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Leichtverpackungen und Gelbe Säcke liegen auf der Deponie der Abfallwirtschaft in Hannover.
© Julian Stratenschulte/dpa

EU-Parlament stimmt über Richtlinie ab: Plastik-Verbot soll Müll in Europa reduzieren

Einweg ist kein Weg: Am Mittwoch stimmt das EU-Parlament über eine neue Richtlinie gegen Plastikmüll ab. Was sind die Folgen? Ein Überblick.

Vom Ohrstäbchen bis zur Plastiktüte – Schätzungen gehen davon aus, dass allein in der EU 150.000 bis 500.000 Tonnen Plastik pro Jahr ins Meer gelangen. Dafür sind nicht zuletzt die Konsumenten aus Deutschland verantwortlich. Denn bei der Produktion von Verpackungsmüll liegen die Deutschen in der EU ganz vorne. Nach Angaben des Umweltbundesamtes verbrauchten die Deutschen im Jahr 2016 pro Kopf 220 Kilo Verpackungsmüll. Im EU-Durchschnitt waren es 167 Kilo. Um den Müll zu reduzieren, will das Europaparlament an diesem Mittwoch über eine EU-Richtlinie zu Plastikverpackungen abstimmen.

Worüber wird genau im EU-Parlament abgestimmt?

Nach der Vorstellung des Europaparlaments sollen künftig EU-weit neun verschiedene Einwegprodukte aus Plastik verboten werden: Trinkhalme, Besteck, Teller, Luftballonstäbe, Rührstäbchen für den Kaffee, dünne Plastiktüten, Wattestäbchen, Getränkeverpackungen aus erweitertem Polystyrol und so genanntes „oxo-abbaubares Plastik“ – ein Material mit Metallbeimischung. So hatte es in diesem Monat der Umweltausschuss des Europaparlaments beschlossen, und entsprechend wird aller Voraussicht nach an diesem Mittwoch auch das Plenum in Straßburg abstimmen.

Das Verbot soll in Deutschland greifen, sobald die EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt ist. Dies dürfte bis spätestens 2021 der Fall sein.

Ein Problem für die Umwelt stellen zudem Lebensmittelverpackungen und Fast-Food-Behälter dar. Für derartige Produktgruppen, bei denen es keine preiswerten Alternativen aus anderen Stoffen gibt, will das Europaparlament eine Minderung beim Verbrauch bewirken. Bei Einwegplastikflaschen sieht das Parlament zudem ab 2025 eine Recycling-Quote von 90 Prozent vor.

Bis zuletzt umstritten war im EU-Parlament, wie ambitioniert die EU-Staaten bei der Verringerung des Plastikmülls vorgehen sollen. Vor der Abstimmung wollten die Fraktionen noch einmal über einen Änderungsantrag des CDU-Umweltpolitikers Karl-Heinz Florenz (CDU) beraten, der eine Verschärfung der Richtlinie vorgeschlagen hat. Nach seinem Vorschlag soll der Plastikmüll bis 2025 in jedem EU-Mitgliedstaat um mindestens 25 Prozent reduziert werden. In der bisher vorliegenden Beschlussvorlage ist lediglich die Rede davon, dass die Mitgliedstaaten innerhalb von vier Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie zu einer ambitionierten und nachhaltigen Reduktion von Plastikprodukten wie Lebensmittelverpackungen oder Trinkbechern kommen und dabei selbst entsprechende Ziele festlegen müssen.

Wie geht es nach dem EU-Votum in der Gesetzgebung weiter?

In den kommenden Monaten müssen sich die EU-Kommission, das Europaparlament und die Mitgliedstaaten im so genannten Trilog-Verfahren über den endgültigen Gesetzestext einigen. Die EU-Kommission war es gewesen, die bereits im vergangenen Mai den ursprünglichen Vorschlag für das Plastikverbot gemacht hatte. EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans gehört zu denen, die dem Plastikverbrauch den Kampf angesagt haben. Nach seinen Worten geht es nicht zuletzt darum, die nächste Generation zu einem umweltfreundlichen Verhalten anzuhalten: „Wenn Kinder wüssten, was sie mit dem Verbrauch von Einweg-Plastikhalmen anrichten, dann würden sie noch einmal nachdenken und Papierhalme nutzen – oder Strohhalme ganz weglassen.“

Auch die EU-Mitgliedstaaten werden voraussichtlich die Plastik-Richtlinie im Grundsatz mittragen. Denkbar ist allerdings, dass einzelnen Mitgliedstaaten ihre industriellen Interessen bei den Beratungen geltend machen werden. So hat etwa in Schweden die Herstellung von Papierbechern, die mit Plastik beschichtet sind, eine wichtige Bedeutung.

In Brüssel geht man daher davon aus, dass die Einigung zwischen Mitgliedstaaten, EU-Kommission und Europaparlament im kommenden Jahr steht. Anschließend beginnt dann die gesetzgeberische Umsetzung in den Mitgliedstaaten, für die eine zweijährige Frist gilt.

Warum kommt so viel Plastik zum Einsatz?

Für Unternehmen ist Plastik so etwas wie ein Allzweckmittel: Es ist günstig, langlebig und vielseitig einsetzbar. Deshalb steckt es heutzutage in fast allen Waren, sei es als Polyester und Viskose in der Kleidung oder als Polyurethan in Matratzen und Küchenschwämmen. Alternativen zu finden, ist zwar häufig möglich – aber teuer. Für die Firmen ist es in der Regel günstiger, auf Basis von Rohbenzin neues Plastik herzustellen, als Altplastik zu recyceln. Deshalb sind auch bislang die Recyclingquoten beim Plastik noch so gering: Selbst in Deutschland, dem Land der Mülltrenner, werden bislang nur 36 Prozent Plastikabfälle aufbereitet und weiterverarbeitet.

