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Sorgt für Aufregung: Martin Winterkorn, Ex-Vorstandschef der Volkswagen AG, bekommt 3100 Euro Betriebsrente - am Tag.
© Kay Nietfeld/dpa

Debatte über Managergehälter: Die Koalition sucht nach dem rechten Verhältnis

Die Gehälter der Spitzenmanager sind jahrelang stärker gestiegen als die der Arbeitnehmer. Die SPD will einen gesetzlichen Deckel einziehen. Die Union hat andere Vorstellungen.

Sind sie leistungsgerecht bezahlt, oder verdienen deutsche Manager viel zu viel Geld? Die Frage polarisiert, und damit taugt sie auch für die Aufwärmphase des Bundestagswahlkampfes. SPD, Grüne und Linke rufen nach Begrenzung, die Union warnt vor Populismus. Aber seit die Kanzlerin vorigen Dienstag in der Unions-Fraktion zu erkennen gab, dass sie das Thema auch beschäftigt (und zwar nicht im Sinne des Wirtschaftsflügels ihrer Partei), kommt neuer Schwung in die Debatte. Die Höhe der Gehälter von Managern waren schon immer ein Streitthema. Aber in den letzten zwanzig Jahren haben sich die Dimensionen deutlich verschoben. Seit Mitte der 90er-Jahre begannen die realen Arbeitnehmereinkommen in Europa zu stagnieren (in den USA schon zwei Dekaden früher) – nicht aber die Vergütungen in den obersten Etagen der Unternehmen. Unter Personalberatern gilt Jürgen Schrempp, Daimler-Chef von 1995 bis 2005, häufig als derjenige, der die Entwicklung startete mit der Übernahme des US-Autobauers Chrysler und seinem Ziel, einen globalen Konzern zu schmieden. Die Deutschland AG, die relativ enge Verflechtung der deutschen Spitzenunternehmen über gegenseitige Beteiligungen und Aufsichtsratsmandate, löste sich damals langsam auf. Die Bilanzregeln wurden denen der USA angenähert. Shareholder Value war das neue Zauberwort. Die Managervergütungen wurden amerikanischen Gepflogenheiten angepasst. Zum Grundgehalt kamen leistungsabhängige Boni, oft gekoppelt an den Aktienkurs.

Das 57-fache

Die Entwicklung lässt sich gut an einer Messzahl ablesen: dem Verhältnis der Managergehälter zu dem des durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens im Betrieb. Linken-Fraktionschefin Sarah Wagenknecht zitierte am Freitag im Bundestag für die frühen 90er Jahre ein durchschnittliches Verhältnis von 28 zu 1. Nach einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung aus dem Vorjahr lag das Verhältnis im Jahr 2005 schon bei 42 zu 1, und mittlerweile liegen die Vorstandsgehälter in Dax-Unternehmen beim 57-fachen des Durchschnittseinkommens. Aus Sicht mancher Manager dürfte freilich noch Luft nach oben sein – in den USA liegt das Verhältnis seit Jahren bei mehr als 300 zu 1. Spitzenreiter in Deutschland ist der Volkswagenkonzern. In dessen Vorstandsetage wurde 2014 laut Böckler-Stiftung das 141-fache des Durchschnittslohns verdient. Weit oben auch die Deutsche Post (132), Adidas (116), Henkel (98) und Metro (95). Bei Daimler liegt das Verhältnis bei 91 zu 1, im Siemens-Konzern bei 69 zu 1. Fast schon bescheiden wirken da die Bezüge bei Beiersdorf (das 17-fache) oder bei BASF (das 31-fache). Ganz vergleichbar sind die Zahlen zwischen den Unternehmen allerdings nicht, weil die Durchschnittseinkommen bei einem Technologiekonzern höher sind als bei einem Autobauer und erst recht bei einem Handelsunternehmen.

