diskutieren sein. Minister Gabriel stichelte in seiner Rede: „Berlin und Brandenburg und Luftfahrt ist ja nicht immer etwas, was ganz automatisch funktioniert. Mit einer großen Ausnahme: der ILA“. Wenn er sich da mal nicht verrechnet hat.