Kitastreik: Die nächste Runde droht
Die Verdi-Mitglieder haben über den Schlichterspruch im Kita-Streit abgestimmt. Jetzt wird wieder verhandelt - und womöglich gestreikt. Verdi-Chef Bsirske sitzt in der Klemme.
Frank Bsirske hat einen heißen Sonnabend vor sich. Im Hotel Esperanto in Fulda diskutiert der Verdi-Vorsitzende heute mit 300 sogenannten Streikdelegierten aus der ganzen Republik das weitere Vorgehen im Kita-Streik. Es werden die Weichen gestellt für die nächsten Wochen: Kommt der Ende Juni nach zähen Verhandlungen, Streiks und einer Schlichtung erreichte Tarifkompromiss zum Tragen, oder geht das ganze Theater von vorne los, weil die Erzieherinnen und Sozialarbeiter das Ergebnis ablehnen?
Die Antwort hängt ab vom Votum der Basis: In den vergangenen Wochen haben die Verdi-Mitglieder in den betreffenden Sozialberufen über den Schlichterspruch abgestimmt. Das Ergebnis bringt Bsirske mit nach Fulda. Wenn die Mehrheit zugestimmt hat, ist alles gut. Wenn nicht, hat Bsirske ein Problem. „Dann hängen wir am Fliegenfänger“, heißt es im Umfeld des Verdi-Vorsitzenden. Soll er noch mal zum Streik aufzurufen? Warum aber sollte ein weiterer Arbeitskampf ein besseres Ergebnis bringen als das vorliegende, für das Verdi und die kommunalen Arbeitgeber (VKA) acht Verhandlungsrunden, vier Wochen Streik und eine Schlichtung brauchten? Am kommenden Donnerstag steht in Offenbach die nächste Verhandlungsrunde mit der VKA an. Entweder wird dann aus dem Schlichterspruch ein Tarifvertrag, oder der Konflikt um die Bezahlung von rund 240 000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst verlängert sich. Mit trüben Aussichten für die Eltern, deren Kinder nicht betreut werden. Indes nicht in Berlin: Hier gilt ein anderer Tarifvertrag, der Konflikt geht an der Stadt vorbei.
Verdi wollte zehn Prozent und bekam 3,3
Bsirske war mit dem Ziel einer Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe in den Konflikt gegangen, der sich von einer normalen Tarifrunde völlig unterscheidet: Es ging um andere Eingruppierungen, also deutliche Einkommenserhöhungen, die im Schnitt zehn Prozent betragen sollten. Nach Angaben der Arbeitgeber hätte das die Personalausgaben der Kommunen um rund 1,2 Milliarden Euro erhöht, entsprechend zäh verliefen die Verhandlungen. Und ergebnislos.
Im Mai kam es zum Streik; über vier Wochen beteiligten sich bundesweit Zehntausende an dem Ausstand, bis dann Bsirske und VKA-Präsident Thomas Böhle ein paar Tage und Nächte erneut verhandelten. Ergebnislos. Beide Parteien beauftragten daraufhin die früheren Politiker Herbert Schmalstieg (SPD) und Georg Milbradt (CDU) mit der Schlichtung. Und tatsächlich gab es Ende Juni einen Schlichterspruch, dem auch die Verdi-Vertreter in der Schlichterkommission zustimmten. Selbstverständlich auch Frank Bsirske. Statt zehn Prozent mehr Geld sollten es nun im Schnitt 3,3 Prozent sein.
Bsirske warnt vor einem neuen Streik
Bsirske nannte damals eine Spanne der Einkommenserhöhungen in den einzelnen Berufsgruppen von 1,28 bis 10,6 Prozent. Die VKA bezifferte die „Zugewinne für die Beschäftigten zwischen 22 und 160 Euro“. Indes schnitten vor allem die Sozialarbeiter – rund 90 000 der 240 000 – besonders schlecht ab. Auch deshalb kippte die Stimmung bei Verdi. Ursprünglich hatte die Gewerkschaft in einer ersten Bewertung von „Verbesserungen für alle Beschäftigtengruppen“ gesprochen. Doch bei der dann folgenden Streikdelegiertenkonferenz Ende Juni bekam Bsirske den Verdruss der Betroffenen ab: Vier Wochen Streik für ein paar Prozentpunkte oder sogar gar nichts? Bsirske rief daraufhin die Mitglieder auf, über Annahme oder Ablehnung des Schlichterspruchs zu befinden und gab ihnen zu bedenken: „Wir müssen abwägen, ob wir es uns zutrauen können, durch weitere Streikwochen substanziell mehr zu erreichen.“ In dem Fall müsste man aber „gegen die Schlichtungsempfehlung und erhebliche Teile der Öffentlichkeit anstreiken“, warnte der Verdi-Chef seine Basis.
Die Arbeitgeber wollen nichts drauflegen
Heute wird sich zeigen, ob sie auf ihn gehört hat, wenn er das Abstimmungsergebnis bekannt gibt. Allgemein wir Ablehnung erwartet. Dann muss er sich mit den Streikdelegierten herumschlagen – eine Erfindung dieser Tarifrunde, mit der Bsirske auf mehr Beteiligung setzt –, und am Dienstag mit der Bundestarifkommission der Gewerkschaft. Donnerstag trifft er in Offenbach Böhle und die anderen Vertreter der Arbeitgeber zu erneuten Verhandlungen. Die beharren auf der Schlichtungsempfehlung, und wollen keinesfalls nachlegen. „Ich schließe das im Prinzip aus“, sagte Böhle dem Tagesspiegel. „Im Prinzip“ – da klingt Kompromissbereitschaft durch. Aber Böhles Spielraum ist eng, schon gegen den Schlichterspruch gab es Widerstand in den eigenen Reihen, vor allem aus ostdeutschen Kommunen. Ein Ausweg ist also nicht in Sicht. Streiks kommen nicht wirklich infrage, weil Verdi unmittelbar nach den Sommerferien nicht die Eltern verärgern will, und weil Arbeitskämpfe teuer sind. Bsirske muss sich etwas einfallen lassen.
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