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Nebenbei was für die Gesundheit tun: Das finden viele Verbraucher ansprechend.
© dapd

Lebensmittel: Nicht mehr zu viel versprechen

Künftig gelten strengere Regeln für Gesundheitsbotschaften auf Lebensmitteln. Verbraucherschützern reicht das aber nicht.

Von Maris Hubschmid

Das Ende des Schokoriegels, der „das gesunde Wachstum Ihrer Kinder unterstützt“, naht: Ab diesem Freitag dürfen Lebensmittelhersteller nicht mehr mit gesundheitsbezogenen Botschaften, sogenannten Health Claims werben, sofern diese nicht wissenschaftlich belegt und von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) genehmigt sind. Von rund 44 000 Gesundheitsversprechen, die der Behörde bislang vorgelegt wurden, waren nach Ansicht der Prüfer lediglich 222 haltbar. Trinkjoghurt schützt vor Erkältung? Stimmt nicht, befand die Jury. Durchgefallen ist auch die Behauptung, dass Eistee die Konzentrationsfähigkeit steigert und Eisen gegen Haarausfall hilft.

Die Verordnung sei ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz bei Lebensmitteln, kommentierte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU). „Die Bürger sind nun wesentlich besser vor irreführender Werbung geschützt.“ „Das Prüfungsgebot lässt noch zu viele Lücken“, monieren dagegen Politiker der Oppositionsparteien und Verbraucherschützer wie Christoph Römer von der Verbraucherzentrale Berlin. Der Haken ist: Eigentlich hatten bis zum Inkrafttreten des Verbots Nährwertprofile festgelegt werden sollen, die Grenzwerte für Inhaltsstoffe wie Zucker, Salz und Fett bestimmen. Lebensmittel, die diese K.-o.-Kriterien verletzen, sollten nicht von Hinweisen auf gesundheitliche Mehrwerte Gebrauch machen dürfen. Davon aber ist dieser Tage keine Rede mehr.

Das bedeutet zum Beispiel: Die Firma Nestlé darf auf ihren Cornflakes weiterhin damit werben, dass Calcium für die Erhaltung der Knochen benötigt wird – die Efsa ist mit der Aussage einverstanden. „Die Flocken bestehen aber zu mehr als einem Drittel aus Zucker“, warnt die Verbraucherorganisation Foodwatch. Ein ausgewogenes Nahrungsmittel sind sie also noch lange nicht, obwohl genau das suggeriert wird. Noch leichter ausgenutzt werden können Vitamin-Claims, sagt Lebensmittelexperte Christoph Römer. „Die Efsa hatte nichts gegen die Angabe, dass Vitamin C zur Funktion des Immunsystems beiträgt. Jetzt muss man bloß eine winzige Spur Vitamin C in den Pudding rühren, schon darf man ihn als immunstärkend anpreisen.“ Auch Andreas Winkler von Foodwatch fürchtet: „Hersteller werden jetzt erst recht tricksen, um ihren Produkten einen gesunden Touch zu geben.“ An den meisten Vitaminen herrsche im Übrigen kein Mangel – „mit vielen sind die Konsumenten eher überversorgt“.

„In der Diskussion sind die Nährwertprofile ja seit Jahren“, sagt Römer. Zunächst war als Datum der Einführung der August 2009 avisiert worden, dann wurde es wieder und wieder verschoben. „Das Einhalten bestimmter Nährwertprofile ist die Voraussetzung für die Verwendung gesundheitsbezogener Werbeaussagen auf Lebensmitteln (siehe Artikel 4 der EU-Verordnung Nr. 1924/2006)“, informiert das Bundesinstitut für Risikobewertung auf seiner Internetseite. Dort wurde längst ein Konzept zur Erstellung der Profile für die Bundesregierung ausgearbeitet, die wie alle Mitgliedstaaten an deren Festlegung mitwirkt. Die Regierungsparteien betonen jedoch, man warte erst mal auf einen Vorschlag aus Brüssel. Die Definition der bundeseigenen Institution ist also nur Wunsch, noch nicht Wirklichkeit.

„Wir haben unter Rot-Grün eine EU-Verordnung auf den Weg gebracht, die Werbung mit Aussagen wie „stärkt die Abwehrkräfte“ nur dann erlaubt, wenn das Lebensmittel kein ungünstiges Nährwertprofil hat“, sagt Elvira Drobinski-Weiß, verbraucherschutzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag. „Verbrauchertäuschung darf sich nicht lohnen.“ Dass noch nichts passiert ist, ist nach Meinung der Opposition das Ergebnis erfolgreicher Lobbyarbeit. „Solange sich die Kommission und die Mitgliedstaaten vor den Karren der Lebensmittelindustrie spannen lassen, wird die Werbung mit falschen Gesundheitsversprechungen munter weitergehen“, sagt Bärbel Höhn, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen. Vor allem Bäckereiverbände fürchten offenbar, bestimmte Waren aufgrund eines zu hohen Salzgehalts nicht mehr als „Vitalbrot“oder Ähnliches verkaufen zu dürfen. Traditionelle Nahrungsmittel dürften nicht benachteiligt werden, hatten sie gefordert.

Wann die Profile nun kommen und ob überhaupt, dazu wollte sich auf Anfrage niemand so recht äußern. Sich zunächst um die sogenannten Health Claims zu kümmern, sei eine politische Entscheidung der EU-Kommission zusammen mit einer Reihe von Mitgliedstaaten und Abgeordneten gewesen, teilte deren Vertretung in Deutschland mit. Das Thema sei komplex, wann man die Nährwertprofile wieder auf die Tagesordnung setzen werde, sei im Moment noch nicht abzuschätzen.

Vorerst gilt darum wohl weiterhin, was Römer und Co. raten: „Wenn auf der Lebensmittelverpackung ein besonderer gesundheitlicher Nutzen propagiert wird, sollte man stets skeptisch sein.“

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