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Der Enkel. David Rockefeller, letzter noch lebender Enkel von John D. Rockefeller, gründete den Rockefeller Family Fund.
© dpa

Rockefeller ohne Öl: Die moralische Vernunft des Kapitalismus

Der steinreiche Rockefeller-Fonds verkauft Aktien des Öl-Konzerns Exxon Mobil und investiert ökologisch. Wie bei vielen Investoren steckt dahinter mehr als eine moralisch-ethische Kehrtwende. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Henrik Mortsiefer

Facebook-Günder Mark Zuckerberg will 99 Prozent seiner Firmenanteile spenden. Investment-Legende Warren Buffett verschenkt jedes Jahre Milliarden. Buffett und Bill Gates, der Gründer von Microsoft, haben mehr als 100 wohltätige Milliardäre für ihre Stiftung „The Giving Pledge“ gewonnen. Und nun Rockefeller, das Symbol des Raubtierkapitalismus: Der Familienfonds der superreichen US-Dynastie steigt aus dem Ölgeschäft aus, das den Clan groß gemacht hat. Investiert wird jetzt ökologisch. Die Begründung: „moralisch verwerfliche“ Geschäftspraktiken des Öl-Konzerns Exxon Mobil, dessen Aktien Rockefeller aus dem Depot wirft.
So verschieden die Motive der reichen Wohltäter sind. Ihr Engagement für die gute Sache folgt einem Trend, dem sich immer mehr Großinvestoren anschließen – auch in Deutschland. Es scheint, als werde der Mode- und Marketingbegriff „Nachhaltigkeit“ mit Leben erfüllt.

Die rationale Reaktion auf veränderte Rahmenbedingungen

Der spektakuläre Abschied vom Öl, den Rockefeller und andere nehmen, ist indes mehr als nur eine moralisch-ethische Kehrtwende. Die milliardenschweren Anleger reagieren damit ganz rational auf veränderte Rahmenbedingungen. Kurzum: Die Gutmenschen haben schlicht ausgerechnet, wo sie unter dem Strich die bessere Rendite erzielen können – und zwar nachhaltig. Und sie kalkulieren nüchtern, wo ihnen langfristig die geringeren Risiken drohen. Rockefeller zieht sich auch aus dem Öl-Business zurück, weil Exxon Mobil womöglich die Auswirkungen seines Geschäfts auf den Klimawandels verschwiegen hat. Umweltlügen können im US-Rechtssystem teuer werden. VW erlebt dies gerade in der Diesel-Affäre. Investoren schreckt all dies ab. Auch die ethisch Denkenden wollen am Ende kein Geld verlieren.

Beim Öl zeigt sich die Schnittmenge zwischen Moral und Profitstreben. Der Verfall des Ölpreises hat die Geschäftsmodelle jener Industrien, die vom Rohstoff abhängen, grundsätzlich in Frage gestellt. War es früher die Frage nach der Endlichkeit der Öl-Quellen, fragen sich heute viele, wann die Nachfrage nach dem fossilen Brennstoff versiegt. Förderanlagen wurden geschlossen, tausende Arbeitsplätze gestrichen, Investitionen gestoppt. Die Aktienkurse der Ölfirmen sind eingebrochen, auch der von Exxon Mobil. Das treibt Profi-Anleger aus allen Anlagen, die mit dem „schwarzen Gold“ zu tun haben. So wächst die Zahl der Investoren, die nach rentablen Alternativen am Kapitalmarkt suchen. Öl und Gold glänzen nicht mehr, Staatsanleihen werfen nichts mehr ab, Immobilien sind zu teuer. Wohin also mit dem Geld?

Regulierung provoziert Erkenntnis

Die Not der Anleger macht sie moralisch. Einige von ihnen. Beim Thema Energieversorgung lautet die Schlussfolgerung: Wenn die Weltbevölkerung nicht an ihrem eigenen Dreck ersticken will, muss der Kapitalismus buchstäblich sauberer werden. Und für die Saubermänner kann sich das wirtschaftlich lohnen. Spät kommt diese Erkenntnis und sie verdankt sich vor allem strengerer Regulierung. Ohne Atom- und Kohleausstieg keine Erneuerbaren. Ohne rigide CO2-Normen keine Elektromobilität. Ohne das Pariser Abkommen weniger Klimaschutz.
Doch egal, ob Treiber oder Getriebene – die Milliardäre und ihr Geld können die Welt verändern. Vielleicht verbessern sie sie sogar. Als Facebook mit dieser Vision vor Jahren an die Börse ging, klang das noch nach kalifornischem Pathos. Bei Rockefeller klingt es nach Vernunft.

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