Wieviel Plastik die Welt produziert hat – und was daraus geworden ist.
Wieviel Plastik die Welt produziert hat – und was daraus geworden ist (Klicken für vollständige Ansicht).
© Tsp/Bartel

Wie reagiert die Wirtschaft auf das Verbot?

Das Verbot von Einwegplastik zwingt viele Firmen zum Handeln. Manche haben auch schon vorsorglich reagiert. So hat die Supermarktkette Rewe angekündigt, bis zum Ende des Jahres den Verkauf von Plastikhalmen einzustellen. Lidl und Kaufland wollen bis Ende 2019 neben den Plastikhalmen auch andere Einwegartikel aus Plastik aus dem Sortiment nehmen wie Becher, Teller, Besteck und Wattestäbchen.

Auch die großen Ketten, die To-go-Getränke und -Essen anbieten, reagieren. McDonalds etwa gibt in einzelnen Vorzeigefilialen testweise bereits Gläser und Porzellanteller aus. In Großbritannien und Belgien prüft die Burgerkette, wie Papierhalme bei den Kunden ankommen. Auch Starbucks hat angekündigt, sich ab 2020 vom Plastikhalm zu verabschieden. Der US-Konzern hat für Kaltgetränke zudem neue Becherdeckel mit einer schnabelförmigen Öffnung entwickelt, für die man erst gar keinen Trinkhalm mehr braucht. Um auch die Becher selbst aus kompostierbarem Material herzustellen, haben Starbucks und McDonald’s aktuell einen Wettbewerb ausgeschrieben: Zehn Millionen Dollar wollen sie gemeinsam in die Entwicklung eines alternativen To-Go-Bechers investieren.

Geben Plastikverpackungen Mikroplastik an die Nahrungsmittel ab?

Viele Tütenverpackungen werden aufgerissen. Dabei entsteht Mikroplastikstaub. Dieser kann in das Nahrungsmittel gelangen, aber auch aus der Luft in den Mund und damit in den Darm, aber auch die Atemwege kommen.

In der Nahrungsmittelindustrie werden zahlreiche Geräte mit Plastikteilen genutzt. Großverpackungen für Zutaten sind auch oft aus solchen Materialien. Sie werden meist aufgeschnitten oder -gerissen. In der Umwelt ist viel Mikroplastik vorhanden. Es kann in die Nahrungskette gelangen, Abrieb von Autoreifen etwa, der sich auf Getreideähren ablagert. Genau untersucht ist all dies nicht.

Vor einiger Zeit wurde gemeldet, Mikroplastik sei in Meersalz gefunden worden. Deutlich mehr Mikroplastik dürfte jemand aufnehmen, der das grobkörnige Gewürz mit einem handelsüblichem Plastik-Mahlwerk zerkleinert.

Hausstaub hat, je nach Ausstattung der Wohnung (Kunststoffteppich oder Naturteppich) einen mehr oder weniger hohen Kunststoffanteil. Dieser Staub kann sich auf Nahrungsmitteln ablagern oder aus der Luft in den Mund gelangen. Ähnliches gilt für Fasern von Kleidungsstücken. In Plastiktüten eingefrorene Lebensmittel können, speziell wenn das Gefriergut noch im gefrorenen Zustand aus der Verpackung entfernt wird, ebenfalls Plastikteilchen mitreißen

Kommt Mikroplastik durch Fische und andere Tiere in den Körper?

Das meiste Mikroplastik wird im Darm von Tieren gefunden. Dieser wird nur selten mit Inhalt mitgegessen. Ausnahmen sind etwa Garnelen oder kleine Fische. Sehr kleines Mikro- oder Nanoplastik kann aber offenbar über die Darmwand etwa von Fischen in deren Blut gelangen. Das haben Forscher vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei nachgewiesen.

Was bewirkt Mikroplastik im Körper und wie gesundheitsschädlich ist es?

Mikroplastik wird mit dem Stuhl ausgeschieden. Ob winzige Teile auch bei Menschen über den Darm ins Blut gelangen können, ist bislang nicht bekannt. Allerdings können sich unter Einfluss von Magensäure und Darmbakterien Substanzen aus dem Kunststoff lösen und in den Körper aufgenommen werden. Hier können sie möglicherweise toxische, hormonähnliche und krebsfördernde Wirkungen haben. In welchem Maße das bei den gefundenen Arten von Mikroplastik tatsächlich geschieht, ist kaum untersucht.

Wie kann man die Aufnahme von Mikroplastik vermeiden?

Vielen Quellen, etwa im Straßenverkehr, kann man kaum entgehen. Auf Plastikverpackungen zu verzichten oder bei deren Öffnen vorsichtig zu sein, kann die Exposition wahrscheinlich verringern, ebenso wie Raumlüften und Verzicht auf Kunststofftextilien. Plastikmahlwerke für Gewürze, Kaffee und andere eher harte Zutaten in der Küche zu meiden, könnte auch hilfreich sein. Hierzu, und auch auf die Frage, ob Verzicht auf Fleisch und Fisch einen Unterschied machen kann, fehlen allerdings aussagekräftige Studien.

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