Peter Kurth, Präsident der Entsorgungswirtschaft, im Interview: „Die volkseigene Wirtschaft feiert wieder Triumphe“
Peter Kurth, Präsident des Verbandes der privaten Entsorgungswirtschaft, über die Gelbe Tonne Plus, Biomüll und den Trend zur Rekommunalisierung.
Herr Kurth, wer kümmert sich künftig um das Quietscheentchen?
Die Quietscheente steht symbolisch dafür, dass ein stoffgleiches Produkt zusammen mit den Verpackungen in der Gelben Tonne Plus oder der Wertstofftonne gesammelt werden sollte. 15 Millionen Menschen in Deutschland haben inzwischen diese Wertstofftonne.
Wer sammelt und verwertet das Zeug dieser 15 Millionen?
Fast überall private Entsorger, die in den jeweiligen Städten und Gemeinden zum Teil gemeinsam mit kommunalen Entsorgungsunternehmen auftreten. In Berlin sammelt die BSR in einigen Straßen und in anderen Straßen macht das Alba. Der Sinn der Sache, also nicht nur Kunststoffverpackungen, sondern stoffgleiche Produkte wie etwa die Quietscheente zu sammeln, ist unumstritten.
Brauchen wir dann überhaupt ein Gesetz, wie es Umweltministerin Hendricks plant?
Tatsächlich steht heute schon im Gesetz, dass Verpackungen mit anderen Gegenständen aus demselben Material zusammen gesammelt werden können. Frau Hendricks möchte gerne mit dem Wertstoffgesetz die Verpackungsentsorgung nochmals grundsätzlich reformieren.
Um den Kommunen zusätzliche Geschäftsmöglichkeiten zu geben?
Das ist eine Absicht. Es gibt andere Motive, die besser sind, zum Beispiel höhere Recyclingquoten oder besserer Vollzug. Deutschland ist beim Recycling wirklich gut, aber bei Verpackungen kann noch mehr getan werden. Hier beträgt die gesetzliche Quote nur 36 Prozent.
Das ist eine bescheidene Quote bei dem hohen Aufwand für das Duale System.
Das Prinzip der Produktverantwortung hat sich bewährt: Wer ein Produkt in Verkehr bringt, der muss finanziell und organisatorisch die Verantwortung für die spätere Entsorgung übernehmen.
Auf jeden Fall zahlt der Verbraucher.
Der Verbraucher bezahlt im Supermarkt mit dem Kauf eines Produktes die spätere Entsorgung. Etwa elf Euro im Jahr. Deshalb muss er die gelbe Tonne nicht bezahlen, die ist kostenlos. Doch nicht alles, was in der gelben Tonne landet, lässt sich vernünftig recyceln. Manches ist zu verschmutzt, bei anderen Abfällen lohnt sich die Aufbereitung nicht, auch weil wir in Deutschland eine sehr günstige Müllverbrennung haben.
Verfeuern vor Verwerten?
Es gibt hierzulande rund 70 Müllverbrennungsanlagen, viele waren lange Zeit nicht ausgelastet. Durch Müllimporte, vor allem aus Großbritannien, sind diese Kapazitäten heute besser ausgelastet. Das macht auch Sinn. Es ist in jeder Hinsicht besser, den Müll hier zu verbrennen, als jenseits der deutschen Grenzen zu deponieren.
Im Spannungsfeld zwischen Profit und Umweltschutz
Was sind Ihre Erwartungen an das geplante Wertstoffgesetz?
Wir wollen eine höhere Quote als 36 Prozent bei der stofflichen Verwertung. Besseres Recycling sollte im Kern des Gesetzes stehen, und nicht das Bemühen der Politik, den Kommunen mehr Einfluss zu geben. Das macht ökologisch keinen Sinn und widerspricht der Zielsetzung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes.
Profitmaximierung und Umweltschutz passen nicht gut zusammen.
Das ist Quatsch. Wer die ökologische Weiterentwicklung der Wirtschaft will, braucht dazu Unternehmen, die sich im Wettbewerb behaupten, die investieren und Innovationen in den Markt bringen. Die privaten Entsorger geraten zunehmend unter Druck. Durch die Gesetzgebung, die in vielen Fällen der verlängerte Arm der Kommunen ist. Die Politik hat gerade ein Umsatzsteuerprivileg für die Kommunen beschlossen und eine Vergaberichtlinie mit der Zielsetzung, kommunales Wirtschaften zu erleichtern.
Das hilft den Kommunen bei der Zusammenarbeit über die Stadtgrenzen hinweg.
Deswegen entsorgt ein einziges kommunales Entsorgungsunternehmen aus NRW inzwischen einen großen Teil von Rheinland-Pfalz – das ist doch langsam absurd. Unser Appell an die Politik: Faire Rahmenbedingungen und die Themen Mittelstand und Wettbewerb nicht nur in Sonntagsreden hochhalten.
Und kommt Ihr Appell an bei der SPD-Umweltministerin?
Die Fachleute auch im Umweltministerium wissen sehr genau, was gerade für ein Druck durch die kommunale Lobby ausgeübt wird, um Gesetze zu bekommen, die die Staatswirtschaft fördern.
Staatswirtschaft? VEB Müll?
