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Reiseland Schweiz. Für deutsche Urlauber kostet der Skiurlaub in den Schweizer Alpen 20 Prozent mehr.
© dpa

Schock und Schokolade: Die Tücken des starken Schweizer Franken

Wer früh auf Schweizer Werte gesetzt hat, kann sich über üppige Wechselkursgewinne freuen. Doch der Franken stößt an seine Grenzen.

Am Morgen des 15. Januar kostete ein Schweizer Franken noch 83 Cent. Am Abend darauf musste man 1,02 Euro hinblättern, um einen Franken zu erhalten. Was für Schweizer Firmen als „Franken-Schock“ in die Geschichte eingehen wird, war für deutsche Anleger mit Geld in der Schweiz oder in Franken- Anleihen ein verspätetes Weihnachtsgeschenk.

Denn während Swatch-Uhren, Nespresso-Kapseln, Victorinox-Messer und die Toblerone, aber auch Schweizer Pharmaprodukte und Elektrotechnik in der Eurozone rund 20 Prozent weniger abwarfen und damit die Schweizer Exportwirtschaft vor sehr ernste Probleme stellen, erhöhte sich der Kontostand deutscher Anleger mit Tages-, Festgeldern oder Anleihen ebenfalls um etwa ein Fünftel. Denn sie hatten für ihre Franken plötzlich 20 Prozent mehr Euro auf dem Konto.

Auch beim Urlaub macht sich das bemerkbar: Einkäufe und Ferien von Schweizern in der Eurozone verbilligten sich um ein Fünftel, während ein 1000 Franken teurer Skiurlaub für Deutsche in St. Moritz, Grindelwald oder Samnaun nun nicht 833, sondern 1020 Euro kostete.

Verantwortlich dafür: Die Schweizer Notenbank, die am 22. Januar urplötzlich die Bindung des Franken an den Euro aufgab und die eigene Währung rapide aufwerten ließ. Nach dreieinhalb Jahren bei 1,20 Franken verbilligte sich der Euro im Handstreich auf 0,98 Rappen. Inzwischen hat sich die Schweizer Währung wieder etwas abgeschwächt.

Der Schweizer Aktinindex SMI stürzte ab

„Für die Anleger aus der Euro-Zone war das ein echter Lucky Punch“, sagt Tom Friess, Geschäftsführer des Schweizer VZ Vermögenszentrums in München. Allerdings nicht für alle: Wer sein Geld in Schweizer Aktien, etwa den führenden Index SMI mit Unternehmen wie den Pharmafirmen Roche und Novartis, dem Nahrungsmittelriesen Nestlé oder den Banken Crédit Suisse und UBS investiert hatte, könnte sich beim Verkauf nun zwar ebenso über Währungsgewinne freuen. Er muss aber auch mit einem Mini-Crash leben, der den SMI binnen kürzester Zeit um 15 Prozent in die Tiefe jagte. Inzwischen hat er sich etwas erholt, doch ein Minus von knapp acht Prozent bleibt.

Vermögensberater Friess rät zu „extremer Vorsicht“: „Es wäre hoch spekulativ, auf eine weitere Aufwertung zu setzen.“ Da die Notenbank derzeit nicht interveniere, sei aktuell ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Nachfrage und Angebot gefunden. Zudem hätten viele Schweizer Banken inzwischen – wie die Notenbank – negative Zinsen von minus 0,25 bis minus 0,75 Prozent für größere Anlagebeträge eingeführt, um die Nachfrage nach Franken zu bremsen. Selbst zehnjährige Anlagen (Schweizer Staatsanleihen) werfen negative Renditen ab, der Anleger muss pro Jahr 0,33 Prozent abtreten, wenn er dem Schweizer Staat Geld leiht.

Weil noch gar nicht absehbar sei, welche Probleme der teure Franken konkret für die Schweizer Wirtschaft bringen werde, rät Friess derzeit vom Neueinstieg in den Schweizer Aktienindex SMI ab. Das britische Bankhaus Barclay´s empfiehlt sogar den Verkauf bestehender Engagements. Dies sieht nicht jeder so.

