Copycats - Die Nachahmer: Die Kunst des Kopierens
Viele junge Internet-Firmen kopieren erfolgreiche Geschäftsmodelle. Ist das schlimm?
Am Anfang war Alando. Im Februar 1999 gründeten die Brüder Marc, Oliver und Alexander Samwer ihre erste Internetfirma in Berlin. Vorbild war die Online-Auktionsplattform Ebay aus den USA. Alando war damals keineswegs der einzige Ebay-Nachahmer in Deutschland, aber so erfolgreich, dass das amerikanische Original auf Alando aufmerksam wurde. Nach nicht einmal sechs Monaten kaufte Ebay die Samwer-Kopie – je nach Quelle – für 43 Millionen oder sogar 60 Millionen Dollar. Die Samwers und ihr Team hatten nun Startkapital für weitere Gründungen – und Ebay musste in Deutschland nicht bei null anfangen. Auch andere entdeckten das Kopieren als Weg zum Erfolg, die Samwers jedoch perfektionierten das Klonen von Geschäftsmodellen und machten daraus ein Geschäft.
Der Online-Modehändler Zalando, die bislang erfolgreichste Kopie, bei der die Samwers Starthilfe gaben, geht nun an die Börse – ebenso die Start-up-Fabrik Rocket Internet, die Dutzende weitere Klone hervorgebracht hat. Copycats nennen die Amerikaner diese kopierten Geschäftsmodelle abschätzig. Auf die Kritik reagiert Oliver Samwer gelassen. „Neue Unternehmen bauen immer auf Geschäftsmodelle auf, die es bereits irgendwo auf der Welt gab. Das war schon immer so“, sagt er. Auch andere sehen das so.
"So versickert weniger Geld"
„Das Kopieren von Geschäftsideen ist kein kreativer Akt“, meint Christian Horneber. „Die Idee etwa an verschiedene Länder anzupassen, erfordert jedoch sehr wohl gewisse Kreativität.“ Horneber ist Autor des Buches „Der kreative Entrepreneur“ und Beteiligungsmanager bei NWZ Digital. Wer ein Unternehmen gründe, gehe immer ein Risiko ein. Wer aber bei der Gründung ein erfolgreiches Geschäftsmodell kopiere, minimiere dieses Risiko. „So versickert weniger Geld“, sagt Horneber. Dabei bedeute Kopieren zwar oft ein ethisch fragwürdiges Vorgehen, bedeute aber nicht notwendigerweise Stehlen. „Wer eine gute Idee kopiert, muss natürlich Marken- und Patentrechte beachten“, sagt Horneber. Wer nachahmt hat den Vorteil, dass er die Fehler des Vorbilds nicht machen muss, die Kopie hat also gute Chancen, besser zu sein als das Original. Dafür haben Nachahmer ein Imageproblem, sagt Horneber.
"Am Ende zählt der Erfolg"
Tobias Kollmann sieht das pragmatisch. „Am Ende des Tages zählt der Erfolg“, sagt der Professor für E-Business an der Uni Duisburg-Essen und Vorsitzende des Beirats junge digitale Wirtschaft. „Wir brauchen starke digitale Unternehmen, die aus Deutschland herauskommen“, sagt Kollmann. „Und eine gute Idee zu haben, garantiert keinen Erfolg. Deshalb ist es egal, ob die Idee innovativ oder kopiert ist, Hauptsache, man kann sich im Wettbewerb durchsetzen. Und das ist kein Zuckerschlecken.“ Einen Markt zu erschließen, Kunden zu gewinnen, Umsätze zu generieren – darauf komme es an.
Unterschiedliche Strategien: First Mover oder Follower
Die Betriebswirtschaftlehre kennt beide Strategien: die des „First Movers“, der vorangeht und einen neuen Markt erschließt, und die des „Followers“, der zunächst beobachtet, wie die Sache läuft. „Beide Strategien sind legitim“, sagt Kollmann. Schließlich gebe es auf der Welt auch mehr als einen Automobilhersteller. Für den frühen Markteintritt sprächen die Reputation, die man sich als Pionier erwirbt, dass man schneller lernt und Markteintrittsbarrieren aufbauen kann. Für das Abwarten spreche, dass die Kunden ein Geschäftsmodell dann schon kennen, die Kosten der Markteinführung geringer sind, dass man Kinderkrankheiten vermeidet und es leichter ist, Kunden abzuwerben als neu zu gewinnen. „Wir dürfen das Kopieren nicht verteufeln“, sagt Kollmann. „Wir brauchen beide Wege: Innovation und Imitation.“ Wichtig sei, dass überhaupt viele neue erfolgreiche Unternehmen entstehen. Der Börsengang von Zalando sei insofern ein Lackmus-Test für die digitale Branche. „Es wird sehr spannend, was passiert“, sagt Kollmann.
"Wir haben immer schamlos gute Ideen geklaut"
Es gibt prominente Befürworter des Ideenklaus: „Gute Künstler kopieren. Großartige Künstler stehlen. Und wir haben immer schamlos gute Ideen geklaut“, hat Apple-Gründer Steve Jobs einmal gesagt. Anderen gestand er das aber nicht zu. Später schimpfte er auf Google, das Betriebssystem Android sei ein einziger großer Diebstahl. Das Künstler-Zitat hat Jobs übrigens auch geklaut, von Pablo Picasso.
Corinna Visser