Kommunale Unternehmen sind nichts anderes als Staatswirtschaft auf niedriger Ebene. Wir haben neulich im Umfeld des CSU-Parteitags einen Protest organisiert, weil 25 Jahre nach dem Ende der VEB- Strukturen in Ostdeutschland im Süden die volkseigene Wirtschaft wieder Triumphe feiert. Das verhindert den Aufbau industrieller Strukturen und Innovationen.
Wie wäre es mit Arbeitsteilung: Die Kommunen sammeln, die Privaten verwerten?
Viel naheliegender ist doch die Arbeitsteilung, dass die Kommunen den Restmüll machen und die Privaten die Wertstoffe sammeln und verwerten.
Und das Geschäft machen.
In einer sozialen Marktwirtschaft gehört es zu den Aufgaben der Firmen, Geld zu verdienen. Damit sie Steuern zahlen und Arbeitsplätze schaffen. Ich erlebe immer wieder Diskussionen mit Kommunalpolitikern, die sich empören, dass Unternehmen Profit erwirtschaften wollen. Da frage ich mich schon, was in den Köpfen mancher Kommunalpolitiker schiefläuft.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat den kommunalen Entsorgern Vorrang vor den privaten eingeräumt.
Es gibt eine Verantwortung der Kommunen dafür, dass der normale Hausmüll ordnungsgemäß entsorgt wird. Es gibt keine kommunale Verantwortung für die Recyclingwirtschaft. Nach europäischem Recht fallen Sammlung und Verwertung von Wertstoffen in den Verantwortungsbereich privater Unternehmen.
Was würde ein Wertstoffgesetz an zusätzlichen Wertstoffen bringen?
Nicht sehr viel. Wir reden über etwa drei Kilo pro Einwohner und Jahr. 15 Millionen Leute haben die Tonne schon. Und viele Quietscheenten und Bratpfannen landen heute als intelligente Fehlwürfe auch schon in der gelben Tonne. Insgesamt hatten wir 2013 über 385 Millionen Tonnen Abfall – die zusätzlichen drei Kilo je Einwohner sind vernachlässigbar.
Die Hälfte der Einwohner hat keine Biotonne
Im Koalitionsvertrag formulieren CDU und SPD das Ziel einer „anspruchsvollen Recyclingquote“ – was ist das?
Das hängt von den Stoffströmen ab. Beim gewerblichen Abfall haben wir schon rund 75 Prozent, beim Siedlungsabfall liegt die Quote bei 65 Prozent, aber auch hier muss man sich die Stoffströme anschauen: Papier, Glas, Metall und Schrott liegen über 80 Prozent.
Und der Biomüll?
Nach dem Gesetz müsste seit Anfang dieses Jahres getrennt werden, doch die Hälfte der Einwohner hat keine Biotonne, weil die Kommunen, vor allem die Großstädte, den Aufwand scheuen.
In Zeiten der Energiewende und der zunehmenden Bedeutung von Biogas sollte das ein gutes Geschäft sein.
Sollte. Immerhin ist es der Wille der Bundesregierung, Energie künftig nur noch aus Abfall- und Reststoffen zu gewinnen. Sie will so der Flächenkonkurrenz und der „Vermaisung“ der Landschaft durch den Anbau von Energiepflanzen entgegenwirken. Dem Willen des Bundes folgen jedoch viele Kommen nicht.
Die Privaten können doch sammeln.
Die machen das auch. Unsere Unternehmen brauchen dafür aber die entsprechenden Aufträge der Kommunen. Die Firmen können nicht in Wildwestmanier auftreten und einfach Tonnen aufstellen. Dabei ist das Potenzial erheblich: Wenn wir alle Haushalte mit einem Behälter für Bioabfall versorgen würden, rechnen wir mit zwei Millionen Tonnen zusätzlicher Masse für die Biogasanlagen.
Dann mal los.
Schön wär’s. Einige Kommunen sagen, wir können den Bürgern nicht eine weitere Tonne zumuten. Andere brauchen den Biomüll auch zur Auslastung ihrer Verbrennungsanlagen. Tatsächlich ist die Sammlung von Speiseabfällen sehr anspruchsvoll. Das ist auch bei der Bevölkerung noch nicht gut angekommen, da fehlen noch ein paar Erleichterungen.
Was für Erleichterungen?
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, den Bioabfall in der Wohnung zu sammeln und zur Tonne zu bringen. Einige haben einen speziellen Behälter, andere nehmen Papiertüten und wieder andere Kunststoffbeutel. Letztere sind problematisch für die Anlagen. Hier müssen wir einen Weg finden, der sowohl die Bedürfnisse der Verbraucher als auch die Anforderungen der Anlagenbetreiber, die mit den Kunststoffresten zu kämpfen haben, auf einen Nenner bringt.
Das Gespräch führte Alfons Frese.
ZUR PERSON
Peter Kurth, vor 55 Jahren in Siegburg geboren, studierte Jura und arbeitete einige Jahre im Bankensektor. In Berlin wurde der CDU-Politiker als Finanzsenator bekannt (1999 bis 2001). Kurth war Vorstandsmitglied beim Entsorger Alba und ist seit 2009 hauptamtlicher Präsident des Bundesverbandes der Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft.
DER VERBAND
Der in Berlin ansässige BDE vertritt die Interessen von rund 750 Mitgliedsunternehmen aus der privaten Entsorgungs- und Wasserwirtschaft gegenüber der Politik in Bund, Ländern und in der Europäischen Union.
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