Kosmetikversprechen: Die ungeschminkten Wahrheiten
Kosmetika versprechen oft mehr, als sie halten können. Eine neue EU-Richtlinie soll das jetzt ändern.
Haare wie Seide, endlose Wimpern, perfekte Haut: All das kann man sich kaufen – wenn man den Werbebotschaften der Kosmetikindustrie Glauben schenkt. Wer wollte da nicht zugreifen? Leider halten Schönheitsprodukte allzu oft nicht, was sie versprechen, weiß man bei der Stiftung Warentest. „Anti-Falten-Cremes etwa können überhaupt nicht funktionieren, weil Falten in einer viel tieferen Schicht der Haut gebildet werden, als eine oberflächlich aufgetragene Creme erreicht“, sagt Christiane Nientimp. Gleiches gelte für Mittel gegen Cellulite und Pigmentflecken, die in den Tests der Verbraucherorganisation durchweg mit „mangelhaft“ abschnitten. „Kosmetik verkauft Hoffnung“, sagt auch Silke Schwartau, Beraterin bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Und das sei ja auch okay – sofern den Konsumenten keine falschen Tatsachen vorgegaukelt würden.
Die neue Kosmetikverordnung, die seit wenigen Wochen EU-weit greift, soll irreführende Werbung verhindern. Zwar gibt es anders als bei Arzneimitteln für Kosmetik nach wie vor kaum Auflagen, was den tatsächlichen Nutzen angeht. Bisher mussten sie einzig eindeutig von Arzneimitteln abzugrenzen und gesundheitlich „unbedenklich“ sein, auch die Verwendung von Farb- und Konservierungsstoffen war schon früher grundsätzlich unzulässig. In der neuen Verordnung heißt es nun aber auch eindeutig, dass Verbrauchertäuschung strafbar ist. „Täuschung ist zum Beispiel, wenn ein Hersteller ein Produkt mit ’60 Prozent weniger Falten’ anpreist, aber nicht nachweislich 60 Prozent aller Falten verschwinden, sondern lediglich sechs von zehn befragten Personen meinten, nach dem Gebrauch eine Veränderung zu erkennen“, meint Verbraucherschützerin Schwartau. „Botschaften wie diese suggerieren eine wissenschaftlich erwiesene Wirksamkeit, die so nicht vorliegt.“ Auch Aussagen wie „48 Stunden Feuchtigkeit für Ihre Haut“ oder „ein strafferes Dekolleté in zehn Minuten“ seien schlichtweg gelogen, da nicht zu erfüllen.
Was die EU tun will
Fast 1,6 Milliarden Euro gibt die Kosmetikbranche allein in Deutschland für Werbung aus. Vor mehreren Jahren bereits hat die EU beschlossen, irreführende Werbung in der Lebensmittelindustrie mit der „Health-Claims-Verordnung“ zu reglementieren und 2012 dann eine Liste von Aussagen veröffentlicht, die nicht mehr erlaubt sind. Eine solche Liste sei auch für Kosmetik geplant, heißt es aus Brüssel. Noch gibt es aber keinerlei Standards. Bei Lebensmitteln müssen gesundheitsbezogene Aussagen inzwischen vorab genehmigt werden. Bei Schönheitsprodukten werden Lügen aber wohl erst im Nachhinein geahndet – wer die Branche kontrollieren soll und wie hart sanktioniert wird, muss jedes Land selber regeln (siehe Kasten). Bis dahin haben die Hersteller sozusagen eine Schonfrist, Betrieb und Marketing umzustellen.
Verbraucherschützer setzen sich auch deshalb für eine „Schwarze Liste“ ein, um Konsumenten flächendeckend abzusichern. Sie fürchten, dass unlautere Werbung im Bereich Schönheits- und Pflegeprodukte sonst nur dann geahndet wird, wenn jemand gegen den Produzenten klagt. „Das macht aber kein Normalverbraucher“, sagt Schwartau. „Vor Gericht müsste er dann ein Gutachten vorlegen, das beweist, dass das Produkt keinen Effekt gehabt hat. So etwas kostet viel Geld.“ Nützlich ist es da, dass die Konzerne sich zumindest gegenseitig ab und an in die Schranken weisen. So prozessierte kürzlich der Düsseldorfer Konsumgüterhersteller Henkel gegen den Hamburger Konzern Beiersdorf, weil der ein Antitranspirant mit dem Satz „Invisible“ – unsichtbar – „das beste Deo, das keine gelben Flecken macht“ bewarb. Der Konkurrent, zu dessen Produktpalette die Marke „Fa“ gehört, widerlegte diese Aussage vor Gericht sorgfältig, unter anderem anhand von Stoffproben auf Textilien.
Nur die Briten sind strenger
Strenger überwacht wird die Branche heute schon in Großbritannien. Wiederholt hat die britische Werbeaufsicht, die Advertising Standards Agency, Kampagnen verboten, weil sie mehr versprachen, als sie halten konnten. Prominent ist der Fall Julia Roberts für Lancôme: Der Edel-Kosmetik-Produzent hatte ein Foto der Schauspielerin für Marketingzwecke so stark nachbearbeitet, dass die Retusche nicht mehr genug Ähnlichkeit mit dem Original hatte, befand das Gremium. Auch die natürliche Schönheit der Schauspielkollegin Natalie Portman war dem Auftraggeber Dior offenbar nicht genug, er wurde zur Zahlung einer Geldbuße verurteilt, weil die Darstellung der Wimpern als unrealistisch eingestuft wurde.
Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft dagegen hatte die Pläne der EU, die Kosmetikrichtlinien EU-weit zu verschärfen, für unnötig erklärt – und sich der Argumentation der Kosmetikhersteller angeschlossen. Die Verbraucher seien intelligent genug, derlei Werbung „einzuordnen“ – sprich, nicht ernst zu nehmen. Wirklich? Allein die Briten verzeichneten im vergangenen Jahr 2489 Beschwerden über Werbeanzeigen aus dem Kosmetik- und Gesundheitsbereich, 36 Prozent mehr als im Vorjahr.
„Wer Schönheitsprodukte kauft, sollte auf jeden Fall Testergebnisse studieren“, rät Konsumberaterin Schwartau. Und im Zweifelsfall zum günstigeren Angebot greifen. „Die Preise für Kosmetik stehen erwiesenermaßen in keinem Verhältnis zu ihrer Wirksamkeit.“