Hauptversammlung statt Aufsichtsrat

Die Politik jenseits und diesseits des Atlantiks hat schon vor Jahren erkannt, dass die Entwicklung ungut ist. In den USA sind Börsenunternehmen von diesem Jahr an verpflichtet, das Verhältnis der Managervergütung zum Mitarbeiterschnitt zu veröffentlichen. In Deutschland wurden im Zuge der Finanzkrise Maßnahmen zur Begrenzung der Einkommen von Bankmanagern eingeführt. Die schwarz-rote Koalition vereinbarte 2013 zudem: „Um Transparenz bei der Feststellung von Managergehältern herzustellen, wird über die Vorstandsvergütung künftig die Hauptversammlung auf Vorschlag des Aufsichtsrats entscheiden.“ Die Unternehmenseigner sollten entscheiden, wovon man sich einen dämpfenden Effekt auf die Vergütungen verspricht. Doch umgesetzt ist diese Koalitionsvereinbarung bis heute nicht. Der zuständige Justizminister Heiko Maas (SPD) legte keinen Gesetzentwurf vor. In der Union heißt es, die Gewerkschaften seien dagegen, weil sie mit der Verlagerung der endgültigen Entscheidung weg vom Aufsichtsrat weniger Einfluss hätten. Möglicherweise wollten sich die Sozialdemokraten dieses Gerechtigkeitsthema aber auch für den Wahlkampf aufheben. Maas will nun Anfang März einen Gesetzentwurf vorstellen. Es soll um eine Deckelung von Managergehältern gehen, Parteiführung und Bundestagsfraktion haben Vorschläge gemacht.

Paradefall Volkswagen

Freilich sind die Umstände derzeit nicht günstig: Ausgerechnet die ehemalige SPD-Politikerin Christine Hohmann-Dennhardt bekommt nach nur 13 Monaten als VW-Vorstandsmitglied eine Abfindung von zwölf Millionen Euro. Und als Paradebeispiel für einen überbezahlten und überversorgten Manager gilt seit der Abgasaffäre bei Volkswagen der Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn, dessen Spitzengehalt 2011 bei 16 Millionen Euro im Jahr lag und dessen tägliche Rentenzahlung aus der Konzernkasse 3100 Euro ausmacht. Im VW-Aufsichtsrat sitzen wegen der Beteiligung von Niedersachsen der Ministerpräsident des Landes, Stephan Weil, und sein Wirtschaftsminister Olaf Lies, beide sind Sozialdemokraten. Sowohl der Koalitionspartner als auch die Opposition fragen daher, warum die SPD einerseits nach Gesetzen zur Deckelung ruft, andererseits ihren starken Einfluss im VW-Aufsichtsrat (auch über die Gewerkschaftsmitglieder dort) nicht einsetzt. Finanz-Staatssekretär Michael Meister (CDU) wirft dem Koalitionspartner gar „Scheinheiligkeit“ und „Doppelmoral“ vor.

Klappt eine steuerliche Begrenzung?

Ob die Union das Vorhaben der SPD unterstützt, über eine Deckelung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Vorstandsgehältern bei 500000 Euro eine Verringerung der Bezüge zu erreichen, ist unklar. Meister gibt zu bedenken, dass die Vertragsfreiheit vom Grundgesetz gedeckt sei. Zudem hat er rechtliche Bedenken, die sich am Nettoprinzip festmachen – besteuert werden darf demnach nur der Gewinn nach Abzug der Betriebskosten, und zu denen gehören alle Gehälter. In einem seltenen Moment der Übereinstimmung betonten Wagenknecht und der CDU-Wirtschaftspolitiker Heribert Hirte im Bundestag, dass aus ihrer Sicht eine steuerliche Deckelung keineswegs zu geringeren Vergütungen führen werde. Und der CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs sagt, eine solche Deckelung müsse dann auch bei Fußballprofis oder TV-Moderatoren gelten. Die Vorstellung in der SPD-Fraktion, allen Unternehmen per Gesetz ein konkretes Verhältnis der Managervergütungen zum Durchschnittseinkommen im Betrieb vorzuschreiben, hat Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) verworfen. Alternativ schlug der SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner jetzt vor, Unternehmen zu verpflichten, sich selbst ein solches Verhältnis aufzuerlegen. Ein Beispiel gibt es: Die Carl-Zeiss-Stiftung hat als Obergrenze das Zehnfache eines Facharbeiterlohns festgelegt. Das könnte ein Kompromiss sein: Die SPD setzt die Selbstverpflichtung der Konzerne durch (die ähnlich auch von Linken und Grünen gefordert wird), die Union bekommt die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, dass künftig die Hauptversammlung eines Unternehmens das letzte Wort hat.

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