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Zugeknöpft dürfen sich Berater nicht geben – Kontakte knüpfen ist wichtig. Auf die äußere Form kommt es dabei durchaus an.
© IMAGO

Berliner Wirtschaft ganz nah (6): Die Beraterbranche: Kaum zu fassen

Mindestens 850 Unternehmen hat die Beraterbranche in Berlin. Die Geschäfte würden besser laufen, wenn der Großflughafen BER endlich fertig wäre. Der letzte Teil unserer Serie "Berliner Wirtschaft ganz nah".

Es fehlt die klassische Klientel: Unternehmensberatungen stehen auf die Industrie. Kein Wunder: Es ist dort viel Geld zu verdienen. Rund 44 Prozent ihrer Umsätze erwirtschafteten Beratungsunternehmen im vergangenen Jahr mit Aufträgen aus diesem Sektor, wie die jüngste Lünendonk-Studie – ein Gradmesser in der Branche – zeigt. Berlin aber ist vor allem Dienstleistungsstandort. Die Industrie hat in der Hauptstadt verglichen mit dem Bundesdurchschnitt einen deutlich geringeren Anteil am Bruttoinlandsprodukt.

Das bleibt nicht ohne Folgen: 15 300 Beratungshäuser mit 122 500 Beschäftigten waren im vergangenen Jahr laut Branchenverband BDU hierzulande aktiv – lediglich 5,5 Prozent davon in Berlin. Als einziges der östlichen Bundesländer verzeichnet die Hauptstadt ein Wachstum. Genaue Zahlen zu Beschäftigten und Umsatz gibt es nicht, weil die Struktur der meisten Unternehmen dezentral ist und häufig Spezialisten verschiedener Standorte zusammenarbeiten. Spätestens mit dem Regierungsumzug Ende der 1990er Jahre ließen sich die Großen der Branche auch in Berlin nieder: Roland Berger, PwC, Deloitte, McKinsey und so weiter. Capgemini betreibt seit 2001 seine Zentral- und Osteuropageschäfte von Berlin aus. Die Franzosen haben wie KPMG auch ihre Deutschlandzentrale hier.

Hip, aber schwer erreichbar

Als Standortvorteil sehen Brancheninsider den hippen Ruf Berlins. Für junge, gut ausgebildete Leute sei die Hauptstadt mit ihrem coolen Image und den vielen kulturellen Angeboten als Wohnort besonders attraktiv. Auch wenn sie als Unternehmensberater die meiste Zeit weit weg von zu Hause im Einsatz seien. Von Berlin schnell in alle Welt zu kommen – wie von Frankfurt, München oder Düsseldorf aus –, diese Hoffnung der Berater hat sich allerdings bislang nicht erfüllt. Die Dauerbaustelle Flughafen BER, ist zu hören, verhindere, dass der Beratungsstandort schneller wachse.

Beim Einflussnehmen helfen

Ein Argument für Berlin hingegen ist die Nähe zu den Bundeseinrichtungen und zur Politik – und das gilt nicht nur für klassische Unternehmensberatungen. Sie schätzen ihren Umsatzanteil durch den öffentlichen Sektor auf rund ein Zehntel. Am Regierungssitz Berlin dürfte er entsprechend höher liegen. Hinzu kommen die Unternehmen, die sich auf Politikberatung spezialisiert haben. Die Branchenvereinigung Degepol schätzt, dass derzeit etwa 1000 Organisationen im Bereich der professionellen Interessenvertretung in Berlin tätig sind. Ein Großteil speise sich allerdings aus Verbänden und Nichtregierungsorganisationen. Allein 140 Konzerne betreiben demnach eine eigene Repräsentanz. Reine Politikberatungen – bei denen sich nach Definition der Degepol drei Viertel der Mitarbeiter mit nichts anderem beschäftigen – gebe es in Berlin nicht mehr als 20.

Simon Frost

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