Die Schattenseiten des starken Schweizer Franken

Wechselkurseffekt. Binnen 24 Stunden wertete der Schweizer Franken im Januar um fast ein Viertel auf.
Wechselkurseffekt. Binnen 24 Stunden wertete der Schweizer Franken im Januar um fast ein Viertel auf.
© Oliver Berg/dpa

Die Deka, Fondstochter der Sparkassen, gibt zu bedenken, dass der starke Franken die Schweizer Wirtschaft zu Einsparungen, strukturellen Veränderungen wie Verlagerungen der Produktion in die Euro-Zone zwingen und damit langfristig wettbewerbsfähiger machen könnte. Hinzu kommt, dass die drei größten Aktien im Schweizer Index – Nestlé, Novartis und Roche – international ausgerichtet sind: Umsätze wie auch Kosten fallen vor allem in anderen Währungen als dem Franken an, weil im Ausland nicht nur verkauft, sondern auch produziert wird.

UBS und Bank of Tokyo sehen kaum Spielraum für eine weitere Aufwertung, da der Franken zuletzt auf dem stärksten Niveau seit drei Dekaden angekommen sei und die Negativzinsen Kapital aus dem Franken ziehen würden. Die Commerzbank und JP Morgan hingegen glauben, dass der Euro seine jüngsten Gewinne wieder abgeben und auf 92 bis 98 Rappen je Euro abwerten könnte. Verantwortlich dafür seien die Geldschwemme der Europäischen Zentralbank und vor allem jene Anleger und Kommunen, die wegen der sehr günstigen Zinsen Kredite in Franken aufgenommen hätten, aber in anderer Währung tilgen und auf einen Schlag 20 Prozent höhere Schulden haben. Ein Tausch der Kredite in Euro würde den Franken weiter stärken. Betroffen sind deutsche Städte und Hunderttausende Immobilienkäufer in der EU, vor allem in Polen.

Umgekehrt könnten Anleger, die Festgelder in der Schweiz oder auf Franken- Konten bei deutschen Banken angelegt haben, nur bei einer weiteren Aufwertung mit Renditen rechnen. Denn zwar müssen Privatanleger keine Negativzinsen zahlen, doch positive Zinsen wirft der Franken kaum ab. Die Grenze für Strafzinsen liegt je nach Bank zwischen 100 000 und einer Million Franken.

Immobilien sind wertvoller geworden - auf dem Papier

Gut verdient – zumindest auf dem Papier – haben seit dem 22. Januar auch Anleger aus der Euro-Zone, die in Schweizer Immobilien angelegt hatten. Ihre Häuser waren schlagartig 20 Prozent mehr wert, wenn auch nur in Euro. Allerdings bleibt das Plus nach Erkenntnissen von Tom Friess oft ein virtuelles: „Wer als Euro- Ausländer eine Immobilie in der Schweiz ergattert hat, kann sich zwar jetzt freuen, dass er beim Verkauf mehr Euro in der Tasche hätte. Aber die meisten wollen gar nicht verkaufen.“ Umgekehrt muss nun noch mehr bezahlen, wer sich als Euro-Verdiener ein Haus in Davos oder eine Wohnung in Zürich kaufen möchte.

Auch wer sich nicht direkt in der Schweiz, sondern nur in Franken engagieren möchte, hat Möglichkeiten. Er kann in Aktien, Anleihen und Rohstoffe investieren, dies aber nicht in Euro, sondern in Franken bei Schweizer Fondsanbietern. Zudem bieten einige Häuser außerhalb der Schweiz ihre Flaggschiffe auch in Franken-Tranchen an. So sind im Mischfonds Carmignac Patrimoine, der mehr als 20 Milliarden Euro verwaltet, ein paar Millionen auch in einer Franken-Version deponiert. Das Ergebnis: Der Fonds, der weltweit in Aktien und Anleihen investiert, liegt in der Euro-Variante 2015 bis jetzt gut fünf Prozent im Plus. Wer vor dem Franken-Schock Anfang Januar gekauft hatte, nun verkauft und in Euro tauscht, kann 19 Prozent Plus einstreichen.

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