Berliner Wirtschaft ganz nah (6): „Das ist der absolute Boost für die Karriere“
Unternehmensberatung einmal anders: Studenten der Berliner HTW bereiten sich mit einer eigenen Firma aufs Berufsleben vor.
Die Hemdkragen sind weiß, die Krawatten schmal, die Gesichter darüber jung. Und die sollen unsere Probleme lösen können? Können sie, sagt Sascha Grumbach, und meint damit auch sich selbst. Der 24-Jährige ist einer von rund 50 Mitarbeitern der Unternehmensberatung BCPro. Das Besondere an der Firma: Sie ist ein Verein und die Berater sind Studenten der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW). Sie bieten Leistungen in den Bereichen Qualitätsmanagement, IT-Beratung, Personalmanagement, Vertrieb und Marketing an. Die Teams bestehen aus bis zu zehn Leuten, jedes hat einen Ressortleiter, ein dreiköpfiger Vorstand führt die Geschäfte.
Mit Bescheidenheit kommt man in der Branche nicht weit
Mit allzu großer Bescheidenheit, das haben sie bereits gelernt, kommt man in ihrer Branche nicht weit. „Wir sind junge, innovative Berater“, sagt Grumbach. „Unser Vorteil liegt darin, dass wir Theorie und Praxis kennen.“ Selbstmarketing ist wichtig, wenn man Aufträge ergattern will.
Das klappt ganz ordentlich: Einen mittleren sechsstelligen Betrag setzen sie im Jahr mit 450 Beratertagen um. Macht durchschnittlich neun Tage, die jeder Berater in konkreten Projekten zubringt. Das ist nicht so wenig, wie es sich vielleicht anhört. Die Vereinsarbeit muss schließlich auch jemand machen und das Studium soll auch fertig werden: Betriebswirtschaft, Wirtschaftsingenieurwesen, Kunst, Informatik – die Berater bilden das gesamte Spektrum der Studienfächer an der HTW ab.
Meist sind die Kunden Mittelständler
Auch das ist Grumbach wichtig zu erwähnen, weil es für potenzielle Kunden wichtig zu wissen ist. Vielfalt ist ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Und muss, wenn es im laufenden Jahr ein paar Beratertage mehr werden sollen. „Studentische Unternehmensberatung ist in Deutschland noch nicht so verbreitet“, berichtet der BWL-Student. In Frankreich sei das ganz anders. Und das sei nur eines von vielen Beispielen. Vor wenigen Tagen erst ist er vom Welttreffen der studentischen Unternehmer in Genf zurückgekehrt. Eine Art Gipfeltreffen der Branche mit hunderten Teilnehmern.
Statt auf Aufträge zu warten, gehen die Berliner auch selbst auf die Suche nach Arbeit. Kaltakquise, telefonisch, proaktiv. Ihre Kunden unterscheiden sich nicht von denen anderer Beraterfirmen. Meist sind es Mittelständler, aber auch Großunternehmen wie die Commerzbank oder Institute wie Fraunhofer sind darunter.
Oft übernehmen sie kleinere Projekte für die großen Beraterfirmen
Für einen Berliner Ausstellungsdienstleister haben sie gerade eine Prozessanalyse durchgeführt. Wo liegen Schwachpunkte in der Struktur? Wie lassen sich Arbeitsabläufe verbessern oder müssen sie ganz neu gestaltet werden? 360 Beratertage hat sie dieses Projekt beschäftigt. „Es war eines der größeren. In dieser Dimension war es eine neue Herausforderung“, sagt Grumbach. Die Regel sind eher Projekte um die 40 Beratertage. Zwischen 250 und 300 Euro müssen die Auftraggeber für einen Beratertag zahlen. Für die jungen Berater kein schlechter Verdienst, 15 Prozent landen aber in der Vereinskasse.
Der Umfang und die Kosten der Projekte – darin liegen die bedeutendsten Unterschiede zu den großen Unternehmensberatungen. Für die sind solche Projekte meist zu klein und finanziell nicht lukrativ. Konkurrenzkampf gibt es deshalb nicht. Im Gegenteil: Häufiger kommen die Großen mal auf BCPro zu, wenn sie kleinere oder Teilaufträge abgeben wollen. Das können internationale Beratungen wie Bearing Point sein. Oder Partner wie Assecor aus dem eigenen Netzwerk. Robert Tech, Geschäftsführer der mittelständischen Berliner Unternehmensberatung, war früher selbst bei BCPro aktiv. Für Grumbach ist er der lebende Beweis für seine These: „Unsere Arbeit hier, die Kontakte, die wir hier knüpfen – das ist der absolute Boost für die Karriere.“ Andere Ehemalige, erzählt er, arbeiten bei Branchengrößen wie KPMG. Wieder andere haben sich mit ihrer Erfahrung aus der studentischen Beratung nach dem Studium selbstständig gemacht.
Es gibt einen Verband, der die Qualität prüft
Der Karrieregedanke spielt für die Jungberater vom ersten Tag an mit. Wer bei BCPro einsteigen will, muss sich erst mal beweisen. Ein halbes Jahr lang arbeitet er sich als Trainee in die Materie ein: Pflichtworkshops absolvieren, interne Projekte bewältigen, bei aktuellen Kundenaufträgen assistieren. Mit Karrieredenken habe das aber nichts zu tun, widerspricht Grumbach. Eher mit Leistung. Fehler kosten die Kunden Geld. Als Dienstleister muss man qualitativ gute Arbeit liefern. Andernfalls gefährdet man künftige Projekte – und den guten Ruf, den man sich in 150 Projekten über fast 16 Jahre seit der Gründung erworben hat. Über die Qualität wacht der Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen (BDSU), einer von zwei Dachverbänden, in dem sich die Juniorberater organisiert haben. Über jährliche Audits prüft der Verband, dass die Standards für die Unternehmensberatung eingehalten werden.
Bei so hohem Aufwand wird auch schon mal die wöchentlich abgehaltene Vereinssitzung zum Präsentationstraining genutzt. Und bei Workdays werden potenzielle Kunden über Kaltakquise gewonnen – vorstellen, erklären, Termin vereinbaren. Apropos Termin. Grumbach hat gleich noch einen: weißer Hemdkragen, schmale Krawatte.
Simon Frost
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