Umweltfreundlich einkaufen: Die Plastiktüte steht vor dem Aus
Schon im kommenden Jahr will Bundesumweltministerin Schulze die Einkaufstüten aus Kunststoff verbieten. Der Handel kritisiert die Pläne scharf.
Bereits jetzt greifen immer weniger Kunden zu, im kommenden Jahr könnte sie dann ganz verschwunden sein: die Plastiktüte. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der ein Verkaufsverbot von leichten Kunststofftragetaschen vorsieht. Davon wären vor allem Plastiktüten betroffen, die in vielen Supermärkten bislang noch unter den Kassenbändern ausliegen.
„Die Zeit ist reif für ein Verbot“, sagte Schulze dem Tagesspiegel. Es gehe auch ohne Plastik. Am Donnerstag hat die Umweltministerin den Entwurf in die Ressortabstimmung eingebracht. Der Bundestag könnte das Gesetz schon in der ersten Jahreshälfte 2020 verabschieden. Wer dagegen verstößt, muss dann mit Geldbußen von bis zu 100 000 Euro rechnen – allerdings erst nach einer Übergangszeit von sechs Monaten, damit Händler ihre Restbestände abbauen können.
Schulze will zudem nicht nur die konventionellen Plastiktüten verbieten, auch vermeintlich ökologische Kunststofftragetaschen soll es künftig nicht mehr geben. „Die angeblichen Bioplastiktüten sind eine Mogelpackung“, sagte Schulze. Das Umweltbundesamt warnte zuletzt davor, dass viele biologisch abbaubare Kunststoffe nur unter den strikten Bedingungen von industriellen Kompostierungsanlagen zerfallen würden. Außerdem würden daraus auch keine wertvollen Stoffe entstehen, sondern überwiegend CO2 und Wasser. Dünne Plastikbeutel an Obst- und Gemüsetheken sollen hingegen erlaubt bleiben. „Wenn man die wegnimmt, wird in den Supermärkten noch mehr in Plastik verpacktes Obst und Gemüse angeboten“, sagte Schulze. Das würden bisherige Erfahrungen zeigen.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßt das geplante Verbot von Plastiktüten. „Für deren Herstellung werden nicht nur begrenzt vorhandene fossile Ressourcen vergeudet und das Klima belastet“, sagt Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. „Sie werden auch vielfach in der Umwelt entsorgt und tragen in erheblichem Maße zur Verschmutzung unserer Meere bei.“ Aus diesem Grund hatte die EU bereits im März entschieden, ab 2021 weitere Plastikprodukte zu verbieten. Dazu gehören unter anderem Strohhalme und Plastikteller sowie -besteck. Auch Wattestäbchen aus Kunststoff und Becher aus aufgeschäumtem Polystyrol sollen aus den Regalen verbannt werden.
Die Opposition hält den Gesetzentwurf der Umweltministerin hingegen für wenig durchdacht. Es brauche ein Gesamtkonzept, das über das Verbot hinaus auch Mehrweglösungen fördert, sagt Bettina Hoffmann, umweltpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen. „Der Umwelt ist nicht geholfen, wenn eine Plastiktragetasche einfach nur durch ein anderes Einwegprodukt eine dünne Plastiktüte oder die Papiertüte ersetzt wird.“
Papier schlimmer als Plastik
Die Studien mehrerer Umweltverbände geben Hoffmann recht. „Die Papiertüte hat eine schlechtere Umweltbilanz als eine Kunststofftüte“, erklärt etwa der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Die Produktion würde sehr viel Holz, extreme Mengen an Energie und Wasser sowie Chemikalien für Klebematerial und Druckfarben beanspruchen. Selbst die braunen Papiertüten seien nur selten aus Altpapier und in der Regel nur ungebleicht. Am umweltfreundlichsten sei jene Tütenvariante, die am häufigsten wieder genutzt wird. Kunden müssten deshalb eine Routine entwickeln, eine eigene Tasche oder alte Tüten mit zum Einkauf zu nehmen.
Im Schnitt verbrauchen Kunden in Deutschland schon heute nur 24 Plastiktüten pro Jahr. Damit ist Deutschland schon fast um die Hälfte unterhalb der Zielvorgabe der EU. Bis 2025 darf der Pro-Kopf- Verbrauch nur noch bei 40 Tüten pro Jahr liegen.
Deutsche kaufen schon deutlich weniger
Im Jahr 2016 hatte sich der deutsche Handel auf Drängen des Umweltministeriums freiwillig verpflichtet, die leichten Kunststofftragetaschen nicht mehr kostenlos anzubieten. Seitdem ist der Absatz laut Branchenverbänden um etwa zwei Drittel zurückgegangen. Der Bundesumweltministerin genügt das offenbar noch nicht. Laut Gesetzentwurf sei nicht zu erwarten, dass der Verbrauch bei bestehender Selbstverpflichtung des Handels noch weiter sinken wird. „Die Freiwilligkeit hat nur bis zu einem bestimmten Punkt geführt“, sagte Schulze.
Der Einzelhandel sieht in den Verbotsplänen der Ministerin nun einen klaren Vertrags- und Vertrauensbruch. „Die Einzelhändler haben Wort gehalten und die Vereinbarung mit dem Bundesumweltministerium zur Reduzierung von Einwegtragetaschen übererfüllt“, sagt Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE). Viele Unternehmen hätten Einwegtüten komplett durch Mehrwegangebote ersetzt. „Der Handel mit seinen drei Millionen Beschäftigten fragt sich, ob man sich auf das Wort der Regierung noch verlassen kann“, sagt Genth. Ein Verbot sei reine Symbolpolitik.
Kunden sind überzeugt
Die kunststoffverarbeitende Industrie wird sich hingegen kaum auf Einschnitte einstellen müssen. Die Plastiktüten machten im vergangenen Jahr weniger als ein Prozent aller Kunststoffverpackungen aus, erklärte die zuständige Industrievereinigung. Den größten Teil stellen die Verarbeiter nämlich für die weitere Industrie her. Dennoch: Der Verband sieht „die pauschale Diskriminierung der Plastiktüte“ trotz ökologischer Vorteile gegenüber anderen Taschen mit großer Sorge, heißt es auf Anfrage. Schließlich sei diese wenig differenzierte Betrachtung der Ausdruck einer allgemein Plastikkritik.
Umweltministerin Schulze ist überzeugt, dass ihr Verbot zumindest bei den Supermarktkunden gut ankommen wird. „Ich rechne mit großer Akzeptanz für das Verbot, am Ende wird niemand die Wegwerftüten vermissen", sagte Schulze. Aktuelle Umfragen geben ihr Recht. So sprechen sich immerhin auch drei Viertel der Deutschen für ein Verbot aus.
Cordula Eubel, Laurin Meyer