Geschäft mit dem Abnehmen: Die Diät-Branche verliert an Gewicht
Die Abnehm-Industrie schwächelt vor allem in Deutschland. Einstige Schwergewichte wie Weight Watchers wollen sich jetzt neu erfinden.
Endlich die Strandfigur erreichen. Das hat sich Umfragen zufolge jeder dritte Deutsche für 2019 vorgenommen. Das neue Jahr bietet eben Anlass für alte Vorsätze. Für Unternehmen, die mit solchen Vorsätzen ihr Geld verdienen, könnten die Voraussetzungen besser nicht sein. Nicht ohne Grund locken sie besonders im Januar mit großen Rabatten. Doch immer häufiger vergebens: Die Abnehm-Industrie macht hierzulande seit Jahren sinkende Umsätze.
Weight Watchers steht exemplarisch für die Schwäche der Branche. Das Deutschland-Geschäft des wohl bekanntesten Diät-Konzerns hat kräftig nachgelassen. Kam das US-Unternehmen 2012 hierzulande noch auf Einnahmen von fast 74 Millionen Euro, waren es 2016 nur noch knapp 56 Millionen, wie der aktuellste Geschäftsbericht zeigt. Immer weniger Abnehm-Willige schwören offenbar auf die „Wiegetage“, an denen das Körpergewicht bei Gruppentreffen protokolliert wird. Oder auf Essen nach einem Punkteplan bis zu einer bestimmten Grenze.
Gleichzeitig wächst aber die Gruppe der potenziellen Kunden. Schon heute sind fast zwei von drei Männern laut Erhebungen des Statistischen Bundesamtes hierzulande übergewichtig, bei den Frauen ist es fast die Hälfte. Und glaubt man den Studien von Pharmakonzernen und Ernährungsinstituten, werden die Deutschen in den kommenden Jahren noch viel dicker.
Aus Weight Watchers wird WW
Weight Watchers will sich deshalb neu erfinden. Der große Diät-Anbieter von damals soll zu einem der größten Wellness-Konzerne von heute werden. Im Herbst benannte sich das Unternehmen um, heißt seitdem nur noch WW. „Unter dem Namen WW wollen wir uns noch stärker auf den ganzheitlichen Gesundheitsansatz fokussieren“, sagt Deutschlandchef Christian Kleine. „Wellness that Works“, lautet der neue Slogan. Vor wenigen Wochen startete WW eine Kooperation mit „Headspace“, dem weltweit größten Anbieter von Meditation. Gleichzeitig schuf der Konzern ein Gruppenprogramm, bei dem sich Gleichgesinnte per Smartphone-App zusammenschließen können – etwa um Yoga zu machen oder um schwimmen zu gehen.
Die neuen Angebote sollen bisherige Diät-Programme aber nicht ersetzen, sondern ergänzen. Das Prinzip: Teilnehmer werden belohnt, wenn sie sich gesunde Gewohnheiten aneignen. Für Gewichtsaufzeichnungen, Essensprotokolle und Sport gibt es Punkte. Und diese können dann wiederum gegen neue Produkte und Angebote eingelöst werden – ein Kreislauf. Bis 2020 will der Konzern so seinen weltweiten Umsatz von 1,3 (2017) auf rund zwei Milliarden Dollar steigern. Zehn Millionen Kunden sollen dann die Angebote nutzen.
Beim Marketing setzt der Konzern jedoch auf eine altbewährte Strategie: internationale Promis als Werbegesichter. Zuletzt konnte WW den britischen Sänger Robbie Williams und das US-Model Kate Hudson gewinnen. Die beiden Superstars reihen sich damit ein in eine Liste, auf der auch schon Schauspielerin Jessica Simpson und Oprah Winfrey stehen. Die US-Talkshow-Moderatorin stieg im Herbst 2015 selbst als Anteilseignerin bei Weight Watchers ein. Zumindest in den USA erlebte das bis dahin strauchelnde Unternehmen einen regelrechten Oprah-Effekt. Die Kundenzahl stieg, der Aktienkurs schnellte in die Höhe – zumindest kurzzeitig.
Ernährungswissenschaftler und Buchautor Uwe Knop wundert sich nicht über die gegenwärtige Schwäche der konventionellen Abnehm-Industrie. Für ihn ist die Sache klar: „Diäten wirken einfach nicht.“ Und irgendwann würden das auch die Kunden merken. „Alle Diäten basieren auf dem immer gleichen Konzept der negativen Energiebilanz.“ Das heißt: weniger essen, als der Körper verbraucht. Doch bei 90 Prozent würde das nicht funktionieren, sagt Knop. Im Gegenteil: „Nach zwei, drei Diäten werden die meisten sogar noch fetter.“ Denn während jeder Abnehm-Phase verlieren sie auch Muskelmasse, die sich hinterher schwieriger wieder aufbauen lässt. Der Körper lege lieber Fett an. Es passiert also das, was allgemein als Jojo-Effekt bekannt ist. Knop kommt zu einem harten Urteil: „Der ganze Wirtschaftszweig basiert darauf, dass die eigenen Produkte nicht funktionieren.“ Die Anbieter würden sich nur mit der Modifikation ihrer Angebote am Leben halten.
Influencer machen traditionellen Anbietern zu schaffen
Seit ein paar Jahren macht der konventionellen Diät-Branche zudem noch ein anderes Phänomen zu schaffen: Fitness- und Ernährungs-Influencer, die ihre Tipps in sozialen Netzwerken wie Instagram oder auf YouTube kundtun. Sie berichten vom eigenen Kampf gegen die Pfunde, wirken damit authentischer als die Schwergewichte der Branche. Wer abnehmen will, identifiziert sich mit den Influencern.
Und sie haben offenbar verstanden, was ihre Follower hören wollen. „Viele haben schon zig Diäten oder Ernährungsformen ausprobiert und keinen Erfolg gehabt oder nicht lange durchhalten können“, sagt etwa Sophia Thiel, die zu den bekanntesten Gesichtern der digitalen Fitnesswelt gehört. „So ging es mir früher ja auch.“ Fast 900 000 Nutzer folgen ihr auf YouTube. In ihren Videos stellt die 23-Jährige ihre Lieblingsrezepte vor, von „Protein-Porridge“ bis „Fitness- Bowls“. Oder sie zeigt ihr 15-minütiges Ganzkörpertraining für Anfänger – und das kostenlos.
Uneigennützig macht Thiel das aber nicht. Sie ist eine Marke des Online-Fitnessanbieters Gymondo. Wer mehr als nur die Videos will, muss zahlen. Für gut fünf Euro im Monat gibt es Zugang zu einem Rezept-Archiv oder wöchentliche Extra-Programme speziell gegen Problemzonen.
Ernährungswissenschaftler Knop kann den ganzen Schlankheitswahn nicht verstehen. „Aus einem Bernhardiner lässt sich auch kein Windhund machen“, sagt er. Jeder habe ein natürliches Normalgewicht. Und wer tatsächlich mehr wiegt, als er wiegen sollte, müsse die Ursachen und nicht die Symptome bekämpfen. Gründe für ungesundes Übergewicht könnten ein unterfunktionaler Stoffwechsel, Krankheiten, Essstörungen, beruflicher Stress oder privater Frust sein. Da helfe dann keine Diät, sondern der Hausarzt oder ein Psychiater.
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