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Legehennen in einem deutschen Mastbetrieb. Afrikanische Geflügelhalter kommen oft nicht gegen Billighähnchen aus Europa an.
© dpa

Welthandel - Freihandel mit Afrika: Die EU will wie Afrika behandelt werden

Die geplanten Wirtschafts-Partnerschaftsabkommen mit Afrika, EPA, nutzen vor allem der EU. Denn Subventionen machen europäische Produkte konkurrenzlos billig. Ein Gastkommentar.

Handel bringt Wandel, das steht außer Zweifel. Die Frage ist nur: Welchen Wandel, und wem nutzt er? Handel kann zu menschlicher Entwicklung und zu Wohlstand beitragen, wenn er fair und nachhaltig gestaltet wird. Sonst droht er, soziale und internationale Ungleichheiten zu verschärfen und natürliche Lebensgrundlagen zu zerstören. Das gilt auch für den Handel zwischen Europa und Afrika. Unter dieser Fragestellung gilt es, die Wirtschafts-Partnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements, kurz EPAs) zu betrachten. Die ersten Verträge dieser Art zwischen der EU und der westafrikanischen Staatengemeinschaft sollen nun nach zwölf Jahre dauernden Verhandlungen ratifiziert werden.

Im Kern geht es in den Abkommen um den gegenseitigen Verzicht auf Handelsbeschränkungen: Lässt Du meine Waren zollfrei ins Land, lasse ich Deine durch. Zwar haben Afrikas Exporte schon seit vielen Jahren zollfreien Zugang in die EU. Mit dem Argument, dass diese einseitige Zollpräferenz unfair gegenüber anderen Entwicklungsländern sei, will die EU jetzt davon aber Abstand nehmen. Sprich: Sie will für sich ebenfalls generellen zollfreien Zugang zu den afrikanischen Staaten einhandeln - für mindestens 80 Prozent der EU-Exporte.

Doch dabei verhandeln die westafrikanischen Staaten und die EU nicht auf Augenhöhe: Afrika ist auf die Zollpräferenz für seine Waren in der EU angewiesen, denn daran hängen Chancen zur Entwicklung der afrikanischen Länder. Eben darum hat die EU ihnen einst Präferenzen gewährt. Im Lissabon-Vertrag hat sich die EU zudem verpflichtet, ihr außenpolitisches Handeln (und dazu gehört der Handel ganz besonders) so auszurichten, dass es den Anstrengungen der europäischen Entwicklungszusammenarbeit nicht zuwiderläuft, sondern diese im Gegenteil fördert.

Der Welthandel hat sich vervielfacht, einem Großteil der Weltbevölkerung hilft das nichts

In den vergangenen 30 Jahren hat sich der Welthandel verneunfacht. Doch trotz (oder gerade wegen) dieser enormen ökonomischen Zuwachsraten profitiert nur ein begrenzter Teil der Menschen von den um den Globus zirkulierenden Waren und Dienstleistungen. Ein beträchtlicher Anteil der Weltbevölkerung ist hingegen von dieser Entwicklung ausgeschlossen. Ohnehin benachteiligte Bevölkerungsgruppen in Afrika wie kleinbäuerliche Betriebe oder Fischer haben bisher wenig profitiert – trotz bisheriger Zollpräferenzen.

Wieso geht man also davon aus, dass die westafrikanischen Produzenten jetzt weniger europäische Schützenhilfe beim Zugang zu den EU-Märkten bräuchten? Oder die westafrikanischen Märkte jetzt weniger Schutz vor europäischen Exporten? Davon geht keiner aus, aber die EU will und kann den Welthandel nun uneingeschränkter dem neo-liberalen Freihandelsdogma unterwerfen (siehe auch TTIP). Sie kann es im Falle Westafrikas angesichts des enormen Machtungleichgewichtes auch tun: Unter der EU-Drohung, Strafzölle für afrikanische Waren einzuführen, haben die meisten Staaten die Abkommen vorläufig unterzeichnet, da sie keine Alternative sahen.

Nun verlangt die EU, dass die Verträge bis 2017 auch ratifiziert sein müssen - ohne dass sich seit den vorläufigen Unterzeichnungen neue Verhandlungstüren geöffnet hätten. Die Afrikanische Union hatte dagegen angeboten, auf die EPAs zu verzichten und stattdessen einer panafrikanischen Wirtschaftszone ab 2017 einseitig den EU-Marktzugang zu gewähren - ohne auf deren prinzipieller Marktöffnung in allen Fällen zu bestehen. Das hätte präzise Ausnahmen ermöglicht - dort, wo konkret besonders großer Schutzbedarf von einzelnen afrikanischen Regierungen gesehen wird.

Afrika verliert durch EPAs jährlich rund zwei Milliarden Euro an Zolleinnahmen

Die Ratifizierung der EPAs wird solche, auch limitierte, Schutzmaßnahmen in Zukunft verbieten. Zwar verspricht die EU ihrerseits, dass es keine europäischen Exportsubventionen geben soll, die die europäischen Waren konkurrenzlos billig auf afrikanischen Märkten machen. Aber das sind sie auch so schon. Es sind die Milliarden-Subventionen für die EU-Landwirtschaft: Sie machen die EU-Produkte so billig, dass diese die afrikanischen Märkte überfluten. Dagegen soll sich Afrika nicht mehr schützen dürfen.

Nach Schätzungen von "South Centre" in Genf, dem Thinktank der Entwicklungsländer bei der WTO, verliert Westafrika bis 2035, wenn die letzten Zölle fallen, im Durchschnitt jährlich 1,9 Milliarden Euro an Zolleinahmen. In manchen Ländern wie Gambia machen diese Einnahmen aber über ein Drittel der Staatshaushalte aus. Als Ausgleich hat die EU Gesamtmittel für Projekte in Höhe von nur 7,3 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Aber diese Mittel stünden Westafrika auch ohne EPA zu. Es ist  kein „frisches Geld“, sondern ohnehin eingeplante EU-Mittel aus dem Entwicklungsfonds.

Die Schere zwischen armen afrikanischen und reichen europäischen Ländern wird also vermutlich noch größer werden. Ein solches Vorgehen widerspricht den oben erwähnten europäischen Prinzipien, die Entwicklungschancen Afrikas nicht aus wirtschaftlichem Eigennutz zu untergraben. Daher fordert Brot für die Welt, dass die EPAs nicht ratifiziert werden. Am 14. Oktober wird sich der Bundestag mit dem Thema befassen.

Cornelia Füllkrug-Weitzel ist Präsidentin von "Brot für die Welt". Mit ihrem Beitrag beteiligt sie sich an der Tagesspiegel-Debatte zum Welthandel. Die gesamte Diskussion finden Sie hier.

Cornelia Füllkrug-Weitzel

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